Am 31. Dezember ist Schluss. Die Händler und Händlerinnen des Kölner Großmarktes bangen um ihre Zukunft.
Ära endetKölner Großmarkt macht dicht – Händler voller Wut und Verzweiflung

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Der Kölner Großmarkt am Bonntor schließt am 31. Dezember 2025 nach 85 Jahren.
Aktualisiert
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und mit ihm verschwindet nach 85 Jahren eine Institution: der Kölner Großmarkt.
Wenn Kölns Straßen sich leeren, erwacht auf dem Großmarkt das Leben. Kisten voller Orangen und Kartoffelsäcke wechseln den Besitzer. So war es am Bonntor seit über 80 Jahren. Doch am letzten Tag des Jahres um 14 Uhr ist damit für immer Schluss.
Großmarkt-Händler und Händlerinnen in dritter Generation
In der Nacht auf den 23. Dezember bleiben viele Rolltore bereits unten. Die Degens sind die letzten in ihrer Gasse. Nur bei ihrem Gemüsestand leuchten noch Lampen in der Dunkelheit. Annemie Degen ist seit 1981 hier, ihre Schwiegereltern gründeten den Stand 1963. Ihr Sohn Christoph hat übernommen. Eine Familientradition in dritter Generation, was auf dem Großmarkt keine Seltenheit ist.
Annemie Degen wirkt angespannt, es ist ihre vorletzte Nacht auf dem Areal in Raderberg. „Wir haben uns nie vorstellen können, dass es ein Köln ohne Großmarkt gibt“, sagt sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Wie viele Menschen von der Schließung betroffen sind, lässt sich schwer sagen. Die Interessensgemeinschaft Großmarkt gibt an, dass hier vor wenigen Jahren noch 180 Händler und Händlerinnen mit etwa 2000 Mitarbeitenden tätig waren. Dazu kamen Service-Firmen wie Entsorger oder LKW-Werkstätten.
Bis zum Jahresende werden all diese Unternehmen umgezogen, aufgelöst oder insolvent sein. Kurz vor Weihnachten waren laut Stadtangaben noch rund 50 Händler und Händlerinnen vor Ort. Die Hälfte von ihnen will bis zur letzten Minute ausharren. „Jeder musste sich eine Lösung suchen“, erklärt Christoph Degen. Er wird seine Kunden und Kundinnen – Hofläden und Wochenmarkthändler – künftig von einer umgebauten Halle aus beliefern.
Die Suche nach neuen Lieferanten
Großmarktkunde Daniel Wurm eilt durch die Gassen. Seine Einkaufsliste für den Großhandel und Gastroservice ist lang, die Gespräche mit den Händlern und Händlerinnen sind kurz. Man kennt sich. Schon sein Vater kaufte hier vor vierzig Jahren ein. Wo Wurm ab Januar seine Waren holt? Er gibt drei Antworten: „Quer durch Köln“, wo sich die Händler und Händlerinnen verteilt haben. „Nach Venlo“, aber dort sei der Markt nur vormittags geöffnet. „Dann muss ich wohl nach Frankfurt“, sagt er, was aber 40 Minuten mehr Fahrzeit bedeutet.
Schwere Plastikvorhänge, die die Wärme in der Halle halten, lassen gelbes Licht nach draußen scheinen. In einem der kleinen Büros sitzt Mehmet Middik über seiner Tagesplanung. Er leitet den Gowi Fruchthandel mit seinen Brüdern seit 1984. Einer von ihnen schiebt Türme aus Fruchtkisten durch die Gänge. Ein Gabelstaplerfahrer manövriert eine Palette Kohlköpfe vorbei. Wer hier arbeitet, ist Teil einer über Jahrzehnte einstudierten Choreografie.
Zusammenschluss im Stadtteil Gremberghoven
Middiks Lösung: Er schließt sich mit zwölf anderen Händlern und Händlerinnen an einem neuen Standort in Gremberghoven zusammen, um Synergien zu nutzen. Dafür investiert Middik 175.000 Euro. „Wir haben keine andere Möglichkeit, wir haben alle Kinder und Familie.“ Über Silvester wird er sein kleines Büro in der Markthalle ausräumen.
Am 31. Dezember um Punkt 14 Uhr schließt der Bauch von Köln. Nach mehr als acht Jahrzehnten ist am Bonntor in der Südstadt Schluss. Rund 1,2 Millionen Tonnen Lebensmittel wechselten hier jährlich per Handschlag den Besitzer.

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Mehmet Middik arbeitet seit 1984 auf dem Kölner Großmarkt.
„Sehr viel imposanter“ als frühere Versuche sei die 1904 eröffnete „Centralmarkthalle“ am Heumarkt gewesen. Das Stadtviertel wurde saniert. Mit einem Eisenbahnanschluss umfasste die Fläche 8572 Quadratmeter. Die Lage in der Innenstadt erwies sich jedoch bald als Verkehrsproblem, so die Stiftung „Heimat im Wandel“.
Vom Heumarkt zum Güterbahnhof am Bonntor
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es erste Überlegungen für einen Neubau einer Großmarkthalle am Stadtrand. Die Nationalsozialisten setzten die Idee um. Am 1. November 1940 zog der Großmarkt vom Heumarkt, wo heute das Maritim Hotel steht, stadtauswärts zum Bonntor. Nur drei Jahre später trafen mehrere Bomben das Gelände und zerstörten das Hallendach sowie die gesamte Verglasung, berichtet die Köln-Historikerin Gabi Langen.
In der Römerzeit fand das Marktgeschehen in Köln auf der Rheinvorstadt statt, einer Insel vor der Kernstadt. Hier entwickelten sich mit dem Alter Markt und dem Heumarkt ein dicht bebautes Marktviertel, der „Mercatus Coloniae“. „Das Privileg, unter dem Schutz eines Marktherren – in Köln war es Erzbischof Brun, der 953 der Stadt Köln erstmals das Marktrecht verlieh – einen ständigen Markt abhalten zu dürfen, war ein wirksamer Faktor im Stadtentwicklungsprozess“, schreibt Langen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst als Autopark genutzt
Nach Kriegsende nutzte die US-Armee die Halle zunächst als „Autopark“. Ab Mai 1945 wurde jedoch die Öffnung der Stände im Außenbereich genehmigt. Bis 1950 waren wieder über 200 Verkaufsstände im Innen- und Außenbereich aktiv. Seit der Eröffnung wuchs die Fläche von 70.000 auf über 150.000 Quadratmeter, was den Großmarkt zu einem der größten in Deutschland machte.
„Das alles ist vorbei“, sagt Barbaros Avsar. Seine Existenz steht auf dem Spiel. Mit 14 Jahren kam er aus der Türkei nach Deutschland. Er schaffte den Hauptschulabschluss und begann bald als Gabelstaplerfahrer und Verkäufer am Großmarkt. 1987 gründete er seine eigene Firma für den Import von Obst und Gemüse.
Eine mutige Entscheidung, die zu einer Erfolgsgeschichte wurde. Und heute? Er sucht eine neue Halle im Kölner Raum, sagt er. Dutzende hat er besichtigt. Zu klein, zu alt, keine Kühlung, Probleme mit der Lkw-Anlieferung oder keine Genehmigung für den 24-Stunden-Betrieb – irgendetwas passte nie. Und die Stadt, trotz diverser Versprechen, habe ihn in den letzten Monaten „kein bisschen unterstütz“, sagt er.
Die Wut und Enttäuschung der Händler und Händlerinnen
Mit seiner Enttäuschung spiegelt er die Stimmung vieler anderer Händler und Händlerinnen wider. „Unterstützung von der Stadt? Im Gegenteil: Seit über einem Jahr warte ich auf eine Stromabrechnung für unseren Stand, noch nicht einmal das haben die hinbekommen“, schimpft Murat Tabar. Sein Familienunternehmen importiert Gemüse aus den Niederlanden und Spanien.
Die Firma beliefert hauptsächlich Kunden und Kundinnen aus der Gastronomie. „Die also selbst gar nicht mehr zum Großmarkt gekommen sind“, erklärt Tabar: „Das könnte auch zukünftig funktioniert, vorausgesetzt wir finden eine passende Bleibe zwischen 50 und 300 Quadratmetern.“
Die Halle mit dem markanten Parabeldach, die seit 1989 unter Denkmalschutz steht, wird das Einzige sein, was vom Kölner Großmarkt übrig bleibt. Um das „Herzstück“ herum soll ein neues Quartier mit Wohnungen für 10.000 Menschen entstehen: Die Parkstadt Süd. Der Baustart ist für 2032 geplant. Dafür muss das Großmarkt-Gelände geräumt werden. Wer einen Pachtvertrag mit der Stadt hatte, muss den Rückbau des eigenen Marktstandes sogar selbst bezahlen.
Mieter müssen die Kosten für den Abbruch der Marktstände übernehmen
Für einige Händler und Händlerinnen bedeutet das mehrere 100.000 Euro, die zu den Investitionen in einen neuen Standort hinzukommen. So steht es in den Verträgen, obwohl die Unternehmer und Unternehmerinnen teils auf Kulanz gehofft hatten. Die Stadt signalisierte auf Nachfrage Härte: „Es ist nicht auszuschließen, dass die Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen der Mieter und Pächter in einigen Fällen gerichtlich durchzusetzen sein wird.“
Enttäuscht sind die Händler und Händlerinnen auch von der Politik. Sie hatten auf einen gemeinsamen Umzug gehofft, nicht auf das Ende. 2007 hatte der Kölner Rat bereits beschlossen, den Großmarkt 2020 als neues Frischezentrum nach Marsdorf zu verlagern. Ein Investor sollte anstelle der Stadt als Betreiber gefunden werden.
„Es ist eine Schande, was hier passiert ist“
Das Projekt scheiterte. Pläne für ein neues Frischezentrum gibt es bei Politik und Stadt zwar weiterhin, aber sie sind wenig konkret und ein Betriebsstart ist frühestens 2030 zu erwarten. Dennoch besiegelte das damalige Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt im Herbst 2024 mit einer Änderung der Kölner Marktsatzung das endgültige Aus für den Großmarkt.
„Es ist eine Schande, was hier passiert ist“, sagt Magrit König, Geschäftsführerin der Nettekoven + König GmbH: „Politik und Stadtverwaltung haben sich aus der Verantwortung gestohlen.“ Schon der Großvater ihres Mannes arbeitete Anfang des letzten Jahrhunderts auf dem Heumarkt. König, 61, hat das Familienunternehmen nun aber schließen müssen. „Noch einmal neu anzufangen, ohne Hilfe und mit all den nötigen Investitionen und Kosten, das hat sich nicht mehr gelohnt“, sagt sie.
„Fünf Millionen Menschen wurden über den Großmarkt im Umkreis von 100 Kilometern versorgt“, fügt Norbert Heep, Vorsitzender der IG Großmarkt, hinzu. Er ist selbst Fruchthändler in dritter Generation: „Die Wochenmärkte, Restaurants und Hofläden rund um Köln brauchen uns doch.“ Heep ist auf dem Blumengroßmarkt in Niehl untergekommen. Er sagt: „Wir arbeiten weiter als Netzwerk zusammen, sind jetzt aber über das ganze Stadtgebiet verteilt. Das verursacht größeren Aufwand – und mehr Verkehr in Köln.“ (red)
Dieser Inhalt wurde mit Hilfe von KI erstellt.

