Interview

„Würde nachhaken“FC-Kandidat hinterfragt Umgang mit Talenten

Ulf Sobek bei einem Training der deutschen U20-Nationalmannschaft.

Ulf Sobek bei einem Training der deutschen U20-Nationalmannschaft: „Ich verfüge über die Erfahrung von 84 offiziellen Länderspielen und etlichen Jahren Mitarbeit im Trainerteam der U-Nationalmannschaften des DFB.“

Am 27. September 2025 wird ein neuer Vorstand beim 1. FC Köln gewählt. Das Team mit Jörn Stobbe, Jörg Alvermann und Ulf Sobek will einiges neugestalten. EXPRESS.de sprach mit Sobek über den sportlichen Bereich.

von Uwe Bödeker  (ubo)

Die Fans haben die Qual der Wahl: Am 27. September 2025 wird ein neuer Vorstand beim 1. FC Köln gewählt. Zuletzt hat das Team um Wilke Stroman im Wahlkampf einen ambitionierten 100-Tage-Plan mit vielen Versprechen vorgelegt. Das „Team FC“ mit Jörn Stobbe, Jörg Alvermann und Ulf Sobek hat auch einige Ideen im Kopf.

Mit Sobek soll geballte Sportkompetenz ins Präsidium, er arbeitet seit 20 Jahren im Jugendfußball, wurde 2011 Deutscher B-Jugendmeister mit dem 1. FC Köln. Danach ging es zum DFB, wo er als Athletik-Coach die U20 betreut.

Vorstandskandidat Ulf Sobek: Bei Talenten müssen wir eingreifen

Herr Sobek, mit Ihnen würde Sportkompetenz in den FC-Vorstand kommen – wie wichtig ist das?

Ulf Sobek: Wir sehen da eine große Unterscheidung zu den anderen Teams. Ich verfüge über die Erfahrung von 84 offiziellen Länderspielen und etlichen Jahren Mitarbeit im Trainerteam der U-Nationalmannschaften des DFB. Ich wäre der erste in einem Vorstandsteam, der solch ein Profil mitbringt. Es wäre wichtig, das im Präsidium zu verankern.

Wie würden Sie diese Position mit Leben füllen – ohne dass es knallt mit der sportlichen Führung?

Sobek: Knallen soll es sowieso nicht. Am Ende sind der Sportdirektor oder die Bereichsleiterin in ihren Bereichen verantwortlich. Trotzdem gibt es sicherlich auch mal unterschiedliche Meinungen. Ich habe extrem viel gesehen in verschiedenen Klubs und Verbänden und sehe mich als Coach, Mentor oder Ideengeber. Und ich würde Fragen stellen, zum Beispiel: Warum machen wir das Scouting so? Am Ende möchten wir als Vorstand, dass unsere Mitarbeiter gut dastehen. Ich will andere Menschen besser machen und dabei kann ich gerne im Hintergrund bleiben.

Würden Sie denn als Sport-Vorstand ins operative Geschäft eingreifen?

Sobek: Ich sehe das als Miteinander, aber natürlich würden wir Leitplanken vorgeben. Unser Ziel ist, dass die Leute, die beim FC arbeiten, wirklich besser agieren können und besser wahrgenommen werden. Ob eine Idee dann von mir, von Nicole Bender-Rummler oder von Thomas Kessler kam, ist für mich sekundär. Es geht darum, dass der FC besser wird. Unser Vorteil als Vorstand wäre, dass wir nicht über einen sportlichen Berater Impulse weitergeben würden, sondern dass die Impulse direkt aus dem Vorstand kommen.

Wie sehen Sie die Arbeit von Thomas Kessler aktuell?

Sobek: Ich werde sicherlich bei Gelegenheit mit ihm sprechen, dann kann ich mir ein detailliertes Bild machen und erst im Anschluss würde ich – für mich und nicht öffentlich – seine Arbeit beurteilen. Ich kann aber schon jetzt sagen: Einige Entscheidungen finde ich überragend, wie zum Beispiel die Verpflichtung von Ron-Robert Zieler. Bei anderen Themen habe ich sicherlich auch mal Fragen: Warum sind Spieler aus unserem Kader nicht für so gut befunden worden, sodass man andere verpflichtet hat? Ich finde, wenn man jemanden verpflichtet, muss dieser Spieler deutlich besser sein als ein Spieler, den man aktuell im Kader hat.

Beispiel Julian Pauli?

Sobek: Ja, genau. Das ist eine besondere Situation, auch weil ich mit ihm in der U-Nationalmannschaft zusammengearbeitet habe. Da wären meine Fragen: Wie seht ihr seine Zukunft, wo seht ihr Defizite, wie kann man daran arbeiten oder was ist mit dem Spieler besprochen worden? Da würde ich als Sport-Vorstand nachhaken, aber am Ende ist immer der Sportdirektor für die Entscheidungen verantwortlich.

Ulf Sobeck, Jörn Stobbe und Jörg Alvermann (v.l.n.r.) stehen auf der Tribüne des Rhein-Energie-Stadions und posieren für ein Foto.

Ulf Sobeck (l.) möchte gemeinsam mit Jörn Stobbe und Jörg Alvermann den FC-Vorstand bilden.

In anderen Vereinen entsteht oft Unruhe, wenn ein Vorstand oder Ehrenpräsident sich einmischt – Beispiel Uli Hoeneß bei Bayern München. Wie kann man das verhindern?

Sobek: Es geht für mich vielmehr um einen konstruktiven Austausch, als um ein Einmischen. Wir vom Team FC wollen als Vorstand immer unterstützen, Ideen und Erfahrungswerte einbringen, um den FC weiterentwickeln zu können. Und all diese Gespräche sollen vertraulich hinter den Kulissen stattfinden. Was intern besprochen wird, bleibt intern.

Die Nachwuchsabteilung des FC ist ein Trumpf, Sie haben lange selbst dort gearbeitet. In der Tabelle ist Köln die Nummer 1, was Einsatzzeiten von jungen Spielern angeht. Wie gut kann man darauf aufbauen?

Sobek: Wir waren die Nummer 1 in der letzten Saison. Wenn der Kader jetzt so bestehen bleibt, dann landen wir nicht mal mehr im oberen Drittel in dieser Tabelle. In der vergangenen Spielzeit war das großartig, aber auch der Transfersperre geschuldet. Wir haben aber gesehen, dass es trotzdem funktionieren kann. Und jetzt muss man sehen, in welche Richtung der 1. FC Köln gehen will. War das jetzt ein Strategiewechsel? Da gibt es auch kein richtig oder falsch – aber wir müssen unseren FC-Weg finden. Und wenn es in einer Saison in der Nachwuchstabelle Platz 1 ist und ein Jahr später dann der letzte Platz, dann muss man überlegen, was man möchte. Wenn man im Nachwuchsbereich nicht die Nummer 1 sein will, dann muss man auch nicht so viel in den Nachwuchs investieren. Diesen Weg würden wir gemeinsam mit der sportlichen Leitung festlegen.

Welchen Weg befürworten Sie denn?

Sobek: Es gibt die Wahl zwischen „Make or Buy“ – also Talente ausbilden oder Spieler kaufen. Das sind die Eckpfeiler, die ich mit den Verantwortlichen festlegen möchte. Dass nicht in jedem Jahrgang drei eigene Talente dabei sind, ist auch klar, aber es muss schon eine Strategie über Jahre zu erkennen sein. Und wir können dann nicht sagen: Die Spieler sind noch nicht so weit. Dann müssen wir eingreifen: Warum sind die noch nicht so weit? Was hat denen gefehlt? Es ist unsere eigene Aufgabe, diese Spieler dann auch in den Lizenzbereich zu bringen.

Beispiel Fayssal Harchaoui, immerhin U17-Welt- und Europameister?

Sobek: Ja, wenn wir sagen, da ist noch eine zu große Lücke zwischen U19 oder Bundesliga, müssen wir vorgeben, wie wir diese Lücke verkleinern. Wir haben eine gute Jugendarbeit, wir sind deutscher Meister mit der U19 geworden. Das muss sich niederschlagen – in guten Erlösen oder Spielern, die in unserem Lizenzkader landen.

Haben Sie weitere konkrete Pläne im sportlichen Bereich im Fall einer erfolgreichen Wahl?

Sobek: Wir haben sehr gute Ansätze, was die Förderung von eigenen Spielern angeht. Das ist mit dem aktuellen Personalschlüssel nicht machbar. Wir wollen nicht den Trainerstab unendlich aufblähen, sondern sinnvoll optimieren. Ich orientiere mich zum Beispiel an einem Model des SC Freiburg: Die haben einen Verbindungstrainer. Wenn der in der U19 einen Spieler sieht, der sich ein halbes Jahr richtig gut präsentiert hat und voll reingehängt hat, dann kann er dem Cheftrainer sagen: ‚Ich möchte, dass der im nächsten Spiel auf der Profi-Bank sitzt.‘ Und dann sitzt er auf der Bank. Ob er spielt, entscheidet dann immer noch der Trainer. Aber das Signal an den Spieler ist enorm – der spielt dann die nächsten drei Jahre gerne für den Verein. Punktuell solche Dinge umzusetzen – das würde ich gerne mal im Verein diskutieren.

Wie kann man Spielerwerte entwickeln?

Sobek: Die Marktwertentwicklung war in den letzten sieben Jahren beim FC relativ konstant. Da kann man mit einer Umstellung, wie beim OSC Lille, einiges verbessern. Dort wurde das Scouting umgestellt, danach haben sie 30 bis 40 Millionen Euro an Plus erwirtschaftet. Dieses Geld kann man dann wieder in den Kader investieren. Ein gutes Scouting hat vier Basissäulen: Erstens: das Positionsprofil, was brauche ich überhaupt? Zweitens: weltweites Datenscouting, um den richtigen Spieler zu finden, bei dem noch nicht so viele die Hände dran haben. Drittens: Spielscouting, wo es um Details geht. Und viertens: das Live-Scouting, wo es auch um die Persönlichkeit des Spielers geht.

Entscheidend ist dann auch Einsatzzeit, oder?

Sobek: Ja, das ist natürlich entscheidend, den Marktwert steigert man nur, wenn die Spieler auch auf dem Platz stehen. Normalerweise sagt die Statistik, dass 15 Spieler in einem Kader 90 Prozent der Einsatzzeit haben. Bei den anderen muss man dann überlegen, wie man ihre Marktwerte entwickelt. Da muss man auch diskutieren, ob man in die Autonomie des Trainers eingreift. Es gibt Bundesligavereine, da ist das im Trainervertrag verankert. Der Trainer denkt natürlich kurzfristig und will das Spiel gewinnen, aber es gibt auch Verantwortliche im Verein, die denken über zwei oder drei Transferperioden. Wenn dann ein Spieler nicht im Schaufenster steht, dann kann ich den Marktwert nicht entwickeln. Wenn aber ein Talent acht Bundesliga-Einsätze absolviert und somit erste Erfahrungen gesammelt hat, dann hat er gleich einen ganz anderen Marktwert. Das Wichtigste ist natürlich immer der sportliche Erfolg, aber die Kaderwert-Entwicklung sollte man immer im Auge behalten.