„Putins nützliche deutsche Idioten“So denkt die Welt über die Politik in unserem Land

International wird die deutsche Energiepolitik massiv kritisiert, nicht nur in den USA, sondern auch in Osteuropa. Unser Archivfoto aus dem Jahr 2021 zeigt die einstige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Treffen mit Putin im Kreml. Auch ihre Politik steht im Fokus der Kritik.

International wird die deutsche Energiepolitik massiv kritisiert, nicht nur in den USA, sondern auch in Osteuropa. Unser Archivfoto aus dem Jahr 2021 zeigt die einstige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Treffen mit Putin im Kreml. Auch ihre Politik steht im Fokus der Kritik.

Die Energiesituation in Deutschland ist ernst: Wirtschaftsminister Habeck hat die Gas-Frühwarnstufe verkündet. Es drohen Engpässe. Stellt Putin die Lieferung ein, könnte das extreme wirtschaftliche Folgen haben. Jetzt fragt sich ein Teil der Welt: Wie konnte es nur so weit kommen?

von Martin Gätke (mg)

Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums kommen noch etwa 40 Prozent der Gasimporte aus Russland. 2019 war es noch gut die Hälfte. Stoppen die Importe, könnte das verheerende Folgen für die deutsche Wirtschaft haben. Der Krieg in der Ukraine zeigt deutlich, wie fatal die Abhängigkeit Deutschlands von Russland ist.

Zwar ist die Diskussion über diese Abhängigkeit längst nicht neu. Doch viele europäische Partner, vor allem im Osten Europas und in den USA, finden, Deutschland sei zu lax im Umgang mit Russland – trotz des Krieges. Der Druck steigt, man ist genervt. Das zeigt sich auch in den internationalen Debatten, die über Deutschlands Energiepolitik geführt werden.

Der Grundton: Deutschland ist naiv und fahrlässig. Der Umgang mit Russland ist scheinheilig. Auch hochrangige Politiker sparen nicht mit ihrer Kritik.

Alles zum Thema Wladimir Putin

Krieg in der Ukraine: Scharfe Kritik an deutscher Energiepolitik im Osten

So haben die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien eindeutig klargemacht, was sie von Deutschlands Sanktionen halten. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki stellte jüngst fest, dass die Sanktionspakete nicht reichen würden, der Krieg gehe ja weiter. „Es muss viel mehr getan werden, und zwar schnell“, beklagte Morawiecki in einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Gastbeitrag für „Politico“.

Warschau, Prag und Ljubljana fordern den Ausschluss aller russischer Banken aus dem Swift-System, auch derer, die den Öl- und Gashandel abwickeln. Deutschland hatte sich bislang dagegen entschieden. Zudem müsse ein schneller Importstoff russischer Rohstoffe her, so Morawiecki. Einige Mitgliedstaaten seien dazu aber nicht bereit, etwa Österreich, Ungarn und vor allem: Deutschland.

Polen: „Deutschland macht alles, um sich lächerlich zu machen“

Wojciech Skurkiewicz, Staatssekretär im polnischen Verteidigungsministerium, hat in einer Talkshow Klartext gesprochen, zitiert vom „Spiegel“: „Heute macht Deutschland, macht das Bundeskanzleramt alles, um sich in den Augen vieler europäischer Politiker lächerlich zu machen, um sich in den Augen vieler Politiker in West- und Osteuropa zu kompromittieren.“

Es könne nicht sein, „dass für Bundeskanzler Scholz ein gewisser Komfort Deutschlands wichtiger ist als das Leben der Menschen in der Ukraine“, erklärte auch der polnische Politiker Paweł Kowal, Mitglied des Europäischen Parlaments, in einem Fernsehinterview. Er warf dem Bundeskanzler Naivität vor.

Krieg in der Ukraine: Harte Kritik aus USA – „Putins nützliche deutsche Idioten“

Die USA gehen besonders hart mit Deutschlands ins Gericht. Der Branchendienst „Politico“ titelte provokant: „Putins nützliche deutsche Idioten“. Der Begriff „nützlicher Idiot“ wurde in den USA während des Kalten Krieges zu einem geflügelten Wort für Menschen, die den leichtgläubigen Argumenten der Kommunisten zum Opfer fielen.

Der russische Einmarsch in die Ukraine sei „eine Absage an eine ganze Generation deutscher Politiker aus dem gesamten Spektrum“, heißt es weiter. Berlin sei in den vergangenen 16 Jahren völlig falsch mit Russland umgegangen.

USA: Merkel verdient „Platz im Pantheon der politischen Naivität“

Mit dem Ausbruch des Krieges habe der neue Kanzler Olaf Scholz zwar eine „Zeitenwende“ versprochen. „Wochen später wird klar, was die deutsche Führung eigentlich sagen will: ‚Lasst uns weitermachen‘.“

Deutschlands hartnäckiges Beharren auf eine Zusammenarbeit mit Putin in der Vergangenheit sei ein „katastrophaler Fehler“ gewesen, Merkel verdiene „einen Platz im Pantheon der politischen Naivität“. „Es hätte nie so weit kommen dürfen“, monierte auch Nobelpreisträger Paul Krugman in seiner Kolumne in der „New York Times“.

Kritik aus Frankreich: „Liebe deutsche Freunde, wir müssen reden“

In Frankreich wird die deutsche Energiepolitik ebenfalls massiv kritisiert. Deutschland habe nicht nur im eigenen Land ein Problem, es habe auch „ganz Europa ein geopolitisches Problem aufgehalst“, schreibt Cécile Maisonneuve vom französischen Thinktank Institut Montaigne im Nachrichtenmagazin „L’Express“.

Betitelt wird der Kommentar mit: „Liebe deutsche Freunde, wir müssen reden.“

Gas-Streit mit Putin: Aufruf zum Energiesparen

Warum hat Merkel zugelassen, dass Deutschland so abhängig von Energieimporten aus Russland ist? Warum hat sie Nord Stream 2, initiiert von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD), nicht stoppen lassen, obwohl sie die Brisanz des Projektes kannte.

Die Aufarbeitung dieser Fragen wird wohl lange dauern – die Auswirkungen der Abhängigkeit von Putin aber wird der Regierung nun in den nächsten Monaten viel abverlangen, der Gasstreit mit Russland könnte sich noch weiter zuspitzen. Die Regierung hat die Deutschen indes zum Energiesparen aufgerufen.