FC-Verlängerung & Titel-TraumBaumgart im Euro-Interview: „Wollen Weg zusammen weitergehen“

Steffen Baumgart trainiert den 1. FC Köln gegen den VfB Stuttgart.

Steffen Baumgart beim letzten Saison-Spiel des 1. FC Köln, am 14. Mai 2022 in Stuttgart

Steffen Baumgart spricht im ersten Teil des großen Saison-Abschlussinterviews mit EXPRESS.de über den Europapokal-Einzug und seine Vertragsverlängerung beim 1. FC Köln.

von Jürgen Kemper (kem)Martin Zenge (mze)

Diesem Mann liegt die ganze Stadt zu Füßen! Steffen Baumgart (50) hat den 1. FC Köln aus der Relegation in den Europapokal geführt, rund ums Geißbockheim eine Mega-Euphorie entfacht. Am Montag (16. Mai 2022) verabschiedete sich der Trainer in seinen wohlverdienten Sommer-Urlaub. Zuvor sprach Baumgart mit EXPRESS.de über Kölns Wahnsinns-Saison, das internationale Geschäft, seine Vertragsverlängerung, die Zukunft seiner Stars und vieles mehr. Der Erfolgscoach im XXL-Euro-Interview! Lesen Sie hier den ersten Teil.

Steffen Baumgart, haben Sie schon Ihren Europapokal-Anzug rausgesucht? Baumgart: Den Trainingsanzug vielleicht (schmunzelt). Nein, im Ernst, es bleibt beim Poloshirt. Nur, dass dann Hummel statt Uhlsport draufsteht. Und meine Schiebermütze behalte ich auch. Mit allem anderen wäre ich nicht ich selbst.

Hinter Ihnen liegt eine Wahnsinns-Saison mit dem FC. Vom Fast-Absteiger zum Europapokal-Teilnehmer. Sind Sie stolz auf sich?Baumgart: Ich bin niemand, der immer auf alles stolz ist. Ich freue mich einfach über den Erfolg und die Tabellensituation – das war so nicht abzusehen. Irgendwo in mir gibt es vielleicht auch ein Gefühl von Stolz, aber das ist nicht entscheidend.

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Steffen Baumgart: „Das ist der eigentliche Erfolg“

Hatten Sie den Europapokal bei Ihrer FC-Unterschrift bereits im Hinterkopf? Immerhin steht in Ihrem Vertrag eine Extra-Prämie fürs internationale Geschäft… Baumgart: Das ist normal für so einen Vertrag. Wenn ich wirklich gedacht hätte, dass wir so weit oben landen, hätte ich mir eine Champions-League-Prämie reinschreiben lassen (lacht). Dieser Vertragsbestandteil hat nichts damit zu tun, dass ich Europa erwartet habe.

Was haben Sie denn erwartet? Baumgart: Ich war von Anfang an überzeugt, dass wir besser Fußball spielen werden und ein besseres Ergebnis erreichen können als letzte Saison. Wären wir Zwölfer geworden, wären wir auch zufrieden. Dann wäre die Saison aber nicht so einfach gewesen, weil wir immer mit einem Bein mit dem Abstieg zu tun gehabt hätten. Das ist der eigentliche Erfolg: Dass wir von Anfang an in sicheren Fahrwassern waren.

Wie fällt Ihr Saison-Fazit über den Europapokal-Einzug hinaus aus?Baumgart: Ich freue mich vor allem, dass unser Weg funktioniert hat. Viele Dinge, über die wir gesprochen haben, sind eingetroffen. Ein paar Beispiele: Wir sind die Mannschaft, die mit die meisten Spiele über die Bank gewonnen hat. Wir sind auch die, die bis zur letzten Minute einen sehr intensiven Fußball spielen. Wir haben darüber gesprochen, dass wir Fehler riskieren – aber in der ganzen Saison haben wir nur drei Fehler gemacht, die zu Toren geführt haben. Wir haben mit unserem Weg viel mehr Punkte gewonnen als verloren.

Die beiden Geschäftsführer, die Sie verpflichtet haben, Alexander Wehrle und Horst Heldt, sind nicht mehr im Klub. Gab’s Glückwünsche zu Europa? Baumgart: Horst habe ich nach dem Spiel gegen Wolfsburg angerufen und mich bedankt. Man vergisst sehr schnell, wer hier alles mitgearbeitet hat. Wir können gerne kritisieren, was alles nicht lief, doch am Ende hat Horst viel für den bestehenden Kader getan. Über Alex, der diesen Verein neun Jahre geprägt hat, müssen wir gar nicht reden. Beide haben mich mit Jörg Jakobs zusammen vom FC überzeugt.

Steffen Baumgart und Christian Keller wollen „eine ganze Menge bewegen“

Erinnern Sie sich noch an Ihre Europapokal-Spiele als Profi?Baumgart: Eine Halbzeit mit Schwerin gegen Austria Wien. Und später in Ungarn, in Debrecen, ein paar Minuten mit Wolfsburg. Danach habe ich die Flatter gemacht, das war mein letztes Spiel für den VfL.

Das Duell mit der Austria fand am 19. September 1990 statt, vor nicht mal 900 Zuschauern. Sie wurden zur Halbzeit eingewechselt, bei den Wienern ein gewisser Peter Stöger ausgewechselt… Baumgart: Ich habe schon gehört, dass wir uns damals begegnet sind, aber wir haben keine Notiz voneinander genommen. Ich glaube, Peter Stöger und seine Wiener mussten sich nach dem Rückspiel entschuldigen, weil sie gegen einen Zweitligisten 0:0 gespielt hatten. Und ich kann Ihnen sagen: Dass wir vor nicht mal 900 Zuschauern gespielt haben, lag daran, dass das Spiel nach Rostock ins Ostseestadion gelegt wurde. Das war ein Witz. Wenn wir in Schwerin gespielt hätten, wären 20.000 dagewesen. Volle Hütte, und Wien hätte sich erst mal umgeschaut. Damit hat man uns ein Spiel geklaut.

Stöger ist mit 1616 Tagen im Amt, knapp viereinhalb Jahren ohne Unterbrechung, der Rekordtrainer des 1. FC Köln. Wäre es für Sie reizvoll, diese Marke zu knacken?Baumgart: Ja, aber im Fußball gibt es keine Perspektive auf drei oder vier Jahre. Es gibt nur weitermachen. Es ist kein Geheimnis, dass wir über eine Vertragsverlängerung reden. Das heißt aber nicht, dass ich dann vier, fünf Jahre schaffe. Wenn es klappt, ist es schön. Ich mache mir auf jeden Fall keine Gedanken darüber, hier wegzugehen.

Die Fans fiebern Ihrer Verlängerung entgegen. Haben Sie mit Christian Keller einen Zeitplan vereinbart? Baumgart: Wir sind uns erst mal einig, dass wir den Weg zusammen weitergehen wollen. Christian und ich sind der Meinung, dass wir hier eine ganze Menge bewegen können – und das wollen wir auch. Es ging noch nicht um Zahlen oder Laufzeiten, sondern darum, wie wir den Verein in der Zukunft sehen. Jetzt gehen die Gespräche ganz normal weiter, aber daran bin ich nicht beteiligt.

Jürgen Klopp hat seine Verlängerung in Liverpool so erklärt: „Ulla will bleiben. Also, was tust du als guter Ehemann, wenn die Frau bleiben will? Du bleibst." Den Spruch hat Ihre Frau auf Instagram geteilt...Baumgart: Sie fand den Satz einfach sehr gut, und sie selbst hat diesen Einfluss auch. Bei welchem Klub ich arbeite, ist schon meine Entscheidung, aber wir treffen sie gemeinsam. Meine Frau ist hier sehr glücklich und fühlt sich genauso wohl wie ich.

Dennoch: Erfolg weckt Begehrlichkeiten. Mussten Sie schon anderen interessierten Klubs absagen? Baumgart: Ich glaube, dass ich mich frühzeitig klar positioniert habe. Ich habe immer gesagt, dass ich den FC nicht übernommen habe, um nach einem Jahr zum nächstgrößeren Verein zu wechseln. Ich habe hier einen großen Klub und mit dem möchte ich Erfolg haben.

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Baumgart: „Will meine Leistung nicht am Europapokal festmachen“

Erfüllt sich mit dem Einzug in den Europapokal ein Traum Ihrer Trainer-Karriere? Baumgart: Ach, wissen Sie, viel zu viele Trainer sprechen nur darüber, was sie erreichen wollen. Das Einzige, wovon ich wirklich träume, ist das Pokal-Finale in Berlin. Mein erstes Ziel als Trainer muss sein, die Mannschaft besser zu machen. Wenn das klappt, kommen auch die Ergebnisse. Ich will meine Leistung aber nicht am Europapokal oder Titeln festmachen. Ich werde kein Trainer sein, der 20-Mal Meister wird. Warum? Weil ich nicht bei solchen Vereinen arbeiten werde. Aber es wäre doch schön, mit einem Verein wie den FC mal in die Nähe zu kommen.

Wie können Sie sich so sicher sein, dass Sie nicht für einen solchen Klub, sagen wir mal die Bayern, arbeiten werden? Baumgart: Ich will ja nicht weg hier. Noch mal: Mein Weg ist nicht, beim FC gute Arbeit zu machen, um dann mit einem anderen Klub Meister zu werden. Mein Weg ist, mit dem Verein das Größtmögliche rauszuholen – so lange wie möglich und so erfolgreich wie möglich. Ich finde es schwierig, zu sagen: Jetzt habe ich als Trainer eine gute Leistung gebracht, jetzt will ich nach Dortmund oder zu den Bayern. Man sollte immer auf den Verein gucken, nicht auf sich selbst. Warum soll es nicht möglich sein, mit dem FC erfolgreich zu sein? Alle haben uns belächelt, als ich Platz zwölf ausgerufen habe.

Worauf kommt es für den FC in der kommenden Saison an? Baumgart: Das Allerwichtigste ist, wieder eine stabile und gute Saison zu spielen. Das bedeutet nicht Platz sechs oder sieben, sondern sich in der Bundesliga zu etablieren. Und trotzdem geht es darum, diesen Verein so weit zu entwickeln, dass wir auch mal um andere Dinge spielen können.