Abo

Kölner UnterweltDer vergessene Tunnel vom Neumarkt

Der überdachte Treppenauflauf / -abgang an der Cäcilienstraße/Nord-Süd-Fahrt (links im Foto). Auch dieser Tunnel wurde geschlossen.

Der überdachte Treppenauflauf / -abgang an der Cäcilienstraße/Nord-Süd-Fahrt (links im Foto). Auch dieser Tunnel wurde geschlossen.

Ein geheimer Tunnel in der Innenstadt? Am Neumarkt gab es ihn ...

Als Ralph Pollack Ende des Jahres 2024 seine Stelle als Hausmeister eines Geschäftshauses am Neumarkt antrat, machte er eine verblüffende Entdeckung: Die Kellergeschosse führten zu einem Fußgängertunnel, der sich hinter einer verschlossenen Tür befand und den er aus der Kindheit kannte.

„Ich hatte sofort vor Augen, wie ich an der Hand meiner Mutter hier entlangging“, erzählt er. Am Ende des Tunnels befanden sich noch die Stufen, die früher auf den Neumarkt führten.

Jetzt endete die Treppe mittendrin an einer Betondecke und einem viereckigen Metalldeckel.

Aus dem Stadtgedächtnis ist das 1963 angelegte Bauwerk mit den farbigen, heute noch erhaltenen Kachelornamenten an den Tunnelwänden nahezu verschwunden.

Die Treppen führten die Passanten in Höhe der Hausnummer 35-37 unter die Autofahrbahn am südlichen Neumarkt. Die Unterführung ersparte das Warten an Ampeln. Im Laufe der Recherche zu Kölns vergessener Unterwelt bestätigt ein Sprecher der Kölner Stadtverwaltung, dass in dem Bereich „der Rest eines alten Fußgängertunnels erhalten“ sei, „der zuletzt als Lagerraum anliegender Geschäfte genutzt wurde“. Die Stadt sei Eigentümerin des „Restbauwerks“.

Ralph Pollack führte den EXPRESS-Redakteur durch das Tunnelrelikt am Neumarkt. Auf der anderen Straßenseite ging es rein. Fotos waren nicht erlaubt.

Ralph Pollack führte den EXPRESS-Redakteur durch das Tunnelrelikt am Neumarkt. Auf der anderen Straßenseite ging es rein. Fotos waren nicht erlaubt.

Der Kölner Gastronom Rainer Diederichs, der am Neumarkt 30 das Café-Restaurant „Diner´s“ betrieb, erinnert sich an eine Anekdote mit Stammgast Hermann Götting (1939-2004), einem Stadtoriginal und Sammler von Kölner Alltagskultur und charakteristischen Elementen wie etwa der alten 4711-Leuchtreklame am Messeturm: „Als der Tunnel geschlossen wurde, hatte er bei der Stadt angefragt, ob er Teile seiner Sammlung dort deponieren könne. Das wurde aber abgelehnt.“

Geheimnisvoller Kölner Tunnel

Wer heute den Standort des ehemaligen Tunnels erkunden möchte, orientiert sich am besten an den vier Pollern, die oberirdisch um den eingangs beschriebenen Metalldeckel aufgestellt sind, unter dem sich ein Zugang zum Bauwerk befindet. In regelmäßigen Abständen würden Begehungen im Zuge erforderlicher Bauwerksprüfungen erfolgen, erklärt der Stadtsprecher.

In der Innenstadt existierten weitere vergleichbare Tunnel, die allesamt in den 1960er-Jahren erbaut wurden. Am 7. Juni 1963 wurde ein Fußgängertunnel eingeweiht, der 4,40 Meter tief zwischen der Ehrenstraße und der Maastrichter Straße unter dem Ring durchführte, der damals noch oberirdisch von Straßenbahnen befahren wurde.

Die Köln-Bonner-Eisenbahn verkehrte am Rheinufer. Kurz vor der Hohenzollernbrücke (Endstation) unterquerte ein Fußgängertunnel die Gleise. Heute befindet sich hier der Rheinufertunnel.

Die Köln-Bonner-Eisenbahn verkehrte am Rheinufer. Kurz vor der Hohenzollernbrücke (Endstation) unterquerte ein Fußgängertunnel die Gleise. Heute befindet sich hier der Rheinufertunnel.

Die „Kölnische Rundschau“ schrieb zur Eröffnung: „Der Hohenzollernringtunnel (Kosten insgesamt 560.000 DM) präsentiert sich einladend. Den Weg unter dem Ring her begleiten 17 Ausstellungsvitrinen in den weißverplätteten Wänden. Da locken Waren verschiedener Art.“

Etwa zur selben Zeit entstand ein Fußgängertunnel parallel zur Nord-Süd-Fahrt etwa in Höhe des heutigen Weltstadthauses. Die Untergrundpassage machte die Querung der an dieser Stelle sehr breiten, achtspurigen Verkehrstrasse, zusätzlich zu zwei Straßenbahngleisen, überhaupt erst möglich. Doch auch dieser Tunnel existiert nicht mehr. Zeitzeuge Rainer Diederichs erinnert sich, dass sich die Unterführungen aufgrund von Verschmutzung und mangelnder Aufsicht mit den Jahren als „Unräume“ herausstellten, die die Leute vor allem nachts nicht gerne betraten.

Ein weiterer Fußgängertunnel unter der Bischofsgartenstraße am Rheinufer, der die Zuglinie der ehemaligen Köln-Bonner Eisenbahn unterquerte, blieb ebenfalls nur eine Episode. Nach Entfernung der Zugtrasse entstand dort für den Autoverkehr der Rheinufertunnel. Auch der Hohenzollernringtunnel verschwand gänzlich, als dort 1987 die neue U-Bahn gebaut wurde.

Cover Kölner Geheimnisse Band 2 von Ayhan Demirci und Maira Schröer

Cover Kölner Geheimnisse Band 2 von Ayhan Demirci und Maira Schröer

Diese Geschichte stammt aus dem neuen Köln-Buch „Kölner Geheimnisse Band 2/ 50 neue spannende Geschichten aus der Dom-Metropole“, die im Bast-Verlag erschienen ist (192 Seiten, 24 Euro). Sieben Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes sind es diesmal die Autoren Ayhan Demirci und Maira Schröer, die sich auf die Spuren Kölner Geschichte begeben haben und ausgehend von Objekten und Relikten in der Stadt von außergewöhnlichen Begebenheiten erzählen.