Analyse der NRW-WahlDie CDU hat gewonnen? Das stimmt eigentlich gar nicht

Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (rechts), bekommt am Montag, 16. Mai, Blumen von CDU-Chef Friedrich Merz vor der Sitzung des CDU-Bundesvorstands in der Parteizentrale.

Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (rechts), bekommt am Montag, 16. Mai, Blumen von CDU-Chef Friedrich Merz vor der Sitzung des CDU-Bundesvorstands in der Parteizentrale.

Freudestrahlend haben CDU-Chef Friedrich Merz und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst den Wahlsieg verkündet. Doch wer genauer in die Ergebnisse schaut, dem fällt auf: Gewonnen hat die CDU nicht.

Mit einem breiten Lächeln und mit bester Laune kommen CDU-Parteichef Friedrich Merz und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zur Pressekonferenz, ein Tag nach der Landtagswahl in NRW. Selbstbewusst tritt Merz aufs Podium: „Neun Prozentpunkte Abstand sind eine klare Botschaft. Die CDU hat die Wahl gewonnen, weil sie einen überzeugenden Spitzenkandidaten hatte.“ Auch Wüst ist siegessicher: „Die SPD hat mit dem Bundeskanzler geworben und das schlechteste Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg eingefahren. Das ist eine klare Antwort an den Bundeskanzler.“

Die CDU präsentiert sich als die Wahlsieger der Landtagswahl. Doch wer sich genauer mit den Ergebnissen beschäftigt, dem fällt auf, dass es in Wirklichkeit nur einen tatsächlichen Sieger gibt. Und das sind nicht die Christdemokraten.

Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2022: CDU hat eigentlich verloren

Anteilig mag sich die CDU verbessert haben: In Prozent hat sie es von 33 auf 35,7 geschafft. Verloren hat sie am Ende trotzdem – in absoluten Zahlen. Denn die Wahlen in Nordrhein-Westfalen haben so wenig Menschen an die Wahlurnen gelockt wie nie zuvor: Bei der Landtagswahl 2017 gaben noch 2.796.683 Wählerinnen und Wählerinnen ihre Zweitstimme der CDU, 2022 gerade mal 2.552.337. Fast eine Viertelmillion Stimmen hat die Partei einbüßen müssen.

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Doch damit ist die CDU nicht die einzige Partei, die eigentlich ein Wahlverlierer ist. Fast alle Parteien haben verloren: 1,38 Millionen Menschen weniger haben insgesamt gewählt – trauriger Rekord.

Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2022: Ältere wählen CDU und SPD

Heißt: Die CDU hat also vor allem deshalb gewonnen, weil sie am wenigsten verloren hat. Noch mehr verloren hat die SPD. Rund 390.000 Kreuzchen, die 2017 noch gemacht wurden, sind diesmal nicht gemacht worden, schätzen die Meinungsforscher von Infratest dimap in ihrem Wählerwanderungsmodell, welches „Zeit Online“ zeigt. Besonders in den einstigen SPD-Hochburgen, im Ruhrgebiet, hat die Partei Federn gelassen. Die niedrigste Wahlbeteiligung hat mit 38,1 Prozent der Wahlkreis Duisburg III.

Bemerkenswert auch: Die CDU in Nordrhein-Westfalen kann aus einem großen Reservoir der Senioren schöpfen, die Christdemokraten holen die besten Ergebnisse in der Altersgruppe über 60 (43 Prozent) – die SPD übrigens ebenso (35 Prozent). Zum Vergleich: Die meisten grünen Wähler waren unter 30 Jahren (25 Prozent). Allerdings entschied sich die Mehrheit der erstmals Wahlberechtigten, ihre Stimme gar nicht zu nutzen: 440.000 Menschen kamen nicht zur Wahl.

In Nordrhein-Westfalen gibt es also vor allen Dingen einen Verlierer – und noch einen größeren Verlierer. Wirklich siegreich in absoluten Zahlen waren nur die Grünen: Vor fünf Jahren kam die Partei auf 540.000 Stimmen, nun sind es 1,3 Millionen. Darunter sind 310.000 ehemalige SPD-Anhänger – das ist die größte Wanderungsbewegung einer Partei zu einer anderen. Das sollte auch den Regierenden in Berlin zu denken geben. (mg)