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Thema MigrationGibt es in Köln wirklich einen „Maulkorb“?

Wahlplakate hängen in Köln und werben für die Kandidaten und Kandidatinnen der Kommunalwahl 2025.

Wahlplakate hängen in Köln und werben für die Kandidaten und Kandidatinnen der Kommunalwahl 2025.

Ein Pakt sorgt für Wirbel – und das weltweit! Sogar Tech-Milliardär Elon Musk mischt sich in den Kölner Kommunalwahlkampf ein. Der Grund: Ein umstrittenes „Fairness-Abkommen“.

Die „Bild“-Zeitung poltert über eine „bizarre Maulkorb-Vereinbarung“, Talkmaster Markus Lanz behauptet im ZDF, die Parteien hätten sich verschworen, „bloß nicht über Migration zu sprechen“. Und dann schaltet sich auch noch Elon Musk ein und gibt wegen des Themas sogar eine Wahlempfehlung für die AfD ab.

Doch was ist dran an dem ganzen Wirbel? Gibt es in Köln wirklich einen „Maulkorb“ für Politikerinnen und Politiker, wenn es um das Thema Migration geht?

Fakt ist: Es gibt eine sogenannte Fairness-Vereinbarung, die schon seit 1998 existiert. Ins Leben gerufen wurde sie vom „Runden Tisch für Integration“.

Der Grund damals: Man wollte verhindern, dass die harten Debatten über Asyl- und Migrationspolitik den Bundestagswahlkampf vergiften und rechte Gruppierungen wie Pro Köln Aufwind bekommen. Das berichtet der „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Ein Dokument mit dem Titel Fairness-Vereinbarung und den Logos von CDU, SPD, Grünen, FDP, Die Linke und Volt.

Die Fairness-Vereinbarung von 1998 wurde vor dem aktuellen Kommunalwahlkampf erneuert.

In dem Papier verpflichten sich die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, die Vielfalt zu achten und keinen Wahlkampf „auf Kosten von Menschen mit Migrationshintergrund“ zu machen. Vorurteile sollen nicht geschürt und „Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge nicht für negative gesellschaftliche Entwicklungen wie die Arbeitslosigkeit oder die Gefährdung der Inneren Sicherheit verantwortlich zu machen“ sein.

Seit 27 Jahren krähte kaum ein Hahn danach, doch jetzt ist das Papier plötzlich in aller Munde. Der Auslöser: Ein Wahlkampf-Flyer des Kölner CDU-Ratsmitglieds Florian Weber. Darin wehrt er sich gegen eine geplante Großunterkunft für Flüchtlinge im Agnesviertel mit dem Slogan: „Nein zur Großunterkunft. Für ein sicheres, lebenswertes Agnesviertel“.

Die Grünen und der Runde Tisch sahen darin einen Verstoß gegen den Pakt. Die Nachricht ging durch die Medien – und wurde teils zugespitzt und verkürzt wiedergegeben, bis sie schließlich bei Elon Musk landete.

Ist es wirklich verboten, schlecht über Migration zu sprechen?

Aber ist es wirklich verboten, schlecht über Migration zu sprechen? Nein! Die Schiedsleute des Runden Tischs entschieden sogar, dass der CDU-Flyer KEIN Bruch des Abkommens ist. Eine politische Auseinandersetzung über die Unterbringung von Geflüchteten müsse erlaubt sein, solange niemand herabgewürdigt wird.

Ein Knackpunkt ist jedoch ein Satz im Abkommen: Migranten sollen nicht für Arbeitslosigkeit oder Sicherheits-Probleme verantwortlich gemacht werden. Kritikerinnen und Kritiker sagen: Das ist ein „Maulkorb“! Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) meint, hier fehle das Wörtchen „pauschal“.

Claus-Ulrich Prölß vom Runden Tisch gibt zu: „Jetzt ist aufgefallen, dass da ein Wort fehlt.“ Es sei aber immer klar gewesen, dass es um eine pauschale Verurteilung geht. Alles andere sei „purer Populismus“.

Und die AfD? Die wurde gar nicht erst gefragt, ob sie mitmachen will. Die Begründung des Runden Tischs: Das Grundsatzprogramm der AfD sei das Gegenteil von dem, wofür man stehe. Die AfD hätte aber ohnehin nicht unterschrieben, so ihr Kölner OB-Spitzenkandidat.

Nach all dem Wirbel hat der Runde Tisch reagiert: Das Abkommen soll überarbeitet werden. „Im aktuellen Wortlaut wird es das Abkommen sicher nicht mehr geben“, kündigt Claus-Ulrich Prölß an. Wichtiger sei aber die „Brandmauer gegen Rechtsextremismus“. „Und die braucht es heute mindestens so dringend wie damals.“ (red)