Tourist von Löwe gefressenGerhard Richter und das Todesdrama vom Safaripark

Gerhard Richter

Gerhard Richter, Maler und Kölner Ehrenbürger

von Ayhan Demirci (ade)

Köln – Gerhard Richter im Jahr 1975. Ein Maler, der von sich reden macht. Ein Künstler, dessen Stern auf faszinierende Weise noch aufgehen wird. Doch er durchlebt eine Zeit der Resignation. Eines Tages aber wird er der teuerste lebende Maler Deutschlands  – und zum Weltstar der Kunst.

Der Donnersmarck-Film „Werk ohne Autor", der an Richters Biographie angelehnt ist, war gerade im Rennen um die „Golden Globes" und ist bald im Rennen um einen Oscar.

Jetzt kommt ein Richter-Interview zum Vorschein, das in den Räumen einer Galerie im Kölner Rheinauhafen wie ein kostbarer Schatz gehütet wurde und unveröffentlicht blieb. EXPRESS publiziert es: 43 Jahre danach. Es ist aus heutiger Sicht ein Treffen mit einem Superstar in spe.

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Heinz Holtmann traf Gerhard Richter in Braunschweig

Geführt hat das Gespräch der Kölner Galerist Heinz Holtmann am 11. Januar 1975 in Braunschweig. Holtmann, späterer Vorstandschef des Bundesverbandes deutscher Galerien, hatte für den Kunstverein Braunschweig eine Einzelausstellung von Richters Werken aus der Reihe „Graue Bilder“ organisiert. „31 Bilder, die für Beträge zwischen 800 und 18 000 D-Mark auch zum Verkauf standen“, erinnert sich Holtmann.

Zum Vergleich: 2014 erzielte zum Beispiel das damalige Ausstellungsbild mit der Werknummer „361/2“ bei einer Auktion bei Christie’s in London einen Preis von 1 029 673 US-Dollar.

Richter spricht im Interview über seine Motive, sein Handwerk, nennt den für ihn perfekten Maler beim Namen, erklärt stellenweise unverblümt seine Sicht auf die vorherrschende Kunst der Zeit („Berge von Elend“) und erzählt von einem dramatischen, tödlichen Ereignis des Vorjahres 1974, welches ihn fortwährend beschäftige.

Heinz Holtmann hatte das Interview zur Erstellung des Ausstellungskataloges geführt. „Er machte mehrere ganz essenzielle Aussagen über seine Bilder“, sagt Holtmann heute: „Er sah damals die grauen Bilder als das Interessanteste an, mit der tiefsten Wahrheit.“

Auch für Gerhard Richter (86) wurde es nun, anno 2019, zu einer Reise in die Vergangenheit. Nach Durchsicht des getippten Interviews gab er es dem EXPRESS zur Veröffentlichung frei. Es ist das an jenem Wintertag gesprochene authentische Wort. 

Seine ersten rein grauen Bilder malte Richter Mitte/Ende der 60er Jahre erst als Übermalungen missglückter Werke. In den späteren Jahren erhob der Maler das Arbeiten mit Grau in immer anderen Variationen (Grauwert, Auftragungsform Walzen, Pinseln, Stupfen, Format, Oberfläche) zu einer eigenen Kunstform.

Das Grau, bekannte er, war Sinnbild einer schwierigen persönlichen Phase. Die einfarbigen Bilder sind, so der Richter-Biograf Dietmar Elger im Standardwerk „Gerhard Richter, Maler“ (Dumont Buchverlag, 3. Auflage), „auch ein Ausdruck seiner resignativen Stimmung“ in der Zeit zwischen 1973 und 1976. Richter, dem 1984 der internationale Durchbruch gelingen sollte, dachte in jener Phase sogar an ein mögliches Aus.

Die Farbe Grau und der Umgang mit ihr ist das zentrale Thema im Interview von Heinz Holtmann in jenem Januar 1975, geführt in Holtmanns Wohnung in Braunschweig.

Im Gespräch erfahren wir, welcher „monochrome“ Maler ein Vorgänger war, welches die vielleicht schönste Farbe der Welt ist und wie das alles überhaupt funktioniert. Hier eine Passage:

Heinz Holtmann: Was ist vollkommene Harmonie?

Gerhard Richter: Mir schien die Farbe Grau das einzige Mittel zu sein, womit ich so etwas überhaupt je erreichen konnte.

Sie machen dann keine unterschiedlichen grauen Abstufungen, sondern Sie benutzen immer das gleiche Grau.

Ja, das richtige Grau, das ist nur in der Theorie möglich.

Ist so das vollkommenste Grau in diesen Bildern?

Ja.

Wie haben Sie das entwickelt? Von Yves Klein beispielsweise weiß man, dass er sehr viel Mühe hatte, das richtige Blau zu finden. Wie könnte man das transponieren auf Ihre Vorstellung vom Grau? Gibt es das schönste Grau? Oder gibt es ein Grau, welches man nur so und so herstellen kann? Kommt es aus der Tube oder wie machen Sie es?

Zu Yves Klein: Es gibt ja nur ein Blau, welches so schön ist, das Ultramarinblau. Und das kann man als Pulver in besseren Drogerien kaufen. Da gibt es eine absolute Schönheit. Da gibt es kein besseres Blau und das ist Grau nie. Da ist immer ein anderes vorstellbar. Und bei Yves Klein ging es eigentlich nur darum, das richtige Bindemittel zu finden, das die Leuchtkraft nicht schmälert.

Was könnte man adäquat zum Grau sagen. Wie entsteht Ihr Grau?

Das mische ich mir aus Schwarz und Weiß. Ich muss aber leider Gottes noch ein bisschen Umbra reintun, weil das Grau aus Schwarz und Weiß so kalt ist, zu blaustichig, zu modisch ist. 

Ein Künstler, vor dem sich Richter verneigt

Hatte auch ein Gerhard Richter Idole? Der Maler erklärt im Gespräch: „Es gibt ab und zu für mich Bilder, die sind absolut vollkommen. Also nicht so langweilig vollkommen wie eine Kugel ist. Dann könnte man aufhören, etwas Besseres gibt es nicht. Sondern, etwa Mondrian, da stimmt alles.“ Der Niederländer Piet Mondrian (1872-1944), ein Maler der klassischen Moderne, wurde berühmt für seine strengen, rechtwinkligen Bild-Kompositionen.

Richter und die Farben als Droge

Holtmann will an anderer Stelle wissen, ob die Farbe Grau bei Richter so etwas wie eine Droge sei, wie bei Van Gogh oder  Yves Klein. Richter antwortet mit einem wuchtigen Hieb auf  die in seinen Augen qualitätsferne Kunst jener Zeit, die die Szene beherrsche. Mit Grau könne man „wenig falsch machen, es hat etwas von Vollkommenheit. Alles, was wir tun, kann ja zur Hälfte falsch sein. Das Falsch-Tun gehört ja zu uns. Und die Illusion zu haben, dass das mal überwunden werden könnte. Oder in dem ganzen Wust von scheiß Bildern, die man heute sieht – es wird ja immer schlimmer, das sind ja nur noch Berge von Elend“.

Er könne sich angesichts dessen „nicht vorstellen, dass man noch etwas anders tun kann, außer graue Bilder malen, noch im Moment.“

Todesdrama im Safaripark 

Das Interview mündet in einen spannenden Schluss. Richter sagt, er werde sicher nicht noch zehn Jahre graue Bilder malen – und erzählt eine Geschichte, die ihn sehr reize. Im „Stern“ sei eine „Sache gewesen, voriges Jahr, die schleppe ich immer mit mir rum und probier die jeden Tag“. Im Stern-Bericht zeigten Amateuraufnahmen, wie ein Tourist, der sich für ein Foto in einem Safaripark einem Löwen genähert hatte, von zwei Tieren angegriffen, getötet und gefressen wird.  Richter sah darin „eine Metapher seiner eigenen Lebenssituation“ (aus der Biographie von Dietmar Elger). Tatsächlich verarbeitete der Maler das grausige Geschehen in mehreren Bildern.

Ein neuer Anfang: Gerhard Richters Weltkarriere

Als Resümee schrieb Heinz Holtmann über die graue Phase Richters im Ausstellungskatalog: „Gleichwohl sieht er in den Bildern, die zunächst wie der Endpunkt einer langen Entwicklung erscheinen mögen, zugleich einen neuen Anfang.“

So kam es dann auch. Richter trifft 1977 die Bildhauerin Isa Genzken wieder, die später seine zweite Frau wird. Er beginnt die Arbeit an farbintensiven, abstrakten Werken. Das neu eröffnete Musée d´Art Moderne, Centre Pompidou in Paris, widmet ihm eine Retrospektive. Nach den Selbstmorden von Stammheim malt er Werke zur RAF. 1980 schafft er sein erstes abstraktes Rakelbild.

Von Düsseldorf nach Köln

1983 zieht Gerhard Richter aus Düsseldorf nach Köln. Dank einer von Kasper König, dem späteren Direktor des Kölner Museums Ludwig kuratierten Ausstellung, gelingt Richter der Durchbruch auf dem internationalen Kunstmarkt. Er steigt auf zum deutschen Weltstar der Malerei.

In der „Weltrangliste der lebenden Künstler“ belegt er von 2004 bis 2008 sowie zwischen 2010 bis 2015 den ersten Platz. Er stiftet dem Kölner Dom das  „Richter-Fenster“ und wird 2007 Ehrenbürger der Stadt.

LESEN SIE HIER: DAS KOMPLETTE INTERVIEW, BRAUNSCHWEIG, 11. Januar 1975

Heinz Holtmann: Sie haben verschiedene Stilphasen durchgemacht. Am Ende stehen die Grauen Bilder. Wie kommen Sie zu dieser Entwicklung, die zu den Grauen Bildern führt?

Gerhard Richter: Ich meine, dass die gar nicht so verschieden sind unter den anderen Sachen. Sie sehen wohl äußerlich anders aus, aber es ist immer dasselbe Thema, was sich in verschiedenen Formen zeigt.

Welches wäre dann das Thema?

Ja, das weiß ich auch nicht. Es ist sehr schwierig, das herauszu kriegen, wie eine Parole: wie „was ist Malerei?"

Sie haben früher andere Bilder gemalt, z. B. Wolkenbilder. Sehen Sie diese in einer Beziehung zu den jetzigen Grauen Bildern. Haben sie immer das gleiche aussagen wollen, nur mit anderen Mitteln?

Ja, das müsste so in etwa richtig sein. Nur, das kann man so schlecht beweisen, weil man fragt „Ja, was hat er denn aussagen wollen?"

Wie haben Sie angefangen zu malen, welche Entwicklung haben Sie durchgemacht?

In Dresden kannte ich, wegen des schlechten Informationsflusses, praktisch nur Picasso, Guttoso und Beckmann. Davon waren wir alle etwas eingefärbt und wir haben in dem Stil gemalt. 1960 bin ich in die Bundesrepublik gekommen. Hier bin ich in die Akademie gegangen (Düsseldorf) und habe nochmals von vorn angefangen. Ich habe alles durchgemacht, so schnell es ging. Tachismus war in der Auflösung, etwas Nouveau-Realisme, Pop Art, Fluxus. Ich habe jedoch alle Bilder zerstört. Die ersten, die ich nicht zerstört habe, sind die abgemalten Fotos.

Welche Darstellungen waren es?

Abbildungen aus Illustrierten und Zeitungen, was da an banalen Fotos zu sehen war, die ganz außerhalb von Kunst standen, und die man nie als solche ansah.

Was kam danach?

Dann löste sich das auf, dann hat man das Malen kapiert. Man weiß wie die Leute reagieren. Für mich war das so lange spannend, wie ich das selber nicht kapiert habe, und dann war das abgeschlossen. Die Bilder wurden ja mittlerweile ästhetisch, obwohl das anfangs nicht so gemeint war. Dann kamen die Landschaften. Da war ich mal in Korsika. Vielleicht habe ich da in den Landschaften gesehen, was ich von Bildern her kannte und habe die dann wieder abgemalt.

Kann man diese romantischen Bilder, die Landschaft, im Zusammenhang sehen mit der romantischen Welle, die jetzt beispielsweise bei der Caspar David Friedrich- Ausstellung deutlich wurde?

Ganz sicher. Und auch von der Enttäuschung, die von der sogenannten modernen Kunst herrührt. Das war ja fast wie eine Diktatur. Diese Sachen durfte man einfach nicht machen, eine Landschaft gab es in der ganzen Akademie nicht, das war verpönt.

Sie kommen jetzt zu einer Malerei, wie es in gewisser Weise schon gegeben hat. Zur monochromen Malerei.

Ja, bei Yves Klein.

Wogegen würde sich das wenden?

Die wenden sich nicht gegen etwas. Ich habe die Landschaften damals gemalt, nicht weil sie verpönt waren, sondern eben obwohl sie verpönt waren - die Grauen. Ja, man will, dass ein Bild etwas Vollkommenes zu sein hat oder sein könnte. Das war damals der Versuch, das zu machen. Es gibt ab und zu für mich Bilder, die sind absolut vollkommen. Also nicht so langweilig vollkommen wie eine Kugel ist. Dann könnte man aufhören, etwas besseres gibt es nicht. Sondern, etwa Mondrian, da stimmt alles.

Was ist vollkommene Harmonie?

Ja, da schien mir die Farbe Grau das einzige Mittel zu sein, womit ich soetwas überhaupt je erreichen konnte.

Das ist so seit 1966? Welche Rolle hat davor die Farbe Grau gespielt, war sie immer schon so dominierend?

Ja, man entdeckt es halt, wenn man so viele graue Bilder malt. Wie bei grauen Fotos, dass sie einen bestimmten Aussagewert haben, von der Farbe Grau her, die einem besonders gefällt, wenn sie einen täglich umgeben. Man denkt dann darüber nach, was es sein könnte mit dem Grau.

Sie machen dann keine unterschiedlichen grauen Abstufungen, sondern sie benutzen immer das gleiche Grau.

Ja, das richtige Grau, das ist nur in der Theorie möglich.

Ist so das vollkommenste Grau in diesen Bildern?

Ja

Wie haben Sie das entwickelt? Von Yves Klein beispielsweise weiß man, dass er sehr viel Mühe hatte, das richtige Blau zu finden. Wie könnte man das transponieren auf Ihre Vorstellung vom Grau. Gibt es das schönste Grau? Oder gibt es ein Grau, welches man nur so und so herstellen kann? Kommt es aus der Tube oder wie machen Sie es?

Zu Yves Klein. Es gibt ja nur ein Blau, welches so schön ist, das Ultramarinblau. Und das kann man als Pulver in besseren Drogerien kaufen. Da gibt es eine absolute Schönheit. Da gibt es kein besseres Blau und das ist Grau nie. Da ist immer ein anderes vorstellbar. Und bei Yves Klein ging es eigentlich nur darum, das richtige Bindemittel zu finden, das die Leuchtkraft nicht schmälert.

Wie ist es beim Grau. Was könnte man adäquat zum Grau sagen. Wie entsteht Ihr Grau?

Das mische ich mir aus Schwarz und Weiß. Ich muss aber leider Gottes noch ein bisschen Umbra reintun, weil das Grau aus Schwarz und Weiß so kalt ist, zu blaustichig, zu modisch ist.

Ich hatte gedacht, Sie mischen das Grau aus allen Farben zusammen.

Das kommt aufs gleiche raus. Die Mischung aller Farben, etwa mit der rotierenden Scheibe, funktioniert ja nur mit dem Licht. Wenn ich Pigmente mische, dann ist das Gelb - aus den ganzen Farben wird dann immer violett - immer unterlegen, weil Blau und Rot so stark sind. Selbst bei der Mischung von Druckerfarben ergibt das eher ein Braun als Schwarz.

Ist Ihre Mischung jetzt das richtige Grau wie es Ihnen vorschwebt?

Ja

Welche Farbe benutzen Sie?

Ölfarbe auf Leinwand. Das hing ja auch damit zusammen, dass man bei all den Sachen – damals als ich anfing – mit den kleinen Grauen Bildern, dass man da, wo ein Motiv drauf ist, dann herummäkeln kann. Ich will Sachen schaffen einmal, die sich jeder Kritik entziehen können, wegen ihrer Vollkommenheit oder Aussagelosigkeit und dann auch entsprechend so auch einem solchen Zustand, wenn einem nichts mehr einfällt. Es gibt nichts anderes mehr zu sagen. Das war auch gleichzeitig die tiefste Resignation.

Farben können eine gewisse Eigenschaft haben. Sie können warm, kalt usw. sein. Das sind im Grunde genommen menschliche Eigenschaften, die von Menschen übertragen sind, von seiner Erfahrung usw. Welche Eigenschaft würden Sie dieser Farbe grau zuschreiben?

Das Grau ist die neutralste Farbe, die hat keine Eigenschaften.

Meinen Sie nicht, dass dieses grau melancholisch macht, beispielsweise.

Ich kann mir das nicht vorstellen. Im Englischen heißt doch grau auch neutral? Gray gleich Mitte!

Ist die Farbe bei Ihnen so etwas wie eine Droge, weil sie sich in das Grau so hineinverstiegen haben, beispielsweise wie bei van Gogh oder Yves Klein.

Man kann wenig falsch machen, es hat etwas von Vollkommenheit. Alles was wir tun, kann ja zur Hälfte falsch sein. Das Falsch-Tun gehört ja zu uns. Und die Illusion zu haben, dass das mal überwunden werden könnte. Oder in dem ganzen Wust von scheiß Bildern, die man heute sieht – es wird ja immer schlimmer, das sind ja nur noch Berge von Elend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man noch etwas anders tun kann, außer graue Bilder malen, noch im Moment.

Würden Sie nicht sagen, dass beispielsweise ein Rot...

Das ist viel zu beladen, das müsste ja klein sein.

Die geben aber eine freundlichere Stimmung...

Ich will ja nicht freundlich, sondern gut sein.

Was wollen Sie dem Betrachter mit den grauen Bildern vermitteln? Was möchten Sie, welche Wirkung sollen diese grauen Bilder auf den Betrachter haben?

Dass er mehr Sinn für Qualität kriegt.

Soll eine neue Sensibilität erreicht werden?

Ja, damit man viele schlechte Sachen einfach nicht mehr ertragen kann, damit man kritischer ist, wo man nicht mehr so viel Scheiße glaubt.

FORMAT UND STRUKTUREN

Gerhard Richter: Formatmäßig waren es Versuche. Man fängt klein an und nimmt dann größere. Ich kann mir jetzt kein anderes Format vorstellen als die letzten und die liegen bei 250 hoch und circa 195 bis 200 breit. Es muss groß sein, weil es dann intimer wirkt.

Die andere Unterscheidung in der Struktur der Bilder. Es ist ja immer das gleiche Grau, das Sie nehmen.

Ja, es ist das gleiche gemeint, aber weil es immer neu gemischt ist, sieht es immer ein kleines bisschen anders aus. Und selbst wenn ich vier Bilder im gleichen Grau angestrichen habe und bring die in vier Räume, dann sind es vier verschiedene Graus. Das hängt mit dem Licht und mit den Räumen zusammen: Wandanstrich, Teppichboden usw.

Warum die verschiedenen Strukturen?

Ja, das hat sich so ergeben. Man versucht das zu streichen von dem Gewohnten her. Man ist Maler, hat einen Pinselduktus, nimmt dann einen anderen Pinsel, um das gleichmäßig zu kriegen, dann stupft man.

Sie haben eine gewisse Dynamik in den Strukturen, Sie wollen es also nicht ganz gleichmäßig machen.

So ein Pinselduktus hat ja mit ne Aussage. Am gleichmäßigsten kriegt man das Grau hin, wenn man einen Vorlack nimmt, so ein Mattlack und das spritzt. Aber das mache ich nicht. Ich gebe eher ein Abbild von diesem absoluten Grau. Das ist praktisch ein abgemaltes graues Bild. Das Bild selber gibt es gar nicht, und ich kann es nicht machen, oder noch nicht.

Welche Arten von Strukturen haben sie angewandt?

Es gibt nur gepinselt und gestupft. Bei den gepinselten Bildern ist die Farbe mit mehr oder weniger breitem Pinsel Mehr oder weniger gleichmäßig aufgetragen, aber so, dass man Pinselstriche sieht. Bei den getupften Bildern ist die Farbe mit dem Pinsel aufgetragen und dann mit einer Lammfellrolle gleichmäßig gewalzt, wie in Treppenhäusern. Wenn die Farbe noch dicker ist, wird sie mit einem weichen Plastikkissen aufgezogen, also gerollt und gestupft.

Was kommt morgen? Ist die graue Periode abgeschlossen?

Das wird noch ein ähnlicher Stil sein, aber was morgen kommt?... Das weiß man nicht. Ich kann mir nach den Grauen überhaupt nichts mehr vorstellen. Ich kann Variationen machen.

Sie können aber jetzt nicht noch zehn Jahre graue Bilder machen.

Ja, das wäre undenkbar. Ich dachte, dieses Grau wäre wirklich schon abgeschlossen, aber jetzt fällt mir doch noch das und jenes ein. Ein anderer Farbauftrag, eine andere Farbsorte, eine andere Leinwand und sowas, was ich noch nicht probiert habe, damit ich die Aussage noch deutlicher hin kriege. Da vergeht die nächste Zeit drauf. Es kann auch sein, dass wieder ein Fotobild kommt. Ich glaube grau in grau aber ich weiß noch nicht genau, wie. Im Stern ist da so eine Sache gewesen, voriges Jahr, die schleppe ich immer mit mir rum und probier die jeden Tag. Das ist ein Tourist, der wird von Löwen gefressen. Der hat sich in seiner Dummheit mit der Kamera aus dem Auto rausgewagt und wird da aufgefressen. Die Löwen schleppten ihn weg. Das finde ich so symbolisch, das Thema, so ein Tourist. Wir sind ja auch halbe Touristen schon und wissen gar nicht mehr was los ist. Das würde mich vom Thema her stark reizen.

(In der Kölner Galerie Thomas Zander, Schönhauser Straße, sind bis zum 8. März „Graue Bilder" von Gerhard Richter ausgestellt).