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Die 70er-„Aufbaujahre“Als der Frauen-Fußball laufen lernte

1977 vor 7840 Zuschauern im Gladbacher Stadion: Die Mannschaften von Bayern München und Bergisch Gladbach 09 laufen zum zweiten Halbfinale (4:0) ein. Vorn Spielführerin Bettina Krug, Zweite von rechts ist Irmgard Stoffels.

1977 vor 7840 Zuschauern im Gladbacher Stadion: Die Mannschaften von Bayern München und Bergisch Gladbach 09 laufen zum zweiten Halbfinale (4:0) ein. Vorn Spielführerin Bettina Krug, Zweite von rechts ist Irmgard Stoffels.

Ein Traum: Es ist 18 Uhr, 75.000 schon vor dem Anpfiff enthusiastische Zuschauer füllen das Berliner Olympiastadion bis auf den letzten Platz. Die Bundeskanzlerin ist da. Auf dem Rasen legen die Spielerinnen aus Deutschland und Kanada die Arme um die Schultern der Nachbarin, manche schließen die Augen, manche singen die Nationalhymne mit, wahrscheinlich haben alle einen Kloß im Hals.

Heim-WM, Deutschland im Frauenfußball-Fieber, Silvia Neid, Birgit Prinz und Co. in aller Munde – man spürt den Respekt, der ihnen entgegengebracht wird. Und ich, Spielerin der 70er-„Aufbaujahre“, in denen der deutsche Meistertitel der größte überhaupt erreichbare Erfolg war, beklage wehmütig die Ungnade der frühen Geburt ...

Es fing an wie bei so vielen, die dem Fußball verfallen.

Alles zum Thema Leichtathletik

1960: Mein kleiner Bruder schleppt mich zum E-JugendTraining mit. Ich bin zehn und einziges Mädchen beim FC Roetgen. Meine Zöpfe stören nicht, erst als mein Busen das Fassungsvermögen der Jungs übersteigt, ziehe ich mich zurück – Richtung Leichtathletik.

1972: Ich habe beschlossen, Deutsche Meisterin zu werden. Bei Sprung und Sprint aber kommt niemand an Heide Rosendahl vorbei. Also zurück zum Fußball mit dem Hintergedanken: „Das können die anderen Frauen ja auch nicht.“ Erster Verein in Köln: TuRa 10. Problem: Wir ziehen uns beim Vereinsboss um – am Eigelstein, damals Kölner Kiez. Auf dem Weg zum Training sind die Angebote ziemlich eindeutig.

1973: Als Studentin jobbe ich im ASV-Klubheim, es ist Minirock-Zeit, ein Fremder spricht mich an: „Mit solchen Beinen müsstest du Fußball spielen können.“ Ich bin tief beleidigt, nehme aber sein Angebot an: Claus Lampe verspricht, mich immer zum Training der Bergisch Gladbacher Frauen zu chauffieren. Okay: Er ist der Trainer – und fährt einen goldenen Porsche!

1974 bis 1975: Steinchen im Knie sind als Erinnerung an die harten Jahre auf dem „Kradepohl“, unserem Aschenplatz in Dellbrück, geblieben. Spielen darf seinerzeit, wer da ist – also neben späteren Nationalspielerinnen wie Bettina Krug, Ingrid „die Wurst“ Gebauer oder Brigitte „Flocke“ Klinz auch Drei-Zentner-Bomberin Bobbie oder Sophie, von der lange niemand weiß, dass sie ziemlich schwanger ist. Wir kicken zwar nur 60 Minuten, auch mit leichteren Bällen – aber elf Spielerinnen sollten es selbst nach Ansicht des DFB schon sein.

Wahre Schönlinge wie Weltmeister Paul Breitner nörgeln, Frauenfußball beleidige ihr „Gefühl für Ästhetik“. Ständig wird gelästert, eine Frau, die Fußball spiele, müsse lesbisch sein. Ich werde (auch vom Freund) nur ständig gefragt: „Muss du unbedingt so deine Emanzipation beweisen?“ Der spätere Frauenfußball-Bundestrainer Gero Bisanz rät Tochter Maike, doch lieber Basketball zu spielen.

Stört uns alles nicht. Wir werden jedes Jahr Mittelrheinmeister, das (idiotische) Entscheidungsspiel um die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft gegen den Tabellenzweiten gewinnt dann aber immer der Bonner SC. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“-Reporter Hans Werheid schreibt uns trotzdem gegen heftige Widerstände im Verein ins herrliche Gladbacher Stadion hinein. Sein unwiderlegbares Argument: Besser als die SSG-Männer sind die allemal.

1976: Listigerweise „kaufen“ wir (womit eigentlich?) den Bonnern ihre Besten weg: Beverly Ranger, die 1975 das „Tor des Monats“ Juni schoss (wie blöd – gegen uns), Handballnationalspielerin Erika Neuenfeld und vor allem Spielertrainerin Anne Trabant, die uns zum ersten Meistertitel und dann in ungeahnte Höhen führen wird.

Mai 1977: Als (auch) SSG-Geschäftsführerin frage ich beim DFB an, ob wir einen Sponsor auf dem Trikot zeigen dürfen. Antwort: „Geht nicht, durch die Brust der Frau wird die Werbung verzerrt.“ Also verkaufen wir vor dem Halbfinale selbstgebackene Waffeln auf dem Gladbacher Wochenmarkt, um die Fahrt zu den Münchner Bayern finanzieren zu können.

25. Juni 1977: DM-Finale in Frankfurt! Unsere Gegnerinnen spielen für die NSG Oberst Schiel, einen Schützenverein, es regnet nasse Katzen, knapp 1000 Zuschauer säumen eine mit Gänseblümchen übersäte Wiese. Als wir davon frustriert zum Platz trotten, tröstet ein uns unbekannter alter Mann: „Wenn ihr gewinnt, schenke ich euch ein Schwein.“ Wir gewinenn 1:0 – Titel im Sack. Ziel erreicht. Sogar das Schwein kam (als Spanferkel) kurz nach meinem Rücktritt aus der Meistermannschaft an.

Was für eine Prämie gegen die 60.000 Euro, die unsere Nachfolgerinnen am 17. Juli für ihren dritten WM-Titel bekommen könnten...