Bei „Markus Lanz“ verteidigte CDU-Mann Roderich Kiesewetter am Dienstagabend vehement das Vorgehen der israelischen Regierung. Dabei erhielt er nicht nur von Nahost-Expertin Kristin Helberg mächtig Gegenwind - auch der ZDF-Moderator selbst geriet mit dem Außenpolitiker aneinander.
„Markus Lanz“CDU-Politiker entsetzt Expertin mit seinen Aussagen
Nach der Verkündung der Waffenruhe zwischen Israel und Iran sprach unter anderem Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu von einem „historischen Sieg“. Trump hatte kurz zuvor beiden Seiten Verstöße gegen die vereinbarte Waffenruhe vorgeworfen. Bei „Markus Lanz“ erläuterte ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf am Dienstagabend, wie der Kampf gegen das iranische Atomprogramm vor Ort wahrgenommen werde.
„Für diesen Krieg gegen Iran hat Netanjahu schon die Unterstützung der Bevölkerung“, so Eigendorf. Nahost-Expertin Kristin Helberg zeigte sich davon wenig überrascht und ergänzte: „Mich wundert es nicht, dass die israelische Gesellschaft in großer Mehrheit hinter diesem Angriff steht, weil sie eben seit Jahrzehnten vorbereitet wird eigentlich mit der existenziellen Bedrohung, die Netanjahu so beschworen hat seit mehr als 30 Jahren.“
Roderich Kiesewetter spricht von „Frühwarnung“ Netanjahus
Wie Helberg weiter erklärte, sei es Netanjahus Ziel, „die Region neu zu ordnen und Israel zu einer Art Hegemonialmacht aufzubauen und er ist eben eigentlich nur bereit, das mit militärischer Härte durchzusetzen“.
Dennoch sei es „natürlich richtig“, dass sich das iranische Regime „ideologisch dieser Zerstörung“ Israels verschrieben habe.

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Roderich Kiesewetter (Mitte) eckte bei Markus Lanz und Kristin Helberg an.
Helberg zufolge sei Israel aber „zum jetzigen Zeitpunkt nicht von Feinden umgeben und auch nicht akut bedroht“, insofern sei „da keine feindliche Umgebung, sondern da ist eine israelische Regierung an der Macht, die jetzt mit militärischer Gewalt ihre eigene Vision durchsetzt (...), nämlich ein Groß-Israel zu schaffen“. Der Argumentation konnte Roderich Kiesewetter keineswegs zustimmen. Der CDU-Politiker hielt dagegen: „Ich würde mich ja freuen, Frau Helberg, wenn es wirklich so ist. Aber alleine im letzten Jahr hat der Iran in zwei großen Angriffswellen Israel angegriffen.“
Kristin Helberg konterte genervt: „Ich habe nicht vom Iran gesprochen, sondern von der unmittelbaren Nachbarschaft.“ Laut Roderich Kiesewetter sei dies jedoch die „unmittelbare Nachbarschaft, weil der Iran drei Arme hat - Hisbollah, Huthi und die Hamas“.
Kiesewetter weiter: „Die Hisbollah bedroht das Existenzrecht Israels, genauso wie die Hamas!“ Katrin Eigendorf nickte und ergänzte, dass der Staat Israel „in seiner Existenz massiv bedroht“ sei. Kristin Helberg räumte daraufhin ein, dass es natürlich „eine Bedrohung durch genau diese Gruppen“ gebe, aber: „Ich habe von den Regierungen der Umgebung gesprochen (...) und habe dem Narrativ widersprochen, dass Israel umzingelt ist von Feinden.“

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„Nicht zu ertragen“ seien laut Kristin Helberg die Äußerungen von Roderich Kiesewetter.
Laut Helberg habe Netanjahu die vermeintliche Bedrohung seitens des Iran seit Jahren genutzt, um immer wieder neue Kriege zu erklären und zu motivieren. Kiesewetter sah das anders: Er sagte, dass Netanjahu bereits „sehr früh, sehr rechtzeitig“ vor dem iranischen Atomprogramm gewarnt hatte, diese Warnungen jedoch von europäischer Seite zu lange ignoriert wurden.
Markus Lanz reagierte sichtlich irritiert und merkte an, dass Netanjahu seit Jahren behaupte, die Atombombe stehe kurz bevor: „Herr Kiesewetter, bitte. Seit 30 Jahren erzählt jemand permanent, es ist kurz vor zwölf.“
Für den Moderator sei dies durchaus Grund zur Skepsis. Dem widersprach der CDU-Politiker jedoch entschieden. Er bezeichnete Netanjahus Worte als „Frühwarnung“. Lanz hakte nach: „Frühwarnung? 30 Jahre?“ Er ergänzte ironisch: „Das ist natürlich wirklich vorausschauende Politik.“
Kiesewetter mit Blick auf Gaza: „Natürlich gibt es dort Kriegsverbrechen“
Auch Nahost-Expertin Kristin Helberg konterte mit Blick auf Kiesewetter: „Es geht doch hier um Politik.“ Der CDU-Mann schüttelte mit dem Kopf und wiederholte, dass „seit 30 Jahren (...) gewarnt“ werde. „Ich weiß, dass Sie den Iran verteidigen“, so Kiesewetter stichelnd in Richtung Helberg. Lanz ließ sich davon nicht ablenken und hakte weiter nach: „Seit 30 Jahren wird gewarnt, es ist fünf vor zwölf. Meine Frage ist, nutzt das jemand offenbar auch politisch?“
„Das sehe ich anders“, stellte Kiesewetter klar und fragte: „Warum baut denn der Iran in 90 Metern Tiefe solche Anlagen?“ Als Lanz mit einem wütenden „Nicht das Thema!“ konterte, erklärte Roderich Kiesewetter, dass nur der Iran festlegen könne, „wann fünf vor zwölf ist“, denn: „Wenn wir warten, bis der Iran die Bombe hat, dann ist es zu spät. (...) Aber das Entscheidende ist, dass Israel uns sehr früh darauf aufmerksam gemacht hat.“

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Markus Lanz sprach am Mittwochabend mit (von links) CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, Nahost-Expertin Kristin Helberg, Atomwaffen-Experte Fabian Hoffmann, Korrespondentin Katrin Eigendorf sowie Korrespondent Elmar Theveßen.
Auch in Bezug auf die prekäre Lage im Gazastreifen stellte sich Kiesewetter entschieden auf die Seite der israelischen Regierung und rechtfertigte die Angriffe in Gaza als Reaktion auf den Terror vom 7. Oktober 2023.
„Die Hamas provoziert diese Schäden“, so der CDU-Politiker. Markus Lanz fragte daraufhin: „Gibt es dort Kriegsverbrechen?“ Der Politiker reagierte unsicher: „Natürlich gibt es dort Kriegsverbrechen. Aber es geht um Ursache und Wirkung.“
Mit dieser Aussage entsetzte Kiesewetter die Nahost-Expertin. Kristin Helberg stellte fassungslos klar: „Das ist wirklich israelische Propaganda gerade. Da ist ja nicht zu ertragen!“ Kiesewetter wehrte sich prompt: „Ich mache keine israelische Propaganda. Frau Helberg, das weise ich zurück.“ Dennoch wetterte Helberg weiter: „Was Israel in Gaza bekämpft, ist nicht die Hamas, sondern sie bestraft kollektiv sämtliche Bewohner im Gazastreifen mit diesen militärischen Operationen.“ Als der CDU-Mann dies als „falsch“ bezeichnete, wurde Helberg deutlich: „Israel tötet jeden Tag im Gazastreifen eine Schulklasse. Das ist keine Selbstverteidigung gegen die Hamas.“ (tsch)