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„Was ist das für ein Quatsch?“Schiri-Experte Urs Meier kritisiert VAR – Lob für geplante Regel-Wende

Urs Meier spricht bei einer TV-Übertragung von DAZN ins Mikrofon.

Urs Meier am 22. Oktober 2023 in Köln bei seinem Debüt als Schiedsrichter-Experte für DAZN.

Urs Meier gehörte in aktiven Zeiten zu den besten Schiedsrichtern der Welt, jetzt blickt er als DAZN-Experte auf die Bundesliga-Referees. Im EXPRESS.de-Interview übt der Schweizer außerdem scharfe Kritik am VAR.

von Béla Csányi (bc)

Mit dem 13. Bundesliga-Spieltag steht auch die 13. Runde in den Diskussionen um die Schiedsrichter und deren Entscheidungen an. In Fußball-Deutschland vergeht auch weiterhin kaum ein Wochenende, an dem nicht hitzig über Regel-Auslegung und VAR-Einsatz debattiert wird.

Auch ein ehemaliger Referee-Kollege legt den Finger inzwischen wieder stärker in die Wunde: Urs Meier (64) ist seit Oktober Schiri-Experte bei DAZN, wird dort am Sonntag (3. Dezember 2023) auch beim Topspiel zwischen Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund (17.30 Uhr) ganz genau hinschauen. Mit EXPRESS.de sprach der einstige Weltklasse-Schiedsrichter vorab über sein Schiri-Zeugnis und Kritik am VAR.

Urs Meier erlebte Karriere ohne VAR: „Darüber bin ich sehr froh“

Herr Meier, Woche für Woche schimpfen Fans in der Bundesliga über Schiedsrichter-Entscheidungen, seit kurzem sind Sie nun bei DAZN als Schiri-Experte an Bord. Als Anwalt der Referees oder als deren Chefkritiker?

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Urs Meier: Im Bestfall beides. Ich habe die Freiheit, dass ich bei keinem Verband angestellt bin, dadurch habe ich dieselbe Unabhängigkeit, die ich auch früher hatte. Es geht immer um die Sache, nicht um die Schiedsrichter oder etwas Persönliches. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, muss man auch kritisieren. Aber das Schöne ist, dass man natürlich auch loben und gute Szenen erwähnen kann. Das sollte auch gesagt und gezeigt werden.

24 Unparteiische im Fußball-Oberhaus

Schiedsrichter-Quiz: Erkennst du alle Bundesliga-Referees?

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Schiedsrichter haben in der Regel das harte Los, dass immer dann über sie geredet wird, wenn nicht alle mit den Entscheidungen einverstanden waren. Sind Sie insgesamt zufrieden mit den Leistungen der Unparteiischen in der laufenden Bundesliga-Saison?

Meier: Es wird immer viel über die Schiedsrichter geschrieben, aber für mich sind die ganz großen Aufreger ausgeblieben. Nach Noten würde ich daher schon ein „gut“ geben. Es gibt einfach zu viele VAR-Eingriffe, zu viele Diskussionen. Wir müssen die Schiedsrichter noch professioneller machen und das Fußball-Verständnis verstärkt schulen. Da gibt es sicher noch Luft nach oben.

Der VAR ist und bleibt das große Streitthema. Geht es nach den Regelhütern beim Ifab (International Football Association Board), könnten sich die Eingriffe künftig auf noch mehr Spielsituationen ausweiten. Die falsche Tendenz?

Meier: Absolut. Wir brauchen eine Spielleitung, jemanden auf dem Platz, der das Spiel sowie die Temperatur des Spiels und der Spieler spürt. Das kann der Video-Assistent nicht, er hat nicht das ganze Spiel im Blick, weil er es nicht im Stadion erlebt. Das sind Entscheidungen, die sind vielleicht im Bild einigermaßen korrekt, aber im Gesamtkontext stimmen sie oft nicht. Daher wünsche ich mir, dass die Schiedsrichter wieder mehr Verantwortung übernehmen.

Sind Sie daher froh, Ihre gesamte Karriere ohne VAR über die Bühne gebracht zu haben?

Meier: Da bin ich sogar sehr froh! Wir sind ohne Fangnetz über das Hochseil gelaufen und wussten: Wenn wir einen Fehler machen, tut das weh. Daher sind wir unheimlich konzentriert an die Sache rangegangen. Heute wissen die Schiedsrichter um einen doppelten Boden, daher sind sie nicht mehr so fokussiert, nicht mehr so präzise. Das ist nicht gut für die Schiedsrichter und den Fußball.

Immer wieder wird sogar gefordert, den Video-Beweis komplett abzuschaffen. Überzogen oder berechtigt?

Meier: Immer dann, wenn es nur Schwarz und Weiß gibt, ist der VAR wunderbar. Auch unter der Woche in der Champions League gab es wieder Szenen, bei denen es ohne Video-Assistent Fehlentscheidungen gegeben hätte. Auch bei Abseits kann ich mir das vorstellen. Bei Fouls und Handspielen wünsche ich mir, dass man die Schiedsrichter wieder stärker in die Verantwortung nimmt. Ich war für die Champions League bei Blue Sport im Schweizer Fernsehen Experte, überall liefen auf den Bildschirmen die Spiele und immer war irgendwo ein Check. Elfmeter, Rote Karte. Check, Check, Check, Check. Was ist das für ein Fußball? Viel Attraktivität geht mit diesen dauernden Unterbrechungen verloren.

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Auch die Handspiel-Regeln machen die Sache nicht unbedingt leichter.

Meier: Da fehlt einfach die Klarheit in der Auslegung. Dann gelten andere Dinge bei der Uefa als beim DFB – was ist das für ein Quatsch? Wir haben weltweit einheitliche Spielregeln, das war immer die Stärke des Fußballs. Wenn wir das jetzt aufweichen, wäre das erstens falsch und zweitens muss die Handspiel-Regel wieder vereinfacht werden. Die Fifa hat das komplett verkompliziert.

Wie lässt sich gegensteuern?

Meier: Es geht um die Prinzipien: Geht der Ball zur Hand oder die Hand zum Ball? War es eine natürliche oder unnatürliche Handbewegung? Das müssen die Schiedsrichter lernen, aber viele wissen nicht, was natürliche Handbewegungen sind, weil sie nicht selbst Fußball spielen. Dann wüssten sie auch, was eine normale Bewegung und dann auch kein Handspiel und kein Elfmeter wäre. Was momentan passiert, führt nur zu Verunsicherung.

Urs Meier freut sich über geplante Regel-Anpassung im Fußball

Aktuell werden stattdessen andere gewaltige Anpassungen diskutiert und sogar vom Ifab in die Wege geleitet, etwa mögliche Zeitstrafen für die Spieler. Braucht es diese Regel-Wende in Zukunft?

Meier: Auf jeden Fall. Es geht darum, dass auch Unsportlichkeiten wie Zeitspiel und Reklamieren verhindert werden sollen, genau da wäre eine Zeitstrafe das Richtige. Eine Gelbe Karte ist keine Bestrafung für einen Torhüter, der in der Schlussphase auf Zeit spielt. Eine Strafe ist, wenn die Mannschaft zehn Minuten in Unterzahl ist. Daher gehe ich hier mit der Fifa d’accord. Es würde viel weniger Unsportlichkeiten geben, da bin ich fest von überzeugt.

Beim Spiel zwischen Leverkusen und Dortmund arbeiten Sie am Sonntag gemeinsam mit Michael Ballack als Experte für DAZN zusammen. 2002 verpasste er nach Ihrer Gelben Karte im Halbfinale das WM-Endspiel. Ist das noch Thema, wenn Sie sich sehen?

Meier: Jetzt am Sonntag ist das erste Mal, dass wir länger die Zeit haben, uns auszutauschen. Ich muss schon sagen, dass ich gespannt bin, wie das Gespräch verläuft. Aber er hat die Karte ja nie angezweifelt oder wollte mir die Schuld in die Schuhe schieben, das habe ich ihm auch sehr, sehr hoch angerechnet.

Schiedsrichter Urs Meier zeigt Michael Ballack nach einem taktischen Foul die Gelbe Karte.

Diese Gelbe Karte tat ganz Deutschland weh: Urs Meier zeigt Michael Ballack im Halbfinale der WM 2002 gegen Südkorea Gelb. Der DFB-Star verpasst daraufhin das Finale gegen Brasilien gesperrt.

War diese Verwarnung die schwerste Gelbe Karte Ihrer Schiedsrichter-Karriere?

Meier: Da gab es mehrere. Ich hatte auch in der Champions League Spieler, die ich im Halbfinale verwarnen musste, sodass sie im Finale nicht spielen konnten. 1999 bei Manchester United Roy Keane und Paul Scholes, 2003 Pavel Nedved bei Juventus. Diese Karten haben immer wehgetan. Nedved habe ich so oft gesagt „pass verdammt noch mal auf“, aber der Trainer hat ihn auf dem Platz gelassen und irgendwann ging es einfach nicht mehr. Solche Sachen tun immer weh.

Inzwischen wurde die Karten-Regelung bei vielen Turnieren so geändert, dass Gelbsperren im Finale nicht mehr möglich sind. Begrüßen Sie diese Änderung?

Meier: Bei großen Turnieren wurde es 2004 angepasst, da war die Gelbe Karte für Ballack entscheidend. Gott sei Dank gibt es diese Gefahr heute nicht mehr. Ein WM-Finale zu verpassen, ist als Spieler das Schlimmste, was du erleben kannst.