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„Ihr macht das Gleiche“Streich schießt gegen TV-Experten

Im MagentaTV-Talk „Bestbesetzung“ ging Christian Streich hart mit TV-Experten ins Gericht. (Bild: MagentaTV / Marco J. Drews)

Im MagentaTV-Talk „Bestbesetzung“ ging Christian Streich hart mit TV-Experten ins Gericht. (Bild: MagentaTV / Marco J. Drews)

Er galt als soziales Gewissen des Fußballs, dabei wollte Christian Streich genau das nie sein: Ein gutes Jahr nach seinem Abgang beim SC Freiburg blickte der Ex-Coach im Talk „Bestbesetzung“ gewohnt kritisch auf das Fußballgeschäft. Außerdem beschrieb er, wie ihn seine Arbeit psychisch gefordert hat.

Am 18. Mai 2024 war es für Christian Streich vorbei: Nach 29 Jahren als Trainer und 383 Bundesliga-Spielen hängte der längst zum Kult gewordene Trainer, „Mr. SC Freiburg“, seinen Job an den Nagel.

Streich schrieb aber nicht nur als Taktikfuchs Geschichte, sondern erwarb dank seiner klugen Gedanken zu gesellschaftlichen Themen auch abseits des Fußballgeschäfts Anerkennung. Trotzdem betonte er nun im MagentaTV-Talk „Bestbesetzung“: „Nein, ich bin kein Gewissen des Fußballs. Wahrlich nicht!“

Nach Karriere-Ende: Streich machte Praktikum im Fahrradladen

In dieser Funktion sehe er eher „Mahatma Gandhi oder eine Frau, die in Oberbayern oder in Südbaden über viele Jahre alte Menschen betreut“, übte sich Streich in Understatement. Seit er im Fußball-Ruhestand sei, habe er unter anderem eine Reise durch Südamerika unternommen und sei mit dem Fahrrad nach Bilbao gefahren, berichtete er. Sogar ein Praktikum in einem Fahrradladen habe er gemacht, erzählte Streich im Gespräch mit Moderator Johannes B. Kerner. Trotzdem ist für ihn eines klar: „Ein E-Bike will ich noch nicht.“

Obwohl er dem großen Fußball-Geschäft vor mehr als einem Jahr den Rücken kehrte, ist er dem Sport weiterhin verbunden. „Es ist egal, ob ich in der Bundesliga Trainer bin oder kein Trainer mehr bin, oder in der Kreisliga B oder in der Jugend. Der Ball bleibt gleich“, sagte Streich. Ein Comeback an der Seitenlinie wollte Streich nicht komplett ausschließen, wenngleich er meinte: „Ich glaube nicht, dass ich noch eine Bundesliga-Mannschaft trainiere.“

Derweil räumte der 60-Jährige ein, dass es ihm zunächst schwergefallen sei, sich im Alltag jenseits des SC Freiburg zurechtzufinden – besonders, weil sein Tagesablauf plötzlich weggebrochen sei: „Und jetzt war das alles weg, kein organisatorisches Gerüst, keine Struktur in dem Sinne, das ist nicht unkompliziert.“ Deshalb habe er externe Unterstützung wahrgenommen.

Doch auch in seinen 29 Jahren zuvor in verschiedenen Positionen beim SC Freiburg habe er immer mal wieder mentalen Druck verspürt. Dieser habe sich teilweise sogar in körperlichen Symptomen widergespiegelt. „Ich habe das schon auch als Last empfunden“, erinnerte sich Streich an sportliche Krisen. „Ich kannte alle Leute und habe gewusst: Wenn wir in die zweite Liga absteigen, dann können wir 15 oder 20 von ihnen nicht mehr bezahlen. Das war nicht so einfach.“

Von der großen Fußballbühne mag Christian Streich (vorerst) abgetreten sein, kritische Gedanken zum Geschäft macht er sich jedoch weiterhin. „Vor ein paar Jahren war meine Prognose, dass der Fußball zugrunde geht, dass er ausgequetscht wird wie eine Zitrone, bis nichts mehr da ist“, dachte der einstige Coach zurück. Gleichzeitig zeigte er sich überzeugt: „Doch die können noch 500.000 Werbefilme drehen und die Kameras reinhalten bis in die Eingeweide.“ Es gebe immer irgendwo im Land Kinder, die Fußball spielen würden: „Und dann haben sie es doch nicht zerstören können.“

Kritisch ging Christian Streich auch mit TV-Experten ins Gericht. „Jungs, vor 15 oder 20 Jahren seid ihr auf dem Platz gestanden und habt über die, die über euch geschimpft haben, gesagt: 'Was sind das für Typen?'“, setzte der 60-Jährige an. „Und jetzt geht ihr hin und macht das Gleiche.“ Er selbst habe 2022 das Angebot ausgeschlagen, als TV-Experte bei der WM zu arbeiten. „Bei mir war das Feuer aus“, räumte Streich seine Erschöpfung nach dem Ende der Bundesliga-Saison ein.

Das vollständige Gespräch von Christian Streich mit Gastgeber Johannes B. Kerner gibt es bei MagentaTV zu sehen. Die neueste Ausgabe von „Bestbesetzung“ steht ab sofort zum Streamen bereit. (tsch)