Kölner UrgesteinWarum ausgerechnet Corona auch heilsam für den Karneval ist

Wicky Junggeburth bei einem Auftritt 2019.

Wicky Junggeburth (hier bei einem Auftritt 2019) blickt hoffnungsvoll auf die Zukunft des Kölner Karnevals.

Wicky Junggeburth (70) schildert im Gespräch seinen hoffnungsvollen Blick auf die Krise im Kölner Karneval. 

von Bastian Ebel (bas)

Er ist ein Mann der leisen kölschen Töne. Das war Wicky Junggeburth (70) schon immer. Als Prinz Karneval, als Zoch-Kommentator, als Künstler auf der Bühne oder bei seinen genialen Zeitreise-Vorträgen, in denen er den Karneval längst vergangener Jahre wieder aufleben lässt.

Umso mehr Gewicht haben seine Worte, denn Junggeburth schaut immer kritisch und wohlwollend auf den Fastelovend. „Aber jetzt sitzt man in der Session auf der Couch und schaut 50 Kilometer Langlauf. Ein Wahnsinn“, schmunzelt der Mann, der mit dem Lied „Einmol Prinz ze sin“ in die Geschichtsbücher einging, im EXPRESS.de-Gespräch.

Junggeburth: Fest an Rosenmontag „kommerzielle Ersatzhandlung“

Ja, Junggeburth macht sich Sorgen um „sein“ Fest, das gibt er unumwunden zu. „Kölner Karneval ist Nähe. Das sind Menschen auf einer Sitzung, Freude, Emotionen. Jecke, die sich auf den Abend freuen. All das geht ein wenig verloren.“

Alles zum Thema Guido Cantz

Er sagt unumwunden: „Die Menschen haben Angst – und das ist sehr verständlich. Auch, um meine Familie zu schützen, würde ich jetzt nicht unbedingt in vollen Kneipen auftreten.“ Aber sind es nicht gerade die kleinen Formate, die jetzt aus dem Boden sprießen, die Hoffnung machen?

„Das denke ich eben nicht“, findet das kölsche Urgestein. „Das sind letztlich alles Ersatz-Formate, können aber den Karneval nicht abbilden.“ Das gelte auch für ein eventuelles „Rosenmontagsfest“ im Kölner Stadion. „Der richtige Rosenmontagszug fehlt den Kölnerinnen und Kölnern. Das ist für mich ebenfalls der zwanghafte Versuch, kommerziell etwas aufzuziehen, was man nicht ersetzen kann.“

Wicky Junggeburth möchte der Krise aber auch etwas Gutes abgewinnen. „Vielleicht war Corona sogar heilsam für den Kölner Karneval“, sagt er nachdenklich. „Dieses System war doch vorher sehr reizüberflutet.“ Das macht er an verschiedenen Punkten fest. „Warum muss eine Gesellschaft zehn Sitzungen in der Session durchführen? Die Karten wurden meist an Sponsoren vergeben, es saßen Leute von außerhalb im Saal, die mit dem Fastelovend gar nichts am Hut hatten und dahin mussten.“

Die Entschleunigung täte dem Fasteleer gut, sagt Junggeburth. Auch deshalb erzählen ihm zum Beispiel Redner-Kollegen, dass sich die Aufmerksamkeit für die Büttenrede dramatisch erhöht habe. „Die Menschen, die auf der Veranstaltung sind, wollen genau das hören. Das ist ein großer Unterschied, ob man zur Sitzung muss oder will.“

Köln: Unklar, ob Wicky Junggeburth den Zoch im WDR kommentiert

Ob Wicky Junggeburth Rosenmontag für den WDR wieder kommentieren wird, steht noch in den Sternen.

„Das hängt von der Entwicklung ab.“ Sicher ist aber: Im Frühjahr sind seine Zeitreise-Vorstellungen im Brauhaus Sion wieder sehr stark nachgefragt. „Darauf freue ich mich sehr. Dann sind wir alle wieder ein Stück weiter.“