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„Wir wollen hier weg“Kölner Kult-Imbiss schlägt Alarm

Ein Kölner Kult-Imbiss versinkt im Drogen-Chaos. Die Betreiber sind am Ende ihrer Kräfte und fühlen sich von der Stadt alleingelassen.

Jeden Morgen um sechs Uhr das gleiche Bild des Schreckens: Wenn Vanessa Sardis mit ihrem Fahrrad vor ihrer Puszta-Hütte in der Fleischmengergasse ankommt, schlägt ihr der Gestank von Urin entgegen. Überall liegen Essensreste, Alufolie, gebrauchte Spritzen. Manchmal klebt sogar Blut an der Wand des Traditions-Imbisses am Neumarkt.

Die Puszta-Hütte ist eine Institution, seit 1948 gibt es sie. Günter Sardis hat das Restaurant von seinen Eltern übernommen und führt es mit seiner Frau Vanessa. Doch vom Charme vergangener Tage ist vor der Tür nicht mehr viel übrig. „Früher konnte man mit ihnen reden. Heute sind es jeden Tag neue Gesichter – aggressiv, unberechenbar“, klagt Vanessa Sardis im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Drogenszene am Neumarkt sei zwar nicht neu, aber in den letzten zwei Jahren sei die Lage völlig eskaliert.

Noch bevor um zehn Uhr die ersten Gäste auf eine Gulaschsuppe kommen, beginnt der tägliche Kampf. Eine Stunde lang muss der Gehweg mit dem Gartenschlauch abgespritzt werden, ein Besen reicht schon lange nicht mehr. Das kostet nicht nur Nerven, sondern auch Geld für zwei zusätzliche Angestellte.

Doch kaum ist alles sauber, füllt sich der Platz unter dem Vordach wieder mit 30 bis 40 Drogenabhängigen. Wenn Vanessa Sardis sie bittet, zu gehen, wird sie oft ignoriert. „Als Frau nimmt mich keiner ernst“, sagt sie resigniert.

Unter dem Vordach der Puszta-Hütte versammeln sich morgens 30 Drogenabhängige – manche stehen noch, andere liegen schon.

Die Puszta-Hütte ist eine Imbiss-Institution am Kölner Neumarkt.

Die Verzweiflung hat das Paar schon ein Vermögen gekostet. Rund 6.000 Euro hat Günter Sardis bereits in Reparaturen und Umbauten gesteckt. Fenster wurden eingeschlagen, eine Lieferantentür, die als Toilette missbraucht wurde, mussten sie zumauern. „Der Urin lief bis in den Hausflur“, so Sardis. Eine schwere Gittertür sichert jetzt den Kellerabgang, wo sich Süchtige mit der Spritze im Arm hingesetzt hatten.

Und die Gäste? Die bekommen alles hautnah mit. Sie werden angebettelt, beschimpft, manchmal wird ihnen sogar das Essen vom Tisch geklaut. Viele Stammgäste wollen nicht mehr draußen sitzen, die Terrasse war im Sommer oft erschreckend leer. Eine Mitarbeiterin hat aus Angst gekündigt. Der Weg nach Hause am Abend war ihr zu gefährlich.

Die Sardis sind nicht allein mit ihrem Leid. Auch die Nachbarinnen und Nachbarn kämpfen mit den gleichen Problemen. Einige Geschäfte haben bereits aufgegeben. „Zwei sind schon weg“, berichtet Vanessa Sardis. Für sie und ihren Mann ist das keine Option: „Wir können nicht – unser Geschäft lebt vom Standort. Wenn wir umziehen, ist das hier tot.“

Müll und Unrat vor der Puszta-Hütte.

Überreste des Drogenkonsums: Rund um den Imbiss liegen immer wieder Müll, Essensreste und Drogenutensilien.

Von der Stadt fühlen sich die Gastronomen im Stich gelassen. Auf Beschwerden gebe es oft nur eine automatische Eingangsbestätigung. Währenddessen eskaliert die Gewalt weiter. Ein Mann ließ vor den Gästen die Hose herunter, ein anderer bedrohte Vanessa Sardis mit einer Glasflasche. Schreie und Schlägereien sind an der Tagesordnung.

Die Stadt Köln zeigt zwar Verständnis, verweist aber auf langwierige Prozesse. Geplant ist eine zentrale Anlaufstelle für Ordnungsamt, Polizei und KVB, die Anfang 2026 kommen soll. Auch ein neuer Drogenkonsumraum nach dem „Zürcher Modell“ mit besseren Aufenthaltsmöglichkeiten ist beschlossen – doch wo und wann er entsteht, ist noch unklar.

Für das Ehepaar Sardis und ihre zwanzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das ferne Zukunftspläne. Ihre Hoffnung schwindet von Tag zu Tag. Ihr verzweifeltes Fazit: „Wir wollen hier weg. Wirklich. Aber wir können nicht.“ Und so wird Vanessa Sardis auch am nächsten Morgen wieder zum Gartenschlauch greifen müssen. (red)