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„Hören Sie auf!“Wagenknecht bringt Lanz an Grenzen

Sahra Wagenknecht warf dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor, Meinungen wie die des BSW bewusst zu unterdrücken. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Sahra Wagenknecht warf dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor, Meinungen wie die des BSW bewusst zu unterdrücken. 

Mit ihren Aussagen eckt sie fast täglich an. Bei „Markus Lanz“ (ZDF) löste Sahra Wagenknecht am Donnerstagabend gleich mehrere hitzige Debatten aus, als sie sowohl in Bezug auf die Meinungsfreiheit in Deutschland als auch die deutsche Russland-Politik kontroverse Meinungen vertrat.

Mit ihrer Haltung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine erntet Sahra Wagenknecht immer wieder heftige Kritik. Auch bei „Markus Lanz“ (ZDF) stieß sie auf jede Menge Gegenwind, als sie versuchte, die Motivation Putins zu relativieren und den Fokus auf die Osterweiterung der NATO zu lenken.

Wagenknecht behauptete, dass Deutschland und Europa mehr auf Diplomatie setzen müssten, um eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden: „Ich möchte nicht, dass wir in einen Krieg mit Russland hineingeredet werden. Ich möchte nicht, dass diese Spannungen immer größer werden und ich sehe da eine große Gefahr.“ Die Meinung der BSW-Vorsitzenden wollte Militär-Experte Carlo Masala nicht unkommentiert lassen. Er konterte: „Alle Akteure - bis auf Russland - sagen: Wir könnten zu einem Waffenstillstand kommen.“ Masala stellte deshalb klar: „Es gibt ein einziges Hindernis in diesem Krieg, und das ist Russland.“

Auch Journalistin Kerstin Münstermann machte mit Blick auf Wagenknecht deutlich: „In diesem Konflikt gab es einen Aggressor und ein Opfer - und die wehren sich seit drei Jahren.“ Sahra Wagenknecht ließ sich davon jedoch nicht überzeugen. Sie wetterte weiter: „Russland hat immer gesagt: Wir machen erst einen Waffenstillstand, wenn es tatsächlich auch einen Friedensvertrag gibt.“

Mit ihrer Haltung erschütterte sie nicht nur den ZDF-Moderator, sondern vor allem auch Maria Aljochina. Die russische Aktivistin warnte: „Sie wiederholen fast Wort für Wort genau das, was in Russland von den Propaganda-Sendern zu hören ist.“ Maria Aljochina stellte in dem Zusammenhang klar, dass sie für ihre Russland-Kritik „zwei Jahre in einem Gulag gesessen“ habe. „Wir alle sind ausgereist, um die Wahrheit zu sprechen. Die Wahrheit, die in Russland so drastisch bestraft wird“, so Aljochina.

Aktivistin Maria Aljochina warnte am Donnerstagabend vor der Brutalität Putins und erläuterte, was sie als Kreml-Kritikerin erleben musste. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Aktivistin Maria Aljochina warnte am Donnerstagabend vor der Brutalität Putins und erläuterte, was sie als Kreml-Kritikerin erleben musste.

Markus Lanz zeigte sich daraufhin überraschend emotional. Er sagte unter Tränen und mit zittriger Stimme: „Mich berührt das gerade sehr, was Sie sagen, weil ich junge Frauen wie Sie in St. Petersburg getroffen habe 2018.“ Er erinnerte sich an junge Menschen, „die alle auf gepackten Koffern gesessen sind und den Traum von einem besseren Russland hatten. Und ich frage mich oft, was aus diesen Leuten (...) geworden ist.“

Der ZDF-Moderator fragte deshalb die Russland-Kritikerin: „Woher nehmen Sie den Mut, das immer weiterzumachen? Haben Sie Angst?“ Maria Aljochina antwortete ernst: „Ich habe noch nie Sicherheit gesucht. (...) Ich will, dass die Urkaine überlebt.“ Mit diesem Satz machte sie den ZDF-Moderator sprachlos.

„Es gibt ein einziges Hindernis in diesem Krieg, und das ist Russland“, betonte Carlo Masala. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

„Es gibt ein einziges Hindernis in diesem Krieg, und das ist Russland“, betonte Carlo Masala.

Als er wissen wollte, was Sahra Wagenknecht davon hält, sagte diese wiederum nüchtern: „Es gibt sehr viele Länder auf dieser Welt, in denen würde ich persönlich nicht gern leben wollen, weil es starke Repression, Unterdrückung, keine Rechtsstaatlichkeit gibt. Und wir müssen alles dafür tun, dass in unserem Land Demokratie und Freiheit gewahrt bleiben und wir nicht auch immer repressiver werden.“

Wagenknecht warnte in dem Zusammenhang: Sie nehme mit „Sorge zur Kenntnis, dass auch bei uns Druck, Einschüchterungen zunehmen. Dass es Hausdurchsuchungen gibt, wenn jemand einen falschen Post macht. (...) Es ist ein Trend, der gefährlich ist.“ Eine Meinung, die Lanz fassungslos machte: „Nach dem, was wir jetzt gerade gehört haben, kommen Sie und stellen das in eine Reihe und sagen, es wird bei uns auch repressiver?!“

„Jetzt sind wir aber richtig hart im Kulturkampf“

Im Laufe der Sendung lieferte sich der ZDF-Moderator mehrere hitzige Wortgefechte mit der BSW-Vorsitzenden. Als er Sahra Wagenknecht zum Beispiel fragte, warum es in letzter Zeit so ruhig um sie geworden sei, antwortete sie genervt: „Herr Lanz, wenn Sie mich nicht einladen, sehen Sie mich nicht.“

Sahra Wagenknecht eckte vor allem bei ZDF-Moderator Markus Lanz an. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Sahra Wagenknecht eckte vor allem bei ZDF-Moderator Markus Lanz an.

Die Ex-Linken-Politikerin behauptete daraufhin, dass sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bewusst nicht eingeladen werde. Eine Steilvorlage für Lanz: „Fühlen Sie sich diskriminiert in Sachen Talkshow-Auftritte?“ Wagenknecht geriet plötzlich ins Schwimmen: „Was heißt diskriminiert ...“ Die Politikerin ergänzte, dass es ihr nicht um das eigene Ego gehe. „Aber das Problem in Deutschland ist doch, dass viele Menschen den Eindruck haben - und der ist meines Erachtens berechtigt - dass die Meinungsvielfalt eingeschränkt wird.“ Laut Wagenknecht sei das BSW nämlich seit der Bundestagswahl nur „dreimal in den öffentlich-rechtlichen Talkshows“ vertreten gewesen.

„Wir werden hier schon deutlich ausgegrenzt, weil man offensichtlich unsere Meinung nicht so gern hören möchte“, behauptete sie weiter. Lanz hielt dagegen: „Frau Wagenknecht, bitte!“ Sie stichelte jedoch unbeirrt weiter und sagte: „Wenn man das macht, dann darf man sich nicht wundern, wenn immer mehr Menschen wütend auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind.“ Ein Satz, der den ZDF-Moderator wütend machte: „Jetzt sind wir aber richtig hart im Kulturkampf drinnen. Haben Sie noch einen? Hauen Sie mal raus!“ Als die BSW-Vorsitzende wissen wollte, ob Lanz den Fakt leugne, antwortete er energisch: „Hören Sie auf! Ich habe gar nichts geleugnet, ich muss mich erst mal erholen von dem, was da gerade kam.“ (tsch)