KommentarNicht alle beim DFB haben begriffen, was zur EM-Aufbruchstimmung noch fehlt

Der Neustart der Nationalmannschaft nach der Katar-WM ist geglückt. Auf dem Weg Richtung Heim-EM hat die Mannschaft von Hansi Flick aber noch einige Schritte vor sich.

von Marcel Schwamborn (msw)

Spiel eins nach dem Katar-Murks gewonnen, kein Gegentor kassiert, mit Niclas Füllkrug (30) und Marius Wolf (27) einige Lichtblicke im Team. Die Nationalmannschaft legte phasenweise beim 2:0-Sieg gegen Peru am Samstag (25. März 2023) den gewünschten Neustart hin.

Bis zur erhofften Aufbruchstimmung ist es aber noch ein weiter Weg. Direkt nach Schlusspfiff bekam Hansi Flick (58) im ZDF-Studio die Bilder von Argentiniens erstem Länderspiel nach dem WM-Titel serviert. Von der Euphorie, die in Buenos Aires herrscht, ist der DFB 15 Monate vor der Heim-EM noch meilenweit entfernt.

Deutschland gegen Peru: 6,36 Millionen schauten im ZDF zu

Die deutschen Fußballfans sind nach der WM-Enttäuschung immer noch skeptisch in Bezug auf die Nationalmannschaft. Das Spiel aus Mainz verfolgten im Schnitt nur 6,36 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer im ZDF.

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Noch ernüchternder als die TV-Quote war die Atmosphäre im Stadion. Fast während der gesamten Spielzeit waren nur die peruanischen Fans zu hören. Nur in der Schlussphase gingen ein paar Wellen durch die Arena. Der Bundestrainer gestand, dass er die Atmosphäre im Stadion während des Spiels gar nicht so wahrnehmen könne, da er auf das Geschehen auf dem Rasen konzentriert sei. „Trotzdem glaube ich, dass die Fans zufrieden waren“, sagte er.

„Nach den schlechten Turnieren in den vergangenen Jahren ist es selbstverständlich, dass nicht ganz Deutschland hinter uns stehen wird und dass man das auch in den Stadien merken wird. Wir müssen sie ein bisschen ins Boot holen. Es war wieder eine gute Atmosphäre, es hat wieder Spaß gemacht, hier in Deutschland zu spielen“, sagte Kai Havertz (23) nach der Ehrenrunde.

Immerhin sendete die DFB-Elf einige positive Signale. Bremens Füllkrug, den sich viele Fans bei der WM schon in der Startelf gewünscht hätten, verdeutlichte mit seinem Doppelpack, dass Deutschland einen echten Strafraumstürmer braucht. Fünf Treffer in fünf Länderspielen – diese beeindruckende Quote soll nur eine Zwischenbilanz sein. „Ich hoffe, nach dem sechsten Spiel sind es sieben Tore“, sagte Kapitän Joshua Kimmich (28).

Der Strafraum war deutlich häufiger und stärker besetzt als noch bei der verkorksten WM. „Niclas ist besonders. Sehr selbstbewusst, er kann die Mannschaft mitziehen und gibt ihr sehr viel positive Energie“, freute sich Flick. „Ich werde hier gut in Szene gesetzt, bin gut eingebunden“, sagte der Doppeltorschütze.

Am liebsten hätte Füllkrug mit „Assistent“ Wolf auf den Abend angestoßen. „Ich weiß nicht, ob es ein Kaltgetränk gibt“, sagte der Werder-Knipser grinsend, „wir spielen ja morgen in zwei Tagen schon wieder.“

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Mit Dortmunds Wolf sammelte ein Neuling ebenfalls viele Pluspunkte. „Jeder hat gesehen, dass er sehr viel Dynamik auf seiner Seite entfacht hat. So wie auch beim zweiten Tor. Das war hervorragend rausgespielt. Seine Flanke kam genau zwischen Abwehr und Torwart. So muss es sein. Er hat seine Sache sehr gut gemacht“, freute sich Flick.

Eine weitere Erkenntnis des Abends war, dass dem deutschen Team eine gewisse Robustheit und „Drecksack-Mentalität“ guttut. Abräumer wie Emre Can (29), Rackerer wie Wolf und David Raum (24) auf den Außenbahnen bringen Körperlichkeit ins Spiel.

Sinnbildlich war auch die schnell ausgelöste Rudelbildung nach dem harten Foul an Mario Götze (30). „Die Mannschaft war über 90 Minuten griffig und hat viel Leidenschaft und Dynamik gezeigt. Das waren Dinge, die wir sehen wollten“, sagte der Bundestrainer. „Wir wissen aber auch, dass noch Luft nach oben ist“.

Deutschland gegen Belgien in Köln: Noch gibt es reichlich Karten

Wenn die Fans merken, dass die Mannschaft solche Spiele nicht nur als lästige Pflicht abspult, wird auch das Interesse wieder wachsen. Technisch versierte Kicker wie Havertz oder Florian Wirtz (19) sorgen für die Aha-Momente. Nur der abermals unglücklich agierende Timo Werner (27) findet weiterhin nicht zu seiner Rolle.

In Sachen Stimmung kann am Dienstag gegen Belgien (20.45 Uhr, RTL) die nächste Stufe gezündet werden. Der Kölner Fußballtempel ist aber noch bei weitem nicht ausverkauft. Ticketpreise von 80 Euro (Oberrang) oder 476 Euro (VIP) sind auch an der Realität vorbei kalkuliert. Auch an solchen Details zeigt sich, dass nicht alle im Verband verstanden haben, was zu einem echten Neustart gehört.