Der vergessene FC-StarAndreas Gielchen: „Das ist ein Nuttengeschäft“

EX-FC-Profi Andreas Gielchen: Würden Sie ihn erkennen?

EX-FC-Profi Andreas Gielchen: Würden Sie ihn erkennen?

Köln – Er machte 131 Bundesligaspiele für den1. FC Köln, spielte im UEFA-Cup-Finale 1986, im DFB-Pokalfinale 1991, wurde unter Trainer Christoph Daum Vizemeister 1989 und 1990. Aber kaum jemand spricht noch von Andreas Gielchen (50). Das EXPRESS-Interview.

Herr Gielchen, sind Sie ein vergessener FC-Held?

Gielchen: Mich schreiben heute bei Facebook mehr Leute an, als dass ich auf der Straße erkannt werde. Auch in meiner aktiven Zeit war das Interesse schon eher unscheinbar. Im Mittelpunkt standen andere. Die Zeiten haben sich nun mal geändert. Wenn ich früher als Zehnjähriger ganz artig war, durfte ich zehn Minuten Sportschau gucken. Heute wird man mit Fußball im TV ja überschüttet. Die Spieler heute stehen viel mehr im Fokus als wir damals.

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Aber Sie haben doch die großen FC-Zeiten miterlebt, standen in europäischen und nationalen Finals, kämpften gegen die Bayern um die Meisterschale…

Na und? Rücklagen konnte ich keine generieren. Man kann die Verdienste mit heute nicht vergleichen. Früher spielten wir zum Teil vor 15.000 Fans, das Stadion hatte eine Tartanbahn. Heute ist das Ding voll, egal wer als Gegner kommt oder in welcher Liga der FC spielt. Ein Toni Schumacher hatte damals bei uns als Europameister-Torwart 250.000 Mark (125.000 Euro, d. Red.) im Jahr. Im Vergleich zu heute kann da nicht viel übrig bleiben. Wer heute geradeaus laufen kann, ist in der Bundesliga ja schon fast Millionär. Aber das ist okay, Sie würden die Kohle doch auch nehmen. Worum ich die FC-Spieler heute beneide, ist die Atmosphäre beim Einlaufen. 50.000 singen die Hymne, da geht mir der Kamm schon auf der Tribüne.

Was vermissen Sie heute?

Typen. Welcher Fußballer sagt denn heute noch die Wahrheit? Das ist ein Nuttengeschäft. Die Jungs sind heute alle angepasst. Sie als Reporter müssen fünf Anträge stellen, damit sich einer erbarmt, mit Ihnen zu reden. 1986 war das anders. Wenn ein Reporter dem Toni Schumacher so eine Frage gestellt hätte wie letztes Jahr der Boris Büchler dem Per Mertesacker nach dem Algerien-Spiel, hätte der den mit in die Eistonne genommen, drei Tage lang – aber Kopf unter! Früher wohnten die Journalisten bei uns im Hotel. Wenn der Udo Lattek sagte: ihr kriegt nur Infos, wenn Ihr noch einen mittrinkt an der Theke, dann war das Gesetz, und alle haben mitgezogen. Ich fand diese Zeit authentischer.

Denken Sie noch oft an Ihren früh verstorbenen Mitspieler Mucki Banach?

So einen vergisst man nicht. Mucki ließ sich von mir das kölsche Platt übersetzen. Er war immer positiv und hat das Fußballgeschäft nicht ganz so ernst genommen. Mit ihm konnte man in der dritten Halbzeit auch steil gehen.

Wie stehen Sie zum FC heute?

14 Jahre bin ich nicht ins Stadion gegangen.

Wieso?

Weil ich nach dem Pokalfinale 1991 nicht verabschiedet wurde. Das war mein letztes Spiel. Der einzige, der das registrierte, war Udo Lattek. Der sagte: „Andy, es ist dein letztes Spiel. Wenn wir das hier gewinnen, kriegst du 5000 DM Prämie mehr.“ Aber vom Verein kam absolut nichts. Im Gegenteil sollte mir meine Final-Prämie sogar vorenthalten werden. Das hat mich lange enttäuscht. 2005 hat dann ein Bekannter nach Karten fürs Stadion gefragt, und ich habe über Frau Latz wieder einen Draht in den Klub gekriegt. Seitdem gehe ich wieder hin.

Und was denken Sie über die aktuelle Truppe?

Letztens fragte ein Bekannter den Harald Konopka im VIP-Bereich: Wann knüpft der FC wieder an die alten Zeiten an? Er sagte: „Nie!“ Ich konterte: „Harald, überleg mal, wo Gladbach vor fünf Jahren war und wo die heute sind.“ Es kann alles schnell gehen. Möglich ist alles. Die Mannschaft hat einen besseren Kader als letztes Jahr. Alle Neuzugänge können Stammspieler sein.

War die Mannschaft in Ihrer Zeit besser?

Quatsch. Keiner von uns in der damaligen Form könnte heute mithalten, auch Toni Schumacher nicht. Sein Typ Torwart, der Manndeckertyp Jürgen Kohler und Libero Paul Steiner – alles ausgestorben. Jeder Spieler ist heute individuell viel besser ausgebildet.

Haben Sie gezockt oder andere dunkle Erfahrungen nach der Karriere machen müssen?

Mit Zocken hatte ich nie was am Hut. Zum Glück. Ich habe andere gesehen, die dieses Laster viel gekostet hat. Wie der Alkohol auch. Was mich selbst wurmt ist, dass ich mit 40 angefangen habe zu rauchen. Ich habe zum Physiotherapeuten umgeschult und bin aus dem Fußball raus. Es war die beste Entscheidung.

Nie Lust auf ein Traineramt gehabt?

Ich war am Ende meiner aktiven Zeit noch Spielertrainer. Aber sonntags ranzumüssen und dann Pöbeleien und Prügeleien auf dem Platz zu ertragen, war nicht mein Ding.