Nach Kölner BlaBla-WC-ZoffBettina Mötting: „Ich bin nicht militant unterwegs”

Die Kölner Gleichstellungsbeauftragte. Bettina Mötting lächelt bei Fototermin in die Kamera. Foto von Eduard Bopp bei EXPRESS-Termin, honorarfrei

Bettina Mötting, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Köln, beim Interview-Termin mit EXPRESS.

Diskriminierend oder nicht? Für ihren Standpunkt im Streit um die WC-Türen im „Em kölsche Boor” hat die Kölner Gleichstellungsbeauftragte Bettina Mötting viel Kritik eingesteckt. Im EXPRESS-Gespräch meldet sie sich nun wieder zu Wort.

von Christof Ernst (che)

Köln. Viel Aua für „Blabla”: Bettina Mötting (51), Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Köln, erntete einen kräftigen Shitstorm. Mötting hatte die „Blablabla”-Beschriftung der Frauentoilette im Brauhaus „Em Kölsche Boor” als diskriminierend bezeichnet.

Wer Frauen als plappernde Wesen verunglimpfe, bediene nur schale Klischees, so ihr Argument gegen die WC-Türen im „Em kölsche Boor”. Allen Anfeindungen zum Trotz stellte sich Bettina Mötting dem EXPRESS-Gespräch. Auf eigenen Wunsch fand es auf der Terrasse des Geißbockheims statt.

Frau Mötting, wie haben Sie den „Blabla-Klotüren-Shitstorm” der vergangenen Tage erlebt? Bettina Mötting: Den fand ich gar nicht so schlimm, weil man es als Gleichstellungsbeauftragte gewohnt ist, damit umzugehen. Ich würde mir aber manchmal weniger Emotionalität und dafür mehr Sachlichkeit wünschen. Wie immer im Leben kann man anderer Meinung sein, aber Respekt sollte schon dabei sein.

Alles zum Thema Henriette Reker

Sind Ihnen ähnliche Fälle bekannt? (lacht) Es ist sicher nicht eine meiner Hauptaufgaben, durch Kölner Kneipen zu ziehen und Toilettentüren anzuschauen. Ich werde auch nicht mit Farbeimer und Pinsel irgendwo vorbeischauen und Türen übermalen. Da habe ich ganz andere Prioritäten. Mein Job beinhaltet quasi eine Doppelrolle: Zum einen kümmere ich mich um die Gleichstellungsbelange von 20.000 Mitarbeitenden der Stadt Köln, zum anderen bin ich Gleichstellungsbeauftragte für alle Kölnerinnen und Kölner.

Das Gesetz schreibt vor, dass nur Frauen Gleichstellungsbeauftragte werden dürfen. Ist das nicht eine Form der Diskriminierung? Das ist der Tatsache geschuldet, dass Frauen strukturell noch immer mehr benachteiligt werden als Männer. Köln war übrigens die erste Stadt Deutschlands, die 1982 diese Stelle einrichtete. Lie Selter hat das 18 Jahre lang gemacht. Sie hieß damals noch Frauenbeauftragte. Das hat der Gesetzgeber geändert, weil es auch für Männer Benachteiligungen in der Gleichstellung geben kann. Deshalb heißt es heute auch „Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern“. So arbeiten wir auch gezielt an Projekten für unsere männlichen Kollegen, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen, beispielsweise durch den Aufbau eines Väternetzwerks oder die Förderung von Führungspositionen in Teilzeit.

Ihr Schwerpunkt liegt aber nach wie vor auf den Frauen. Klar. Wenn Frauen wegen der Kinder zu Hause bleiben oder in Teilzeit arbeiten, geraten sie viel schneller in die Armutsfalle. Sie verdienen schlechter und haben weniger Aussichten auf eine Karriere als Männer in gleicher Funktion. Wichtig ist auch die Absicherung: Was passiert, wenn die Liebe nicht mehr so rosig ist wie am Anfang und die Beziehung kaputtgeht? Ich glaube, darüber denken junge Paare zu wenig nach.

Ihr Amt bietet auch „Gendertraining” an. Was hat man sich darunter vorzustellen? Das ist ein Seminar für Führungskräfte – Männer und Frauen. Denn es geht beim Thema Gleichstellung ja nicht darum, alle gleich zu machen, sondern die Geschlechter adäquat zu berücksichtigen. Wir machen da auch Übungen, Frauen und Männer getrennt. Während Männer etwas gröber skizzieren, gehen Frauen ins Detail, was ganz spannend ist.

Ist die Stadt in Sachen Gleichstellung gut aufgestellt? Wir haben zwar auf der Ebene Amtsleitung inzwischen 30 Prozent weibliche Führungskräfte, aber wenn man bedenkt, dass Frauen 64 Prozent aller Mitarbeitenden ausmachen, sieht man schon das Ungleichgewicht. Außerdem: Von allen Teilzeitbeschäftigten der Stadt Köln sind 84 Prozent Frauen.

Also her mit der Frauenquote? Die haben wir ja schon. Das Landesgesetz sieht 40 Prozent in Führungspositionen vor, wir von der Stadt streben 50 Prozent an.

Bis wann soll das erreicht werden? Am besten gestern! Der Gleichstellungsplan läuft bis 2023. Mal schauen, wie weit wir dann sind.

Bekommen Sie Unterstützung von Ihrer Chefin, OB Henriette Reker? Auf jeden Fall. Sie steht zu hundert Prozent hinter den Forderungen. Nach all den Männern tut es der Stadt Köln gut, dass eine Frau an der Spitze ist.

Ein großes Thema ist die Gendersprache. Das betrifft auch Ihr Amt, oder? Ja, wir bekamen den Auftrag, zusammen mit dem Amt für Integration und Vielfalt einen Leitfaden für geschlechterumfassende Sprache und wertschätzende Kommunikation zu erstellen. Das gilt sowohl für schriftliche Darstellungen als auch für Reden und sonstige Äußerungen der Stadtbediensteten. In dem Zusammenhang haben wir natürlich auch wieder sehr viele „liebe” Briefe bekommen – drei Viertel Männer, ein Viertel Frauen.

Haben Sie die Reaktionen überrascht? Ich habe damit absolut gerechnet. Auch wenn mich diese Heftigkeit schon verwundert. Ich finde das schade und hätte mir eher eine sachliche Auseinandersetzung gewünscht. Ich befinde mich übrigens absolut nicht im Gender-Wahn. Denn am Ende des Tages wird sowieso die Gesellschaft entscheiden, ob sie die Änderungen annimmt oder nicht.

Anderes Thema: Sind Sie froh, dass das „Pascha” pleite ist? Wie kommen Sie darauf?

Nun, Sie haben sich gegen Taxi-Werbung für Bordelle eingesetzt. Das ist so nicht richtig. Ich habe die städtischen Mitarbeitenden dazu angehalten, Taxis, die solche Werbung machen, zu meiden. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Prostituierten-Schutzgesetz zwar gut gemeint ist, aber noch einmal angepackt werden muss. Thema: Mietwucher. Im Gespräch sind 160 Euro Tagessatz für ein Zimmer. Das muss eine Sexarbeiterin erst einmal erwirtschaften.

Wir sitzen hier auf der Terrasse des Geißbockheims. Da bietet sich die Frage an: Wie halten Sie es mit dem FC? Ich bin gebürtige Kölnerin, das ist meine Heimat, dazu gehört der Grüngürtel und natürlich der FC. Mein Bruder und mein Vater sind Dauerkartenbesitzer – wahrscheinlich schon vor der Gründung des Vereins. Mit denen bin ich ab und zu auch im Stadion.

Letzte Frage: Falls die Wirtin vom „Kölsche Boor” Sie auf ein Kölsch einlädt – gehen Sie hin? Aber sicher! Ich habe sogar selbst schon überlegt, dass ich sie mal anrufe, um mit ihr in den Austausch zu kommen. Ich bin ja nicht militant unterwegs. Ich bin keine Ideologin, sondern Idealistin. Und ich bin auch keine Fanatikerin, sondern eher eine Realistin und Pragmatikerin.

DAS IST BETTINA MÖTTING Bettina Mötting wurde in Köln geboren. Nach der Schule trat die heutige Gleichstellungsbeauftragte in den Dienst der Stadt Köln ein. Von 2012 bis 2019 leitete sie die Abteilung „Zentrale Dienste“ im Jobcenter Köln, war dort verantwortlich für rund 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seit 2019 leitet sie das „Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern“. Bettina Mötting hat einen 19 Jahre alten Sohn und nennt als Hobbys Sport und lesen.