„Saß auf Sofa und konnte es kaum glauben“Wahrer Corona-Ursprung: Forscherin entdeckt geheime Daten

Ein medizinischer Mitarbeiter entnimmt in unserem Archivbild (2021) einem Einwohner von Wuhan eine Abstrichprobe für einen Corona-Test.

Ein medizinischer Mitarbeiter entnimmt in unserem Archivbild (2021) einem Einwohner von Wuhan eine Abstrichprobe für einen Corona-Test.

Seitdem die Corona-Pandemie über die Welt hereingebrochen ist, wird auch über ihren Ursprung gerätselt: Stammt sie aus dem Labor? Findet sie ihren Anfang in Tieren, die auf einem Markt im chinesischen Wuhan verkauft worden sind? Nun liefern bisher geheime Daten neue Hinweise, wie eine Forscherin erklärt. 

von Martin Gätke (mg)

Die Daten der chinesischen Forschenden waren nur für kurze Zeit in der öffentlichen, für die Wissenschaft zugänglichen Datenbank namens „Gisaid“ zugänglich – doch sie hatten es in sich. 

Bereits in der vergangenen Woche berichtete das US-Magazin „The Atlantic“ über bislang geheime Daten aus China, die aus Proben vom Huanan-Markt in Wuhan stammten – jenem Markt, der schon früh in den Fokus der Wissenschaft rückte, als die Corona-Pandemie ihren Lauf nahm. Von hier aus soll sich das Virus in den Rest der Welt verbreitet haben, lautete eine Theorie. 

Corona: Chinesische Regierung hat viele Daten verschleiert

Doch die chinesische Regierung hat Daten verschleiert, wichtige Informationen nicht preisgegeben – das hat die Suche nach dem Ursprung erschwert. Nun hat ein internationales Team aus Virologinnen und Virologen, Genomikerinnen und Genomikern sowie Evolutionsbiologinnen und Biologen entscheidende Daten gefunden, um diese Wissenslücke zu schließen. 

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Sie sind auf genetische Sequenzen gestoßen, die im Januar 2020 aus Abstrichen gewonnen worden waren, zu Beginn der Pandemie. Sie wurden in der Nähe der Marktstände genommen, waren dann aber nicht zugänglich. Bis jetzt. Vor einigen Tagen wurden die Daten von Forschenden des chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle und -prävention (CDC) in die frei zugängliche Genomdatenbank „Gisaid“ eingestellt und dort von anderen Forschenden quasi zufällig entdeckt. 

Corona-Pandemie: Daten lassen neue Schlüsse über ihren Ursprung zu

Auch die Evolutionsbiologin Florence Débarre hat die Gensequenzen entdeckt und kann nun neue Schlüsse über den Ursprung der Pandemie ziehen, wie sie in einem Interview gegenüber dem „Spiegel“ erläutert hat.  „Es war reines Glück, dass ich die Entdeckung in dieser Datenbank gemacht habe“, erklärt sie. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Rohdaten aus China dort zu finden wären.“

Sie habe nach Daten über eine andere Gensequenz aus dem Huanan Seafood Markt in Wuhan gesucht und sei bei der Suche dann auf mehr Ergebnisse gestoßen als sonst. „Ich dachte nur: ‚Wow!‘“, erklärt die Biologin. 

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Sie habe dann viele Fachleute kontaktiert, man habe sich über die „seltsame Tabelle“ ausgetauscht. „Es ließ mir keine Ruhe. Am 9. März habe ich dann nachgeschaut und einfach mal auf einen der Einträge geklickt – und da waren die Daten!“ 

Corona-Ursprung: „Saß auf dem Sofa und konnte es kaum glauben“

Für die Forscherin war es ein spektakulärer Fund, wie sie beschreibt, denn seit einem Jahr habe man erfolglos nach den Daten gesucht: „Es war 23.30 Uhr, ich saß zu Hause auf dem Sofa und konnte es kaum glauben.“ Dann habe man die Rohdaten ausgewertet, herausgefunden, dass sie auch tierisches Genmaterial enthielten.

Débarre: „Ich gab also die Sequenzen ein, und plötzlich stand da überall auf meinem Bildschirm Marderhund, Marderhund, Marderhund! Ich fluche eigentlich nicht, aber glauben Sie mir, da habe ich mehr als nur ‚wow‘ gerufen!“

Dass der Corona-Ursprung bei Marderhunden liegen könnte, hat bereits früh der Virologe Christian Drosten vermutet. „Das vorläufige Ergebnis untermauert stark meine seit Beginn der Pandemie geäußerte Vermutung eines Ursprungs in Marderhunden oder anderen Carnivoren (Fleischfressern) wie zum Beispiel Schleichkatzen“, sagte er nun auch der Deutschen Presse-Agentur.

Corona-Ursprung: Marderhunde schon früher Zwischenwirte

Diese Marderhunde waren schon bei der Sars-1-Pandemie die Zwischenwirte, von denen das Virus auf den Menschen übergesprungen ist. Klar, dass sie auch früh für Sars-CoV-2 in den Fokus gerieten – allerdings hat der Beweis dafür bislang gefehlt. Die neuen Daten deuten nun darauf hin, dass sie auch diesmal das Bindeglied sein könnten. 

Zwar ist der endgültige Beweis noch nicht erbracht, doch die Funde dürften die Debatte um die Herkunft des Coronavirus neu befeuern. Sie bestärken die Theorie, dass das Virus tierischen Ursprungs ist. Das würde den Theorien widersprechen, dass das Virus von einer Pelztierfarm auf den Menschen übergesprungen ist. Der Marderhund scheine „nicht zu jener Unterart zu gehören, die in Nordchina in der Pelztierzucht verwendet wird“, so die Biologin. 

Auch die sogenannte Lab-Leak-Theorie, nach der Corona aus dem Labor stammt, werde unwahrscheinlicher. „Das Einzige, was für mich noch für ein Lab Leak spricht, ist der Ort: Wuhan. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse dagegen deuten klar in Richtung eines natürlichen Ursprungs“, erklärt Débarre dem „Spiegel“.