Weit weg vom MeerDas Geheimnis um den „unsinnigen“ Leuchtturm mitten in Köln

Blick von der Venloer Straße rüber auf den Helios-Turm in Köln-Ehrenfeld.

Der Helios-Turm in Köln-Ehrenfeld ist der einzige Leuchtturm in NRW. Einen Nutzen hat er nicht, für viele gilt er aber als Wahrzeichen von Ehrenfeld. Das Foto wurde am Freitag (21. Juli 2023) aufgenommen.

Ein Leuchtturm, mitten in Köln, weit weg vom Meer? Das macht auf den ersten Blick nicht viel Sinn. Der Helios-Turm in Ehrenfeld strahlt trotzdem (oder gerade deshalb) viel Faszination aus.

Weit und breit kein Meer in Sicht – und statt Möwen höchstens Tauben. Dennoch erhebt sich ein Leuchtturm, der Helios-Turm, 44 Meter hoch über Köln. Er gilt als einziger Leuchtturm in NRW und einer von wenigen Binnen-Leuchttürmen in ganz Deutschland. Das Kölner Exemplar liegt aber nicht etwa am Rhein, sondern weit stadteinwärts in Ehrenfeld.

Warum es den Turm gibt, weiß so gut wie niemand. „Der war schon immer hier“, ist die typische Reaktion. Das stimmt auch, denn der Turm ist ziemlich alt: Er wurde im 19. Jahrhundert zur Zeit des Kaiserreichs gebaut, genauer im Jahr 1894.

Leuchtturm in Ehrenfeld: Was hat es damit auf sich?

Damals war Ehrenfeld ein junges Arbeiterviertel mit vielen neu gegründeten Industrieunternehmen. Das bedeutendste war die Helios Electricitäts-Aktiengesellschaft. Diese Firma war zeitweilig führend bei der Herstellung von elektrischen Leuchtfeuern. Sie bestückte Leuchttürme in aller Welt. In diesem Zusammenhang erbaute sie auch den Turm, der deshalb Helios-Turm heißt.

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Zur Frage nach dem genauen Sinn kursieren zwei Erklärungen, eine nüchterne und eine abenteuerliche. Die abenteuerliche zuerst: Demnach war der Turm ursprünglich für das ostafrikanische Sultanat Sansibar bestimmt. Zwischenzeitlich sah es mal so aus, als ob Sansibar eine deutsche Kolonie werden würde, doch dann ging es doch an die Briten. Daraufhin errichtete Helios den Turm einfach in Köln, so die Überlieferung – die wohl ins Reich der Legende gehört.

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Die nüchterne Erklärung ist nicht ganz so schön: Demnach diente der Turm als Testanlage, und war außerdem ein Werbegag. „Das dürfte die zutreffende sein“, sagt Ralf Liptau, wissenschaftlicher Referent im LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland.

Die goldenen Zeiten von Helios währten allerdings nicht lange: Bald wurde das Unternehmen von AEG und Siemens überflügelt und ging pleite.

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Der Turm blieb aber stehen und wurde im Zweiten Weltkrieg durch ein günstiges Schicksal von den Bomben verschont, die Köln in Schutt und Asche legten. Die gläserne Laterne auf der Spitze ging zwar verloren, wurde in den 90er Jahren aber rekonstruiert. Inzwischen war der Turm auch unter Denkmalschutz gestellt worden.

Helios-Turm in Köln-Ehrenfeld hat keine Funktion, aber viel Faszination

Eine Funktion hatte er weiterhin nicht. Er war einfach nur da. „Meine These ist, dass er aber aufgrund seiner markanten Form schon relativ früh ein identitätsstiftender Faktor war“, sagt Liptau. „Es gab ja auch sonst nicht viel in Ehrenfeld – keinen Marktplatz, kein altes Rathaus. Und deshalb orientierte man sich an dem weithin sichtbaren Turm.“

Günter Wallraff vor dem Helios-Turm in Köln-Ehrenfeld.

Günter Wallraff, TV-Star und Bürger von Ehrenfeld, macht sich für eine Belebung des Turms stark.

Heute ist der im übertragenen Sinne schräge Turm das unbestrittene Wahrzeichen eines gefragten Szeneviertels. Sogar in Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“ ist er im Hintergrund als Teil der abendlichen Skyline zu sehen und schickt sein Scheinwerferlicht über die Dächer von Köln.

Besichtigen kann man den Turm nicht, und das finden viele Anwohnerinnen und Anwohner jammerschade – auch der bekannteste Ehrenfelder Günter Wallraff. „Es ist das Wahrzeichen Ehrenfelds und sollte nicht vor sich hingammeln“, sagt der Enthüllungsjournalist und Erfolgsautor. „Mit diesem kuriosen Turm können sich wirklich alle hier identifizieren, und deshalb sollte er unbedingt belebt werden.“ (dpa)