Was haben russische Soldaten da getan?Grausame Entdeckung in dutzenden Leichen

Polizeibeamte fotografieren am 18. April für Ermittlungen einen der Toten, die in Butscha gefunden worden sind. Russischen Streitkräften wird vorgeworfen, in der Stadt zahlreiche Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Polizeibeamte fotografieren am 18. April für Ermittlungen einen der Toten, die in Butscha gefunden worden sind. Russischen Streitkräften wird vorgeworfen, in der Stadt zahlreiche Kriegsverbrechen begangen zu haben.

In Butscha mehren sich die Anzeichen, dass Putins Soldaten zahlreiche Gräueltaten an Zivilisten verübt haben. Ermittlerinnen und Ermittler, die Beweise für die Verfolgung der Kriegsverbrechen sammeln, haben nun in dutzenden Leichen grausame Funde gemacht.

von Martin Gätke (mg)

Hinrichtungen, gezielte Tötungen, gewaltsames Verschwinden lassen und Folter – laut Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch mehren sich immer mehr Beweise dafür, dass die russischen Truppen während ihrer Besetzung von Butscha im März eine ganze Reihe von Kriegsverbrechen begangen haben.

Nun kommt eine weitere Gräueltat dazu.

Als die Russen den Ort nahe Kyjiw verlassen haben, lagen zahlreiche Leichen auf den Straßen. Mindestens 420 Menschen sollen in Butscha den Tod gefunden haben. Ermittlerinnen und Ermittler finden derzeit heraus, welche Schuld die russische Armee an diesen Massakern trägt. Und wie die Menschen genau getötet wurden. Bei der Obduktion der Leichen haben sie nun grausame Funde gemacht.

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Hinweis: Die EXPRESS.de-Redaktion hat sich dazu entschieden, sorgsam ausgewählte Bilder des Krieges aus Butscha zu zeigen. Russland bestreitet weiter jede Verantwortung für die Tötung von Zivilisten. Für uns ist es keine Option, die Gewalt des Krieges zu verschleiern. Wir wollen dokumentieren und aufklären.


Ein Team von ukrainischen und französischen Pathologen ist vor Ort, um die Toten aus Butscha zu inspizieren. Wie der „Guardian“ berichtet, wurden in dutzenden Leichen bei der Untersuchung winzige Metallpfeile gefunden. Sie sind etwa drei Zentimeter lang und steckten vorrangig in der Brust und in den Köpfen der Menschen.

Freiwillige laden am 12. April in Butscha Leichensäcke in einen Lkw, damit die Toten durch internationale Ermittlerinnen und Ermittler in Augenschein genommen werden können.

Freiwillige laden am 12. April in Butscha Leichensäcke in einen Lkw, damit die Toten durch internationale Ermittlerinnen und Ermittler in Augenschein genommen werden können.

Der „Washington Post“ haben Anwohnerinnen und Anwohner ebenfalls berichtet, die kleinen Pfeile auf den Straßen und Höfen in Butscha gefunden zu haben. Eine Frau sagte der Zeitung, sie habe sie in der Plane ihres Autos vorgefunden. Sie steckten so tief darin, dass sie gewissermaßen an das Auto „festgenagelt“ war, wie sie sagt.

Was hat es mit diesen winzigen Pfeilen auf sich?

Ukraine: Grausame Kriegsmunition in Opfern von Butscha gefunden

Die Pfeile, die ein wenig an Dartpfeile erinnern, sind längst nicht neu und wurden bereits im Ersten Weltkrieg eingesetzt. Doch die „Flechettes“, wie sie genannt werden, sind besonders grausam – und werden in modernen Kriegen eigentlich gar nicht mehr eingesetzt. Bis heute.

Die „Flechettes“ haben kleine Flügel am hinteren Ende, damit ihr Flug stabilisiert wird – ähnlich wie eben bei Dartpfeilen. Nur dass diese Pfeile den Zweck haben, auf grausame Art zu töten. Sie führen zu besonders schwerwiegenden Verletzungen, weil sie sich im Körper des Opfers verformen können und in U-Form unter der Haut stecken bleiben. Zudem können sie Schutzwesten und sogar Helme durchschlagen.

Ukraine: Was sind „Flechettes“?

Während des Ersten Weltkriegs wurden diese Pfeile aus Flugzeugen geworfen – direkt auf die Soldaten. Doch die tödliche Wirkung war noch zu gering, daher entwickelte man sie weiter – und steckte sie in Splittergranaten. Oder in Munition.

So wurden die „Flechettes“ auch von den Navy Seals während des Vietnamkrieges in Schrotmunition gesteckt und mit Flinten auf die Opfer gefeuert. Dutzende der Pfeile steckten in einer Patrone. Nun findet diese archaische, grausame Waffe in Butscha offenbar ein trauriges Comeback.

Ukraine: Ermittlung in Butscha – „dünne, nagelähnliche Objekte“

„Wir haben mehrere dünne, nagelähnliche Objekte in den Körpern von Männern und Frauen gefunden, ebenso wie andere meiner Kollegen in der Region“, sagte Vladyslav Pirovskyi, ein ukrainischer Gerichtsmediziner, gegenüber dem „Guardian“. „Es ist sehr schwer, sie im Körper zu finden, sie sind zu dünn.“ Unabhängige Waffenexperinnen und -experten bestätigten, dass es sich um „Flechettes“ handelt.

Die russischen Truppen sollen die Pfeile in Artillerie- oder Panzergranaten gesteckt haben – jede Granate könne bis zu 8.000 dieser „Flechettes“ enthalten. Sie explodiert dank eines Zeitzünders in der Luft, noch über dem Zielgebiet, anschließend rasen Wolken von Metallpfeilen mit hoher Geschwindigkeit durch die Luft und können so in menschliche Körper eindringen. Ein Gebiet von etwa 300 Meter Breite und 100 Meter Länge sei betroffen.

Ukraine: „Flechettes“ zielen darauf ab, möglichst schwer zu verletzen

Viele Pfeile hätten sich in den Körpern zu einem Haken verbogen, der hintere Teil mit den Flossen sei häufig abgebrochen und habe zusätzliche Wunden verursacht, heißt es seitens der Ermittlerinnen und Ermittler. Diese Munition sei kaum dafür geeignet, Strukturen wie zum Beispiel militärischem Gerät Schaden zuzufügen. Es ziele ganz klar darauf ab, Menschen möglichst schwer zu verletzen und zu töten.

„Flechettes“ fallen nicht grundsätzlich unter die Genfer Konventionen und sind damit noch immer erlaubt – zum Unmut der Menschenrechtsorganisationen. Doch damit gezielt auf städtische Bereiche und Zivilisten zu zielen, ist illegal.

Derzeit sind zudem auch viele Fragen rund um den Einsatz in Butscha noch ungeklärt, denn diese Art der Munition soll auch eingesetzt worden sein, als die russischen Truppen noch in der Stadt waren. Es könne noch nicht ausgeschlossen werden, dass auch die ukrainische Seite derlei Granaten genutzt hat. Die „Washington Post“ zitiert hier einen ukrainischen Militärsprecher, der das vehement bestreitet.