Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl ist für seinen oft unstillbaren Appetit bekannt gewesen. In der Talkshow „3nach9“ erzählt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst am Freitagabend, wie ihm „der Dicke“ einmal eine ganze Scheibe Schweinebraten von seinem Teller stahl. Aber auch über die AfD spricht der CDU-Mann.
AfD-Wählerinnen und -WählerWüst: Nicht „alles schlechte Menschen“
Aktualisiert20.09.2025, 10:53
Hendrik Wüst (50) gehört zu den beliebtesten Politikern Deutschlands. Gerade hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident mit seiner CDU bei den Kommunalwahlen in seinem Bundesland einen viel beachteten Sieg eingefahren.
Er war noch sehr jung, als er sich für Politik zu interessieren begann. Mit 14 Jahren hätte es ihn beinahe zur SPD gezogen, erzählt er am Freitagabend in der Radio-Bremen-Talkshow „3nach9“. Björn Engholm, der beinahe Kanzlerkandidat der SPD geworden wäre, sei damals sein Vorbild gewesen.
„Die sind ja so wie wir“
Dann besucht Wüst die DDR. Das war 1990. „Aufgrund von sportlichen Verbindungen durfte ich im Sommer 1990 damals noch in die formal existierende DDR reisen. Ich war in Neubrandenburg und habe da junge Leute kennengelernt, die auch 14 Jahre alt waren. Da habe ich gedacht: Moment, die sind ja so wie wir. Und in meinem kindlichen Gerechtigkeitssind habe ich gedacht, das ist ja nur gerecht, wenn wir ein Land werden. Dafür stand Helmut Kohl. Und so bin ich wegen meines kindlichen Gefühls auf den Gedanken gekommen: Wenn der Helmut Kohl der einzige ist, der jetzt für die Wiedervereinigung ist, dann bin ich auch für den.“
Wüst gründet mit einigen anderen jungen Leuten einen kleinen Ortsverband der Jungen Union und findet in der CDU seine Heimat. 15 Jahre später, beim Wahlkampf zur Bundestagswahl 2005, begegnet er dann auch tatsächlich dem Altkanzler Helmut Kohl. Der habe ihm damals empfohlen, mehr zu essen. „Wie will denn jemand wie Du Zuversicht verbreiten im Volk?“, habe ihn Kohl gefragt.
Später treffen sich beide in Berlin noch einmal. Diesmal in einem bayerischen Brauhaus. Es habe Schweinebraten gegeben, mit Knödel und viel Soße. Wüst habe zwei Scheiben Braten gehabt, aber nur eine geschafft. Da sei Kohl vorbeigekommen und habe ihm die übrig gebliebene Scheibe von seinem Teller gemopst. „Ich fand das damals logisch. Er musste ja auch irgendwie am Laufen gehalten werden“, erzählt Wüst.
Heute ist Hendrik Wüst Politiker. Dabei hatte er als Kind ganz andere Vorstellungen von seiner beruflichen Zukunft: Bäcker wollte er werden. Oder Papst. Davon hat ihn seine Mutter abgehalten. „Da war ich vier Jahre alt“, erzählt Wüst. „Meine Mutter hat damals gesagt, ich würde irgendwann Mädchen nicht mehr blöd finden und als Papst in Schwierigkeiten kommen.“
„Da hat die SPD nichts falsch gemacht“
Inzwischen ist Wüst glücklicher Familienvater, der im Urlaub seiner kleinen Tochter auch schon mal beim Sandburgen bauen hilft. Doch dieses Jahr war nicht viel mit Urlaub. Die Kommunalwahlen in NRW haben Wüst beschäftigt, bei der es ein zu erwartendes Ergebnis gab: Die SPD hat gerade im Ruhrgebiet viele Stimmen an die rechtsextreme AfD verloren.
„Dafür gibt es sicher nicht nur eine Erklärung“, so Wüst bei 3nach9. „Aber es gibt natürlich ganz klare Evidenzen. So wie sie zum Beispiel über Duisburg gesprochen haben, war nicht besonders liebevoll. Es gibt in Duisburg auch schöne Ecken. Wobei der SPD-Kandidat auch benannt hat, wo da die Probleme sind. Und es gibt dort ein paar fette Probleme, die auch nicht erst seit gestern da sind.“
Er beschreibt die Situation in Städten wie Duisburg oder Gelsenkirchen, wo viele Menschen weggezogen sind, deren Wohnungen in die Städte gelockte arme Sinti und Roma nun bewohnen. „Die leben da in ärmlichen Verhältnissen, aber immer noch besser als zu Hause. Und dieses Problem gibt es nicht erst seit heute, sondern seit acht bis zehn Jahren“, sagt Wüst.
„Da hat die SPD nichts falsch gemacht. Aber das trifft die SPD, weil sie in den Orten, wo das passiert, über Jahrzehnte die dominante Kraft war. Meine Partei hat da nicht viel zu verlieren gehabt. Und dann sagen natürlich viele alt Eingesessene, Moment mal, warum passiert da nichts, warum tut ihr nichts?“ Inzwischen habe man angefangen, Häuser abzureißen, um Wohnraum zu reduzieren, den keiner haben wolle. Aber das sei viel zu spät gekommen. Die Menschen seien frustriert und geben ihrer traditionellen Partei nicht mehr ihre Stimme, resümiert Wüst.
„Wir dürfen als Kandidaten der Mitte nicht verzagen“
Dennoch fürchtet er die Stärke der AfD nicht, die nach einer aktuellen Umfrage in der Zustimmung der Bevölkerung gleichauf mit seiner Partei liegt.
„Da, wo die Menschen Klartext reden, so wie SPD-Politiker in Duisburg oder Hamm oder der Oberbürgermeister-Kandidat von Hagen von der CDU, wo man nicht schlecht über die Leute redet, die arm sind und missbraucht werden, aber die das Problem klar beschreiben“, sagt er. „In Nordrhein-Westfalen hat die AfD zwei Prozent verloren, während sie im Bundestrend fünf Prozent gewonnen hat. Es ist nicht so, dass die immer nur zulegen. Und bei den Kommunalwahlen haben sie in 140 Städten und Kommunen nicht einmal einen Kandidaten gefunden. Also: Bange machen gilt nicht. Wir dürfen als Kandidaten der Mitte nicht verzagen.“
Den Frust vieler Menschen über die bisherige Politik kann Wüst nachvollziehen. Viele Menschen wählten die AfD, die früher nicht zur Wahl gegangen seien. „Wir müssen jetzt etwas tun“, hat er erkannt. „Wir dürfen nicht warten. Wir werden diese Menschen nicht sofort zurückgewinnen. Aber wenn die sehen, dass wir was tun, dann können wir einen Teil davon zurückgewinnen. Ich glaube nicht, dass das alles schlechte Menschen sind. Aber wir müssen angehen, die Dinge anzugehen.“ (tsch)