Deutschland gewinnt den EM-Auftakt gegen Polen - aber verliert in der 40. Minute Giulia Gwinn. Lea Schüller vergisst die Traineransprache. Und Kommentator Bernd Schmelzer ist eine Halbzeit lang von allen Beteiligten der einzig treffsichere.
Frauen-EMDFB-Star wird nach Kabinen-Ansprache gefragt - so eine Antwort hat man noch nie gehört

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Lea Schüller versucht vergebens, sich an die Kabinenansprache zu erinnern. (Bild: ARD)
Die deutsche Nationalmannschaft spielt ein Turnier in der Schweiz. Am 4. Juli. Moment ... da war doch was? Genau: Am 4. Juli vor 71 Jahren schoss Helmut Rahn Deutschland aus dem Hintergrund zum Weltmeister. Und auch wenn das Spiel heute in St. Gallen steigt und die Frauen „nur“ im ersten EM-Vorrundenspiel antreten, könnte das ja ein gutes Omen sein.
Die ehemalige ARD-Expertin und aktuelle Sportdirektorin Nia Künzer gibt sich vor dem Auftaktspiel gegen Polen jedenfalls siegessicher. Die ehemalige Nationalelf-Torhüterin und aktuelle ARD-Expertin Almuth Schult auch. Ob die Polinnen mit der EM-Qualifikation ihr „Maximalziel erreicht“ hätten, fragt Moderator Claus Lufen. „Definitiv“, sagt Schult und muss beinahe lachen. Was jetzt bei ihr nicht so häufig vorkommt. Meist reicht ihr ein Heben der Brauen, um ihre Meinung kundzutun.
Schmelzer: Hier wird wenig geschossen
Bundestrainer Christian Wück hat das erste Spiel gleich mal zum wichtigsten und schwierigsten ausgerufen. Almuth Schult setzt sogar noch einen drauf: „Am besten schneidet man ab, wenn man alle Spiele gewinnt.“ Wer will da schon widersprechen? Claus Lufen jedenfalls nicht. „Jetzt schau'n wir mal schön Fußball“, sagt er nur und gibt eilig ab an Bernd Schmelzer.

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Noch guter Dinge: Claus Lufen und Almuth Schult vor dem deutschen EM-Auftakt gegen Polen. (Bild: ARD)
Der sitzt auf der Pressetribüne, und die befindet sich im polnischen Fanblock. „Sehr viele Pajors um uns herum“, stellt Schmelzer fest. Das DFB-Team dürfte das gleiche denken: Polens Starstürmerin Ewa Pajor scheint nämlich überall zu sein - und sehr oft gefährlich vorm deutschen Tor. Polens Verteidigerinnen sind übrigens auch überall. Egal, wohin die deutschen Frauen passen, immer ist irgendwie ein rotes Trikot im Weg.
Schmelzer dazu: „Die Räume, von denen die Deutschen dachten, dass sie ihnen angeboten würden, finden wir hier nur im Einkaufszentrum unterhalb des Stadions.“ Später wird er noch anmerken, dass Linda Dallmann von ihrer Gegenspielerin „bis ins Einrichtungshaus nebenan“ verfolgt wird. Er kennt sich offenbar sehr gut aus in der Gegend. Hat vermutlich auf dem Weg ins Stadion fix 100 Teelichter gekauft und einen Hot Dog gegessen.
Es vergehen weitere frucht- und vor allem torlose Minuten. „Weil hier gerade wenig geschossen wird“, empfiehlt Schmelzer einen „Super Film!“. Schnell greift man zur Fernbedienung. Läuft etwa im Dritten Programm ein Western mit John Wayne? Oder auf RTLZWEI ein Streifen von Tarantino? Nee, ach so, er meint die Doku „Shooting Stars“ in der ARD-Mediathek. In der geht es u.a. um Giulia Gwinn. Und um die geht es auch kurz darauf auf dem Platz.
Nach Rettungstat muss Gwinn vom Feld
Erst grätscht die deutsche Kapitänin heldenhaft in einen Schuss von Ewa Pajor, dann hält sie sich das Knie. Rappelt sich noch einmal auf, humpelt zurück aufs Feld, um kurz darauf weinend im Mittelkreis zu liegen. Und jeder, wirklich jeder, der dieses Bild sieht, denkt: Kreuzbandriss. Es wäre ihr dritter.
„Das ist jetzt ein Schockmoment“, sagt Schmelzer. Selbst das Stadion scheint für einen Moment ruhig zu sein. Immerhin: Aus der kurz darauf folgenden Halbzeitpause kommt die deutsche Mannschaft verwandelt zurück. Ist jetzt bissiger als die Waller im Brombachsee.

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„Teuer erkaufter Sieg“: Christian Wück stand nach dem Spiel Lea Wagner Rede und Antwort. (Bild: ARD)
Gwinn-Ersatz Carlotta Wamser liefert in ihrem dritten Länderspiel gleich mal die Vorlage für Jule Brands Tor des Monats. Brand legt dann vor für Lea Schüllers Treffer zum 2:0. „Viel ist mir heute nicht gelungen“, meint die Spielerin des Spiels anschließend bescheiden. „Außer die zwei Sachen so'n bisschen.“
Lea Schüller: völlig ahnungslos
Laut Lufen hatte Brands Tor übrigens einen „Expected Goal“-Wert von 0,02 - „unwahrscheinlicher kann ein Tor nicht sein!“ Sjoeke Nüskens Kopfball hatte dagegen vermutlich einen xG-Wert irgendwo zwischen 100 und 1000. „Da hat man sich eher gefragt, wie man den vorbeimachen kann“, tadelt Schult mit zwei erhobenen Brauen.
Auch Christian Wück ist nicht besonders zufrieden mit dem Spiel, zumal es „ein teuer erkaufter Sieg“ sei, lobt sich aber anschließend ein bisschen selbst für die Nominierung von Carlotta Wamser. Die erfolgte übrigens über Umwege, wie er Lea Wagner erzählt: Als er die 21-Jährige telefonisch benachrichtigen wollte, ging nur ihre Mutter ran. Hätte er sich doch denken können: Die Gen-Z telefoniert bekanntlich nicht gerne!
Für ein spätes Highlight, nicht nur im Spiel, sondern auch in der Nachberichterstattung, sorgt dann Lea Schüller. Als Reporterin Inka Blumensaat von ihr wissen will, was man denn in der Halbzeitpause besprochen habe, denkt sie erst angestrengt nach und antwortet dann freimütig: „Ich habe gerade keine Ahnung, um ehrlich zu sein. Ich weiß gerade nicht mehr, was wir in der Halbzeit besprochen haben.“ Sagt's und lacht erfrischend. Ach, wie gerne würde man einen solchen Kommentar mal von Joshua Kimmich hören!
Am Ende bleibt dann Claus Lufen nur noch, Bernd Schmelzer zu loben, Almuth Schult zu danken und Giulia Gwinn gute Besserung zu wünschen. Wir schließen uns da mal an. (tsch)