Abo

Lachen, weinen, singenMit Kölsch und kölscher Musik gegen die Trauer

Dr. Nele Stadtbäumer steht am Mikrofon.

Dr. Nele Stadtbäumer hat die Veranstaltung Trauer am Rhein am Montagabend (27. Oktober 2025) im Brauhaus Unkelbach organisiert.

Gemeinsam ist man weniger einsam. Unter diesem Motto fand erstmals die Runde „Trauer am Rhein – Do bes nit allein“ statt. Menschen, die jemanden verloren haben, sprachen und sangen miteinander.

Nachdem Petras Mutter nur sechs Wochen nach ihrer Diagnose den Kampf gegen den Speiseröhrenkrebs verloren hatte, litt die Grafikerin wochenlang unter Panikattacken. „Ich war blockiert, innerlich erfroren und konnte nicht über das sprechen, was mir widerfahren war“, sagt sie.

Eines Morgens wachte sie mit dem Gedanken auf, dass es einen Trost-Tiger geben müsste. Einen kuscheligen, freundlichen Tiger, der große und kleine Menschen tröstet, wenn die Trauer groß ist und die Einsamkeit im Herzen weh tut.

„Trauer am Rhein – Do bes nit allein“: Erster Treff im Brauhaus Unkelbach

Sie zeichnete Skizzen, schickte sie zu einem Kuscheltier-Hersteller und orderte 500 Exemplare. „Mir hat es geholfen, die Trauer zuzulassen. Denn ich habe gemerkt, dass ich sechs Wochen lang nicht geweint habe. Doch plötzlich bekam ich neue Energie“. Heute arbeitet sie auch als Sängerin bei Beerdigungen. „Tränen sind dann wie Applaus, weil ich spüre, dass ich die Menschen erreiche.“

Petras Geschichte war nur eine von vielen, die am Montagabend (27. Oktober 2025) im Brauhaus Unkelbach zu hören waren. Erstmals fand dort die Veranstaltung „Trauer am Rhein – Do bes nit allein“ statt. Der Saal war ausgebucht. Rund 90 Gäste kamen zusammen, um sich zu erinnern, Geschichten zu teilen, zu lachen, zu weinen – und um Kraft aus Gemeinschaft zu schöpfen.

2023 gab es erstmals solch einen Treff, um das Thema aus der Tabuzone zu holen. Damals hieß die Reihe noch „Trauer op Kölsch“. Doch wegen unterschiedlicher Vorstellungen wurden daraus zwei Veranstaltungen. Im Hellers Brauhaus trafen sich die Menschen am Montag parallel zum „Kölner Trauertreff“, den Lisa Dukowski und Anna Heller organisiert hatten.

Der Abend im Unkelbach wurde von Nele Stadtbäumer auf die Beine gestellt. Sie hat 2019 ihren Vater verloren, als sie erst 24 Jahre alt war. „Ohne seinen Tod stünde ich heute nicht hier. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man einen Menschen vermisst. Trauer verbindet, denn es geht um Mut und ums Weitermachen“, sagt sie.

Tobi, Yasmina und Petra sitzen auf Stühlen und erzählen dem Publikum etwas.

Tobi, Yasmina und Petra (v.l.) berichteten von ihren Erfahrungen im Umgang mit der Trauer.

Nach ihrem Schicksalsschlag suchte die Psychologin damals nach Trauergruppen, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, fühlte sich aber alleingelassen. Daraus entstand die Idee für das Start-up „Grievy“, dass inzwischen Marktführer im Bereich der Trauerbegleitung ist. Über eine App werden Videos, Texte, Audios sowie interaktive Übungen bereitgestellt.

„Trauer ist ein Thema, was in der Gesellschaft nicht so gerne angesprochen wird“, sagte sie zur Begrüßung. „Ich weiß, dass der eine oder andere mit einem Kloß im Hals gekommen ist und vielleicht auch Angst hat.“ Dabei sei gerade der Austausch so wertvoll. „Wir wollen die Gefühle nicht zulassen und kennen alle die Trauer-Wellen. Es ist nicht immer gleich schlimm.“

Trauerbegleiterin Yasmina berichtete auch von ihren Erfahrungen nach dem Verlust ihrer Eltern. „Es gibt so viele Bullshit-Aussagen: ‚Wenigstens sind sie nun wieder zusammen‘. So etwas will man nicht hören. Genauso wenig Floskeln wie ‚Bald hast du es geschafft‘. Als ob Trauer irgendwann aufhöre. Mich fragte auch mal eine Frau, ob sie zur Hochzeit ihrer besten Freundin gehen dürfe, obwohl ihre Mutter kürzlich verstorben sei. Was würden die anderen schließlich denken.“

Viele Menschen sitzen im Saal des Brauhauses Unkelbach.

Im vollbesetzten Saal fand die Premiere von „Trauer am Rhein“ statt.

Auch Tobi hatte seine Eltern binnen kürzester Zeit verloren. „Das hat alles durcheinandergewirbelt und auf den Kopf gestellt. Eine emotional enorm fordernde Situation, als ich plötzlich nach der Urnen-Farbe gefragt wurde.“ Gleichwohl habe ihm die Anteilnahme geholfen. „Als ich die lange Schlange bei der Beerdigung gesehen habe, dachte ich mir, dass meine Eltern wohl im Leben vieles richtig gemacht haben.“

Besonders wertvoll sei für Trauernde der Austausch. Durch eine Art „Speed-Dating“ konnten sich im Saal anschließend Trauer-Tandems finden, die gemeinsam beim Kölsch über ihr Schicksal sprechen. Farbige Klebepunkte sollten helfen, schneller Gleichgesinnte zu finden. „Ein offenes Herz hilft“, gab Petra allen mit auf den Weg. „Wir können Hand in Hand über die Brücke der Angst gehen.“

Mit der EXPRESS-App keine News mehr verpassen! Jetzt runterladen – für iPhone oder Android.

Die Kraft der kölschen Musik sollte auch positive Gefühle auslösen. Und so wurde am Ende mit Texthilfen gesungen. Die Titel von Revolverheld („Halt dich an mir fest“), Jupiter Jones („Still“), Brings („So lang mer noch am Lääve sin“), Kasalla („Wenn ich ne Engel bin“, „Immer noch do“, „Mer sinn uns widder“), Cat Ballou („Et jitt kei Wood“), Bläck Fööss („En unserem Veedel“) und AnnenMayKantereit („Tommi“) trafen genau die Stimmung des Abends.

Für Nele Stadtbäumer hat die große Resonanz auf den Abend gezeigt, dass der Bedarf, Trauer einen Raum zu geben, um offen darüber zu sprechen, groß ist. „Deshalb planen wir mindestens einmal im Jahr solch einen Treff. Vielleicht bekommen wir auch im Sommer etwas hin, um etwas Verbindendes zu schaffen, damit niemand allein bleiben muss“. Denn gemeinsam ist man weniger einsam.