Kardinal Woelki will bauenBürokratiewahnsinn für 632 Wohnungen

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Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki (r.) und Benjamin Marx, Geschäftsführer der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft, wollen 632 Wohnungen an elf Kölner Standorten bauen.

Köln – 53 prall gefüllte Aktenordner zeigt das Foto. Eine Pyramide des Wahnsinns. Sie enthalten die Unterlagen für eine „Bauvoranfrage“: 632 Wohnungen sind geplant. Dafür müssen keine Grundstücke erschlossen, keine Häuser und Straßen gebaut, keine neuen Kanäle verlegt werden. Und doch braucht es 53 dicke Aktenordner. Kölns Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki (62) will die neuen Wohnungen bauen. So schnell wie möglich.

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Die Ordnerpyramide (53 Ordner) mit den Unterlagen zur Bauvoranfrage für den Bau von 632 Wohnungen.

Rainer Maria Kardinal Woelki: „Wohnen ist Menschenrecht“

Köln platzt aus allen Nähten – und die Stadt wächst weiter. Doch statt mehr werden immer weniger Wohnungen in Köln gebaut, preiswerte schon gar nicht. „Wohnen ist ein Menschenrecht“, sagt Kölns Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki (61). „Für viele Teile der Gesellschaft wird es zunehmend unmöglich, überhaupt eine Wohnung zu finden. Wir sprechen hier nicht von den Ärmsten der Armen, sondern von Menschen mit mittlerem Einkommen, von Menschen, die unser Sozialwesen tragen, von Krankenschwestern, Feuerwehrleuten und Straßenbahnfahrerinnen.“

Gewaltiges Problem für die Gesellschaft

Das sei ein gewaltiges Problem, und zwar sowohl für die Menschen, die sich Wohnen in der Stadt kaum noch leisten können wie auch für das Gemeinwesen. „An vielen Stellen sehen wir schon die Gefahr, dass dadurch der gesellschaftliche Grundkonsens aufgekündigt wird“, so der Kardinal. „Menschen strengen sich an, arbeiten für ihren Lebensunterhalt und können sich nicht mal die eigenen vier Wände leisten.“

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Woelki baut 632 Wohnungen

Woelki will dem etwas entgegensetzen: „Das Erzbistum Köln schafft neuen Wohnraum! Zusammen mit der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft werden wir 632 neue Wohnungen für Kölner Bürgerinnen und Bürger bauen“, sagt der Erzbischof.

Für jedes Dombaujahr eine Wohnung

Die Zahl 632 stehe dabei symbolisch für die Bauzeit des Kölner Doms von 1248 bis zum Jahre 1880. „Diese große Anzahl an Wohnungen wird an elf verschiedenen Standorten in Köln durch städtebauliche Verdichtung möglich, also durch Erweiterung von bestehenden Gebäuden“, ergänzt Woelki. Die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft gehört der Kirche, Hauptanteilseigner ist das Erzbistum Köln mit 44 Prozent, hinzukommen die Bistümer Paderborn, Trier, Münster, Aachen und Essen.

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In diesen Stadtteilen will das Erzbistum mit der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft insgesamt 632 Wohneinheiten (WE) bauen.

Maximal neun Euro pro Quadratmeter

In der Stegerwaldsiedlung hatte die „Aachener“ zuletzt die Dachgeschosse ausgebaut, die vormals Speicher waren. „Die Häuser wurden außerdem gedämmt, Wärmepumpen eingebaut, sie bekamen neue Fenster“, erläutert Benjamin Marx von der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft. So soll es auch bei den 632 neuen Wohnungen sein. Maximal neun Euro Kaltmiete pro Quadratmeter sollen sie kosten.

Rainer Maria Kardinal Woelki: „Wohnungsbau ist Dombau“

Woelki hält sich bei seinem Engagement für bezahlbaren Wohnraum an ein Motto seines Vor-Vor-Vorgängers Josef Kardinal Frings, der bei der Grundsteinlegung für die Bruder-Klaus-Siedlung vor fast genau 70 Jahren gesagt hatte: „Wohnungsbau ist Dombau.“

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Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki mischt sich in gesellschaftliche Debatten ein: „Wohnen ist ein Menschenrecht“.

Bürokratie mit ursächlich für die Wohnungsbaumisere

Ob bei der Baugenehmigung für den Kölner Dom anno 1248 so viele Aktenordner gebraucht wurden, ist nicht überliefert. „Dieser Aktenberg, den wir jetzt für 632 Wohnungen erstellen mussten, ist natürlich Teil des Problems“, sagt der Kardinal. „Es dauert furchtbar lange, all diese Unterlagen gesetzkonform zu erstellen. Und aufseiten der Stadt ebenso lange, bis alles geprüft ist.“

Stadt ist ein kooperativer Partner

Damit trifft Woelki den Kern des Problems: Bauherren warten sehr lange auf ihre Baugenehmigungen, zwei Jahre und mehr sind keine Seltenheit. Woelki hofft, dass es bei den 632 Wohnungen schneller geht, weil keine Grundstücke erschlossen, Straßen oder Häuser neu gebaut werden müssen, sondern bereits bestehende Häuser ausgebaut werden. Und erklärt: „Die Stadt ist bei diesem Projekt ein sehr kooperativer Partner.“

Woelki will sich weiter einmischen

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Kölns Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki (62) ist seit 2014 im Amt.

Der Erzbischof will jedenfalls nicht locker lassen – und sich weiter in gesellschaftliche und politische Debatten einbringen: „Als Christen sind wir dazu aufgerufen, uns für die Menschen einzusetzen – einerseits durch mahnende, aber auch ermutigende Worte sowie durch politisches Engagement, andererseits aber eben auch durch konkrete materielle Hilfe, wo es durch unsere Institutionen notwendig und möglich ist. Kirche packt zu! Kirche geht voran! Wir haben als Christen einen Gestaltungsauftrag für die Welt und wir wollen mit diesem Projekt in die Gesellschaft hinein wirken“, stellt Woelki klar.