„Wer weiß, ob sie es lebend schaffen“Aus Troisdorf: Ukrainische Sportlerin im verzweifelten Kampf für ihre Familie

Feuerwehrleute gehen an einem durch Beschuss beschädigten Gebäude in Mariupol vorbei

Wie hier am 10. März in Mariupol bringen auch in Sumy die russischen Bomben Tod und Zerstörung.

Die Menschen in der Ukraine leiden unter dem Terror des russischen Angriffs. Aus Troisdorf im Rhein-Sieg-Kreis versucht Tischtennis-Profi Elena Shapovalova verzweifelt, die Flucht ihrer Familie zu planen.

von Alexander Haubrichs (ach)

Als Elena Shapovalova (42) auf ihre Familie zu sprechen kommt, bricht die Stimme und Tränen der Verzweiflung steigen in ihr hoch. „Ich habe einfach Angst um sie. Wer weiß, ob sie es da lebend rausschaffen. Mein Bruder darf das Land ja ohnehin nicht verlassen“, berichtet die Ukrainerin, die als Tischtennis-Profi nach Deutschland kam, für den TTC Troisdorf Bundesliga spielte und seit 20 Jahren in Troisdorf-Spich lebt.

Hier hat sie ihre Kinder geboren, spielt immer noch beim DJK Blau-Weiß Annen in der 2. Bundesliga hochklassigen Sport und bringt beim ESV Troisdorf zwei Dutzend Kids mit viel Hingabe ihren Sport bei. Doch in den vergangenen beiden Wochen war alles anders. Seit dem Überfall von Wladimir Putins (69) Armee auf ihr Heimatland ist auch das Leben der sympathischen Elena nicht mehr dasselbe.

Familie steckt im belagerten Sumy in der Ukraine fest

Denn in Sumy, einer Stadt im Norden der Ukraine mit rund 300.000 Einwohnern, harrt ihre Familie aus. Die Mutter, der Bruder mit seiner Frau und dem Neffen (11) und der 17-jährigen Nichte. „Als die Russen hier 40 Kilometer entfernt an der Grenze das Manöver abhielten, hab ich noch gesagt: Kommt da raus. Aber viele haben es für Muskelspiele gehalten und hätten nicht geglaubt, dass der wirklich angreift“, sagt Shapovalova. „Jetzt flüchtet meine Mutter den halben Tag in den Keller vor Putins Bomben.“

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Denn nun ist die Stadt umzingelt, Vororte sind von der russischen Armee dem Erdboden gleichgemacht. „Egal, was sie sagen: Die Russen schießen auf Zivilisten und Wohnhäuser. Und lügen dann einfach. Die Lage ist wirklich schlimm. Es gibt kein Wasser mehr. In der Stadt gibt es noch Essen, aber woanders lassen sie die Menschen verhungern“, schildert Shapovalova, was sie aus Sumy von ihrer Familie berichtet bekommt.

Ukraine: Flucht durch die humanitären Korridore

Ein Ausweg ist nicht wirklich in Sicht. Als Russland am Mittwoch (9. März 2022) endlich einen humanitären Korridor öffnet, versuchten 30.000 verzweifelte Menschen, aus der Stadt zu fliehen. „Aber es gab nur 22 Busse. Meine Mutter, meine Schwägerin und die beiden Nichten standen sieben Stunden bei minus 15 Grad vergeblich in der Kälte.“

Sie kehrten wieder in ihre Häuser zurück. Von Troisdorf aus versucht Elena, eine Flucht zu organisieren, wenn die Familie es aus der Stadt schafft. „Wir haben eine Zwischenunterkunft in einem Kindergarten und würden sie an der polnisch-slowakischen Grenze abholen. Das Problem: Von Sumy bis dorthin sind es 1200 Kilometer“, sagt Shapovalova.

Elena Shapovalova: „Die Russen werden immer brutaler“

Die Verzweiflung steigt. „Die Lage wird immer prekärer. Und je länger der Krieg dauert, umso brutaler und rücksichtsloser werden die Angriffe der Russen.“ Die Ukrainerin gesteht: „Ich habe in den vergangenen zwei Wochen eigentlich nur geweint, kann jetzt wenigstens wieder reden.“ Am Wochenende aber will sie wieder spielen – mit Ex-Europameisterin Oxana Fadeeva (47), einer Russin, an ihrer Seite.

„Sie spielt mit mir Doppel. Aber das ist für mich kein Problem. Sie ist gegen den Krieg, wie so viele Russen, auch hier bei uns im Rhein-Sieg-Kreis. Ein Teil meiner Familie lebt sogar in Russland. Viele dort glauben aber Putins Lügen. Und der Rest hat Angst, den Mund aufzumachen.“

Für Elena Shapovalova und ihre Familie in Sumy kann man nur hoffen, dass sich bald ein Korridor öffnet. Oder dieser wahnsinnige Krieg endlich vorbei ist.