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Kommentar zur 6:0-GalaNagelsmann darf einen Fehler nicht wiederholen

Deutschland hat zum 21. Mal die WM-Endrunde erreicht. Zum Abschluss der Qualifikation folgte die bisher beste Leistung. Doch was sagt das 6:0 gegen die Slowakei wirklich aus? Ein Kommentar zur DFB-Auswahl.

Die Kampfansage kam schnell. „Wenn wir so spielen, ist es egal, ob der 46. der Weltrangliste kommt oder der Erste“, sagte Nico Schlotterbeck, „dann können wir jeden Gegner schlagen. Wir wollen etwas erreichen. Ich will zur WM fahren, um das Ding zu gewinnen!“

Die spektakuläre 6:0-Tor-Party im letzten Quali-Spiel gegen die Slowakei hat die Stimmung rund um die Nationalmannschaft kolossal gedreht. Vor der Partie ging die Angst um, war „mächtig Druck auf dem Kessel“, wie alle gestanden. Doch schon zur Halbzeit träumten viele nach 45 perfekten Minuten vom fünften Stern bei der WM.

Deutschland startet zum 21. Mal bei einer Weltmeisterschaft

Nach dem bitteren EM-Aus im Viertelfinale gegen Spanien hatte Julian Nagelsmann noch trotzig getönt: „Dass man zwei Jahre warten muss, dass man Weltmeister wird, tut weh“. Jetzt verkniff sich der Bundestrainer solche Sprüche – trotz aller Euphorie. „Ich sage jetzt nicht, was ich denke, das ist vielleicht besser“.

Damit gab sich der 38-Jährige, der zuletzt dünnhäutig und teils sogar ratlos gewirkt hatte, wohltuend zurückhaltend und gab das richtige Signal. Die Fans sollen ruhig den Moment genießen, die Spieler dürfen sich feiern lassen. Aber was dieses 6:0 über die Titelqualitäten seiner Truppe aussagt, steht dann doch auf einem anderen Blatt.

Die Slowakei wurde vom Siegeswillen der angeschlagenen und aufgestachelten DFB-Elf überrollt und stellte schon früh die Gegenwehr ein. Die Gäste wussten, dass sie den Umweg über die Playoffs gehen müssen und ließen die deutsche Wucht über sich ergehen. Dann kann halt auch mit der Hacke gezaubert werden, dann dürfen alle mal aufs Tor schießen.

Die WM wird trotzdem eine Wundertüte. Welches Gesicht wird der viermalige Titelträger in den USA, Kanada und Mexiko zeigen? Das von Leipzig, von Bratislava, von Luxemburg oder von der Nations League?

Ein echter Gradmesser war diese Qualifikationsgruppe nicht. Schlotterbeck wies zurecht auf den 46. Weltranglisten-Platz der Slowakei hin. Italien war die einzige Top-Nation in diesem Jahr, gegen die zumindest anderthalb überzeugende Spiele (2:1 und 3:3) gelungen sind.

Auch auf dem Weg zum WM-Spektakel wartet wahrscheinlich kein echter Prüfstein. Die Elfenbeinküste, möglicherweise die Schweiz und Finnland haben auch nicht die Qualität von Titelverteidiger Argentinien, Europameister Spanien oder Frankreich. Der erste richtige Härtetest könnte beim XXL-Turnier mit 48 Nationen möglicherweise erst in der K.o.-Runde warten. Dann muss die Mannschaft auf den Punkt bereit sein.

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Mit dem 6:0 haben die Spieler selbst die Messlatte hochgelegt. Unter Druck kann das Team das zeigen, was in ihm steckt. Nagelsmann hatte in Luxemburg noch das Gefühl, dass die Mannschaft es nicht verträgt, wenn man „jetzt super draufhaut“. Die harte Kritik gab es deshalb nicht intern, wohl aber von außen. Es hat den Hochbegabten geholfen, den Turbo einzulegen.

Kapitän Joshua Kimmich brachte durch seine Rückkehr unter Schmerzen die richtige Mentalität ins Team. Der angeschlagene Nico Schlotterbeck gab der Abwehr Sicherheit. Die Kreativköpfe in der Offensive kämpften um jeden Ball und waren gierig nach Toren. Der fleißige und treffsichere Nick Woltemade ist derzeit ein Parade-Stürmer. Mit Jamal Musiala, Kai Havertz oder Tim Kleindienst kommen weitere Unterschiedsspieler dazu.

Julian Nagelsmann jubelt an der Seitenlinie.

Julian Nagelsmann feierte die Tore gegen die Slowakei völlig losgelöst. Auch der Bundestrainer verspürte vor dem letzten Quali-Spiel einen großen Druck.

Dennoch garantiert das alles noch nicht, dass es am Ende zum erhofften großen Wurf reicht. Dieses Gebilde ist in der Lage, alle Gesichter zu zeigen. Daher wird es bei der WM im entscheidenden Moment darauf ankommen, dass alle ihre Top-Leistung bringen.

Der Trainer muss einen klaren Plan aufzeigen und sich nicht in vermeintlich geniale Ideen verstricken. Die Spieler müssen die gleiche Entschlossenheit aufs Feld bringen. Dann kann der Übersee-Aufenthalt am Ende doch länger dauern, als viele am Montagabend vor dem Anpfiff in Leipzig noch gedacht hatten.