Boris Becker löste mit seinem Wimbledon-Sieg 1985 einen Tennis-Boom in Deutschland aus. Die Nationalmannschaft der Frauen, die gegen Polen zum ersten Mal bei der Europameisterschaft in der Schweiz auflief und gewann, scheint einen ähnlichen Kick zu entfesseln.
Fußball-Boss teilt aus„Schade, dass sich die Stadt Köln mehr mit Spielplätzen beschäftigt“

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Immer mehr Mädchen erobern den Fußballplatz, hier ein Trainingscamp mit Ex-Bundesligaspielerin Monique Michaelis in Hattingen. In Deutschland kicken 380.000 Mädchen unter 18 Jahren – Tendenz steigend.
Der DFB verkündete jetzt bei Mädchen unter 16 Jahren einen Zuwachs im Spielbetrieb um satte sieben Prozent – auf knapp 119.000. Doch wie gehen die Vereine mit dem Boom um? EXPRESS.DE hörte sich bei einem Kölner Traditionsclub um.
Mädchen am Ball, die allen Vorurteilen trotzen und mit Technik und Schusskraft glänzen, sieht man immer mehr. Auch beim „FC Rheinsüd“ im Kölner Stadtbezirk Rodenkirchen streben die Juniorinnen nach Siegen und Titeln und wollen ihren aktuellen Vorbildern um Giulia Gwinn & Co nacheifern.
In die neue Fußballeuphorie mischen sich auch Misstöne
Doch in die neue Fußballeuphorie mischen sich auch Misstöne.
„Auch wir haben analog zu den DFB-Zahlen etwa sieben Prozent Spielerinnen pro Jahr mehr“, sagt Rheinsüd-Vorsitzender Georg Komma (74) zum EXPRESS: „Schade, dass der DFB aber wenig tut, um Angebote für weiblichen Nachwuchs zu schaffen und sich die Stadt Köln bekanntermaßen mehr mit Spielplätzen beschäftigt, als mit Fußballplätzen, die dringend benötigt werden.“
Angesprochen auf den Wettkampf um die besten Plätze mit den Männern sagt eine junge Spielerin in der WDR-Sendung „9 einhalb“: „Ich finde, Frauenfußball ist eigentlich genauso viel wert wie Männerfußball. Nur wird das total unterschätzt.“
Auch der Kölner Vater Andreas Schwarz (55), der selbst seit 48 Jahren kickt und die Entwicklung lange beobachtet, sagt zum EXPRESS: „Der Mädchenfußball boomt. Leider haben viele Vereine dies noch nicht erkannt.“
Dabei gehe es nicht nur um das berühmte „Equal Pay“, also die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen, sondern beim Nachwuchs um „Equal Play“, also um die Chancengerechtigkeit bei Trainings- und Spielbedingungen. „Mädchen werden immer noch im Bereich Trainingskapazitäten, Trainingsausrüstung und Anerkennung benachteiligt. Das ist schade und teilweise diskriminierend. Besonders, da die Mädchen den gleichen Jahresbeitrag bezahlen wie die anderen auch.“

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Jungs auf dem Platz bevorzugt? Hier ein Bild von den C-Junioren beim Spiel des FC Rheinsüd (Rote Trikots) gegen RW Oberhausen im März 2023.
Ein langjähriger Mädchen-Fußballtrainer (54) meint: „Alle Menschen sind gleich. Nur nicht beim Fußball.“ So würden beispielsweise die Herren zur „Primetime“ am Sonntag um 16 Uhr spielen, viele junge Mädchen aber erst um 19 Uhr abends kicken müssen – und das auch im eisigen Winter. „Warum?“, fragt der Trainer.
Dabei sprechen die Zahlen für sich: Nach Angaben des Deutschen Fußball-Bundes stieg die Zahl weiblicher DFB-Mitglieder zur Saison 2024/2025 um fast sieben Prozent auf fast 954000. Noch stärker zeigte sich der Trend auf Teamebene: In der abgelaufenen Saison gab es mit 6042 Mädchenmannschaften 10 Prozent mehr als in der Vorsaison - und einen deutlich stärkeren Zuwachs als bei den Jungen.

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Vorbilder: DFB-Kapitänin Giulia Gwinn bei der EM vor ihrer schweren Verletzung beim Spiel gegen Polen.
Ein Sport auf Expansionskurs, aber auch mit enormem Nachholbedarf. Eine „beispiellose Wachstumsphase“ sieht Sportfive. Der international tätige Sportrechtevermarkter mit Sitz in Hamburg hat zur EM ein umfangreiches Papier zur Entwicklung des Frauenfußballs veröffentlicht. Untertitel: „A movement, not a moment“ - „eine Bewegung, kein Moment“.
Sportfive-CEO Stefan Felsing spricht von einem „globalen Phänomen“, das Millionen Menschen weltweit begeistert: „Der rasante Aufstieg dieses Sports ist nicht nur ein Trend, sondern ein Beweis für seine dauerhafte Attraktivität und sein fortwährendes Potenzial.“ Sponsoren hätten eine Marktlücke entdeckt, die niedrige Einstiegskosten und höhere Investitionsrenditen versprächen.
Übrigens: Den deutschen Fußballerinnen winken beim Titeltriumph 120.000 Euro pro Kopf – Rekord.