Interview

Comedy und KarnevalCantz will Newcomer fördern – „so wenig Vielfalt ist schade und langweilig“

Handwerker Peters sitzt mit Guido Cantz auf der Bühne.

Guido Cantz (r.) gibt Kai Kramosta Tipps für dessen Auftritt als „Handwerker Peters“ in der Volksbühne am Rudolfplatz.

Guido Cantz steht seit 34 Jahren auf der Bühne und hat sein sechstes Comedy-Programm am Start. Kai Kramosta ist als Handwerker Peters mit seinem dritten Programm unterwegs. Beide trafen sich zum Gespräch.

von Marcel Schwamborn  (msw)Daniela Decker  (dd)

In der Wirtschaft herrscht Fachkräfte-Mangel, und auf Karnevals-Bühnen beklagen viele einen Lachkräfte-Mangel. Komiker Kai Kramosta (41) will genau das beheben und hat seinem Solo-Programm als Handwerker Peters diesen Titel gegeben.

Hinter dem Mann aus der Eifel liegt die bisher intensivste Session seiner Karriere. Und mit seiner Rolle als HP, der alle Themen und Probleme auf Baustellen kennt, ist er derzeit auf Tour. Am 12. Juni 2025 ist die Handwerker-Comedy in der Volksbühne am Rudolfplatz zu erleben. Es gibt noch ein paar Restkarten.

Handwerker Peters am 12. Juni in der Volksbühne am Rudolfplatz

Vor seinem Auftritt im historischen Theater traf er sich mit Comedy-Star Guido Cantz (53). Der hatte direkt noch ein paar wichtige Tipps für den Newcomer auf Lager. Vor allem entwickelte sich beim EXPRESS.de-Gespräch eine lebhafte Unterhaltung über fehlende Abwechslung in der Bütt und geringe Halbwertszeit von Gags.

Alles zum Thema Guido Cantz

Was kann das Publikum erwarten, wenn Handwerker Peters auf die Bühne kommt?

Handwerker Peters: Ich zeige, dass man von der Baustelle fürs Leben lernen kann, indem man nicht so verkopft an die Dinge geht und praktische Lösungen findet. Bevor man diskutiert, ob es 37 Geschlechter gibt, sollten lieber Frauen so viel verdienen wie Männer. Wir haben in Deutschland für jede Lösung gleich drei Probleme, weil wir zu pseudo-akademisch denken. Die Baustelle ist auch ein integrativer Ort, da arbeiten alle Kulturen in Frieden miteinander.

Guido Cantz: Als Handwerker aufzutreten ist ein gutes Thema, weil sich jeder hineinversetzen kann. Die Herausforderung bei einer festen Figur ist, dass sie sehr beschränkt sein könnte. Der Karneval schreit immer nach Typenreden. Am Ende ist es egal, ob man mit einem roten Anzug oder einem blauen auf die Bühne geht – wenn die Inhalte gut sind, wird man Erfolg haben.

Handwerker Peters: Es hilft am Anfang. Wenn man als Handwerker mit Helm und Handschuhen kommt, weiß das Publikum, worum es geht.

Guido Cantz: Wir beiden kennen uns schon lange. Er hat es zu Beginn auch mit Parodien von Reiner Calmund oder Ottfried Fischer versucht, das hat mich an meine Anfänge erinnert. Zudem habe ich schnell gemerkt, dass er Bock auf Karneval hat und sich damit identifiziert. Dann war er plötzlich wieder von der Bildfläche verschwunden. Seinen Ehrgeiz habe ich aber weiterhin gespürt, davor habe ich Respekt.

Guido Cantz vermisst Handwerker Peters.

Da misst der Chef noch mal genau nach, ob Handwerker Peters auch schon die richtige Größe für das ehemalige Millowitsch-Theater hat.

Ingrid Kühne hat jüngst ihren baldigen Rückzug aus dem Karneval angekündigt, weil das Publikum nicht so aufmerksam wie bei Solo-Programmen sei. Wie sehen Sie das?

Handwerker Peters: Ich habe wie Guido im Karneval angefangen und bin dann erst zur Comedy gekommen. Natürlich hat man in einem Solo-Programm viel mehr Zeit, um eine Nummer aufzubauen. In der Session bleiben drei, vier Minuten. Wenn die nicht interessant sind und einen super Gag enthalten, hat man die Gäste gedanklich verloren. Deshalb haben viele Comedians im Karneval Probleme. Es reicht nicht aus, nur aus dem Solo-Programm einfach 20 Minuten rauszunehmen. Im Karneval muss man sich den Respekt erst einmal verdienen.

Guido Cantz: Ich stehe Ingrids Aussagen etwas kritisch gegenüber. Sie ist seit 15 Jahren in der Bütt und sagt, dass es nicht mehr ihr Karneval sei. Was sollen dann Bernd Stelter und ich sagen? Im Karneval musste man immer zügig liefern. Dass Kellner beim Auftritt rumlaufen und dass manche Gäste keine Lust auf einzelne Programmpunkte haben, gab’s auch schon immer. Wo sie recht hat: Die Aufmerksamkeitsschwelle der Leute hat sich reduziert. Und bei einem Solo-Programm herrscht natürlich eine andere Disziplin.

Guido Cantz: Stehe Ingrid Kühnes Aussagen kritisch gegenüber

Wie kriegt man denn Ruhe in den Saal?

Guido Cantz: Du musst relativ schnell eine gute Pointe an den Start bringen, damit die Leute merken, dass es sich lohnt, zuzuhören. Wenn man einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, mag es auch einfacher sein, die Leute zu beruhigen. Aber gleichzeitig herrscht auch eine hohe Erwartungshaltung.

Handwerker Peters: Du musst Karneval lieben, sonst gehst du zu Grunde. Ich wurde schon in Mönchengladbach von 1000 Männern mit Bierdeckeln beworfen. Wie lernt man Laufen? Indem man wieder aufsteht. Diejenigen, die nur an die schnelle Kohle gedacht haben, sind schon wieder alle verschwunden.

Was haben Sie in den vergangenen Jahren im Karneval gelernt?

Handwerker Peters: Sich auf das Publikum einzustellen, den Saal zu lesen und sich von einer Stimmung treiben zu lassen. Wenn man stur seinen Stiefel runterspielt und sein vorgefertigtes Programm abspult, dann wird es nichts. Man muss auch den Mut haben, auf Momente einzugehen. Das konnte ich vor ein paar Jahren noch nicht.

Guido Cantz: Ich musste auch erst lernen, dass der Begriff dafür „Crowdwork“ ist, dabei mache ich das schon immer, indem ich einzelne im Saal anspreche oder die Kapelle begrüße. Wichtig ist auch, dass man seine Hausaufgaben macht und ein paar aktuelle Dinge erwähnt. Auch wenn die Pointe nicht Spitzenklasse ist, honoriert es das Publikum, wenn man auf aktuelle Dinge eingeht.

Handwerker Peters: Als die Papstwahl war, stand ich auf der Bühne. Da habe ich gesagt: „Ein Handwerker hätte den Job nie gemacht. Warum ein Stellvertreter-Posten, wenn man als Handwerker Schöpfer sein kann“.

Kai Kramosta sitzt mit Guido Cantz im Theater.

Zwei, die das Publikum gerne zum Lachen bringen, tauschten sich ausführlich über den Karneval und das Komiker-Leben aus: Kai Kramosta (l.) mit Guido Cantz.

Guido, Sie stehen schon seit 34 Jahren auf der Bühne. Warum engagieren Sie sich so für jüngere Künstler?

Guido Cantz: Ich habe das schon im Vorjahr im EXPRESS.de-Gespräch angeregt, dass wir die Auftritte kürzer halten sollten, damit auch Neulinge die Chance bekommen, sich vor Publikum zu beweisen. Das, was wir im Karneval auf der Bühne machen, ist einfach zu lang und deshalb kontraproduktiv. Wir bemängeln, dass die Leute nicht mehr so lange zuhören können, planen die einzelnen Nummern aber immer länger ein. In einem TV-Comedy-Format ist ein zwölfminütiger Auftritt das Äußerste. Sechs, acht, zehn Minuten sind da üblich. Deshalb ist es kurzweilig. Mich interessieren junge Gesichter auf den Bühnen und wir sollten ihnen Chancen geben, indem wir im Programm Lücken schaffen.

Handwerker Peters: Ich spüre schon den Mut bei einigen Literaten. Die Roten Funken oder die Zunftbrüder lassen mich künftig mal ran. Es ist zwar noch homöopathisch, aber ich darf weitere Duftmarken setzen.

Guido Cantz: Ich finde es einfach nur schade und einfach auch langweilig, dass wir von so wenig Vielfalt im Rednerbereich im Kölner Karneval reden. Auf Dauer müssen wir als erfahrene Gesichter den Nachwuchs an die Hand nehmen. Einige haben vielleicht Angst, dass sie was vom Kuchen abgeben müssen. Das Problem sehe ich nicht, weil der Bedarf einfach da ist. Der Fortbestand des Sitzungskarnevals als Mischung aus Musik, Tanz, Dreigestirn und Rede wird nur funktionieren, wenn es Nachwuchs gibt. Die Sessionen 2026 und 2027 sind so kurz. Da wird es ganz schwer, andere Redner als die ganz bekannten Namen unterzubekommen.

Sie haben mit „Komische Zeiten“ bereits Ihr sechstes neues Solo-Programm, haben das sogar jüngst als erfahrener Hase an fünf Abenden getestet. Warum?

Guido Cantz: Ich habe das vorher eigentlich noch nie gemacht. Bisher habe ich immer einen Kaltstart hingelegt. Aber die Abende haben mir wertvolle Erkenntnisse gebracht. Ich war viel zu lang, hatte 50 Seiten Text, die ich nun auf 30 reduzieren muss. „Kill your Darlings“ heißt das in unserem Jargon.

Guido Cantz tritt mit Programm „Komische Zeiten“ im Eltzhof auf

Sie wagen einen humorvollen Blick auf eine Welt, die aus den Angeln zu geraten scheint. Ist das nicht schwierig, angesichts der sich rasant ändernden Nachrichtenlage?

Guido Cantz: Das ist wirklich ein großes Problem. Im Mai hat der Gag, dass wir einen Kanzler zweiter Wahl haben, noch funktioniert. Wenn ich am 29. Oktober im Eltzhof in Köln auftrete, ist das durch. Es gibt aber auch Ereignisse, die sich halten. Zum Tod des alten Papstes an Ostern sage ich: „Wow, so ein Timing würden wir Komiker uns wünschen. Du trittst noch einmal Open Air vor 100.000 Leuten auf, darfst deinen Klassiker ‚Urbi et Orbi‘ wie ‚Satisfaction‘ von den Stones noch einmal bringen und dann trittst du ab“.

Also muss solch ein Comedy-Programm immer wieder überarbeitet werden?

Guido Cantz: Gute Gags halten nicht mehr so lange. Man kommt kaum hinterher, bei dem Wahnsinn, der täglich passiert. Allein Donald Trump liefert täglich. Das Verfallsdatum der Gags ist total hoch. Aber in unseren Zeiten sind so lustige Programme extrem wichtig. Wir müssen schauen, dass die Menschen nicht nur noch genervt durch die Stadt gehen und auf der Autobahn aggressiv fahren.

Handwerker Peters: Da hat sich die Comedy auch insgesamt gewandelt. Die sarkastische Note ist verschwunden. Die Leute wollen lieber befreit lachen.

Guido Cantz: Ich habe auch die Lieder „Karl der Kiffer“ über Karl Lauterbach und „Merzi, dass es dich gibt“ über den Kanzler geschrieben. Das kriegt man auch noch in Monaten inhaltlich angebunden.