Markus Lanz zufolge seien die Menschen „unglaublich genervt“ von der „apokalyptischen Rhetorik“ vieler Klima-Aktivisten. Dass dies Hassnachrichten und Stalking rechtfertige, will sein Podcast-Gast Luisa Neubauer jedoch nicht so stehen lassen.
„Den Schuh ziehe ich mir nicht an!“Lanz-Frage zu Fehlern der Klimabewegung pikiert Luisa Neubauer

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„Vor ein paar Jahren noch, Luisa, wart ihr Helden“, befand Markus Lanz im Gespräch mit Aktivistin Luisa Neubauer. (Bild: 2024 Getty Images/Sean Gallup / ZDF/Christian Bruch (Fotomontage))
„Warum spricht niemand mehr übers Klima?“, fragen sich Markus Lanz und Richard David Precht. Eine Antwort finden wollen sie gemeinsam mit Luisa Neubauer, die in der aktuellen Ausgabe ihres Podcasts „Lanz & Precht“ zu Gast ist - und die Einschätzung ihrer beiden Gesprächspartner nicht wirklich teilen kann.
Während Lanz überzeugt ist, dass das Thema Klima „eigentlich gar keine Rolle mehr“ spiele und „selbst die Grünen lieber über Russland reden als übers Klima“, warnt die Aktivistin vor einem Trugschluss: „Klar, verglichen mit 2019 wird heute weniger übers Klima gesprochen. Verglichen mit 2009 wird aber endlos öfter über das Klima gesprochen, geschrieben, referiert.“
Markus Lanz: „Vor ein paar Jahren noch wart ihr Helden“
Dass etwa die Besucherzahlen von Klima-Demos in den vergangenen Jahren deutlich gesunken seien, hänge in ihren Augen nicht mit mangelndem Interesse zusammen. Vielmehr hätten die Menschen das Vertrauen in die Politik verloren: „Gerade junge Menschen sagen: 'Hey, die hören doch ohnehin nicht auf uns, unsere Zukunft ist denen egal.'“
Markus Lanz hingegen beobachte „vor allen Dingen einen Kulturkampf“, der sich nicht zuletzt am Beispiel seines Gegenüber erkennen ließe: „Vor ein paar Jahren noch, Luisa, wart ihr Helden. Heute trittst du mit Personenschutz auf, wenn du öffentlich redest.“ Das gesellschafltiche Klima habe sich in den vergangenen Jahren „schleichend verändert und verschlechtert“, glaubt der ZDF-Journalist. „Mir tut das wirklich in der Seele weh.“
Luisa Neubauer hingegen stellt klar: „Personenschutz habe ich tatsächlich seit fünf Jahren. Den musste ich schon ganz am Anfang haben.“ Zudem habe sie „halt wirklich ein Stalker-Problem“, welches „anstrengend, nervig und gruselig“ sei.
Die 29-Jährige schildert weiter, wie sehr ihr Alltag durch den Hass gegen ihre Person in Mitleidenschaft gezogen werde: „Ich muss mir jeden Tag Gedanken darüber machen, ob irgendwer bei irgendeinem Familienmitglied von mir vor der Haustür auftaucht. Meine Uni bekommt irgendwelche Schreiben zu mir. Wer mir auf Instagram folgt, sieht, dass ich nie persönliche Fotos von Freunden teile - weil ich nicht will, dass die irgendwas abbekommen.“ Zudem führe sie jedes Jahr „viele, viele hunderte Gerichtsverfahren“.
Spielt das Klima „keine Rolle mehr“? - Neubauer: „Jeder Konzern hat irgendein Nachhaltigkeitsprojekt“
Lanz resümiert: „Da ist offensichtlich eine Bereitschaft mittlerweile zur Eskalation, die war vorher so nicht da.“ Mit Blick auf „Fridays For Future“ fragt er seinen Gast: „Würdest du sagen, sind da möglicherweise auch von eurer Seite Fehler passiert?“ Er selbst beobachte etwa immer wieder, dass „diese apokalyptische Rhetorik in der Klimafrage“ die Leute „unglaublich nervt“.
Neubauer räumt ein: Es gebe einiges, das „wir in der Klimabewegung in den letzten Jahren hätten anders machen sollen“. Die Flut an Hassnachrichten und Gewaltfantasien sei damit jedoch nicht zu rechtfertigen: „Wenn diese Männer im Internet Pläne schmieden, wie man mich irgendwo lynchen kann, dann weigere ich mich, zu sagen: 'Ach sorry, ich hätte nicht so doll über die Klimakatastrophe sprechen sollen.'“ Die 29-Jährige wird deutlich: „Den Schuh ziehe ich mir nicht an.“
„Um Gottes willen“, beschwichtigt Lanz, „den musst du dir auch nicht anziehen.“ Neubauer erklärt: „Gerade, was das Klima betrifft, müssen wir über Polarisierung sprechen und wie man uns wieder zusammenbringt.“ In dieser „wichtigen Debatte“ wolle sie „diese Frage von Personenschutz, von Hass und von Stalking“ jedoch „wirklich ganz doll ausklammern“.
Sie selbst halte der öffentliche Druck darüber hinaus nicht davon ab, sich weiter für den Klimaschutz einzusetzen. Dass dies inzwischen ohnehin auch möglich sei, ohne sich großen Protestbewegungen anzuschließen, wertet Neubauer als einen „paradoxen Erfolg“: „2019 war fast der einzige Weg, sich einzubringen, mit 'Fridays For Future' auf die Straße zu gehen. Heute ist das nicht mehr der Fall - weil jeder Konzern, jede Kirchengemeinde, jedes Krankenhaus irgendein Nachhaltigkeisprojekt hat.“ (tsch)