Markus LanzMüntefering rechnet knallhart ab: „Lafontaine hat das Ding systematisch zerstört“

Bei „Markus Lanz“ warnte Ex-SPD-Vizekanzler Franz Müntefering vor den Gefahren, denen Europa gegenübersteht. Zeitgleich äußerte er sich zur Krise seiner Partei.

Vor knapp einem Monat wurde Vizekanzler Lars Klingbeil erneut zum Vorsitzenden der SPD gewählt. Doch nur 64,9 Prozent der Delegierten stimmten beim Parteitag für ihn. Eine historisch niedrige Zustimmung - und auch Klingbeil musste zugeben, dass es ein für ihn „schwieriges Ergebnis“ sei.

ZDF-Moderator Markus Lanz wollte daher am Dienstagabend (23. Juli 2025) in seiner Sendung wissen, wie der ehemalige SPD-Kanzler Willy Brandt auf den heutigen Zustand der Partei blicken würde.

Müntefering: Lafontaine hat „systematisch die Regierungsfähigkeit der SPD zu Ende gebracht“

Ex-Vizekanzler Franz Müntefering, der selbst seit fast 60 Jahren SPD-Mitglied ist, antwortete prompt: „Willy neigte nicht zur Panik.“ Auch in seiner Zeit sei es der SPD manchmal schlecht gegangen: „Er würde sagen: Mut machen, man muss da durch. Die Welt verändert sich, wir ändern uns auch.“

Alles zum Thema Markus Lanz

Laut des SPD-Politikers sei die Welt mittlerweile „an sehr vielen Stellen anders und das macht sich auch bemerkbar für die Politik“. Die Klatsche für Lars Klingbeil beim diesjährigen SPD-Parteitag bezeichnete Müntefering in dem Zusammenhang als „nicht gerechtfertigt“, dass Klingbeil „nicht gewackelt“ habe, sei aber absolut richtig gewesen.

Politologin Andrea Römmele nickte zustimmend und ergänzte, dass die Delegierten die Kritik an Klingbeil besser hinter verschlossenen Türen hätten anbringen müssen „und nicht bei so einer Abstimmung. Weil diese Abstimmung trägt er ja ein Stück weit auch an den Koalitionstisch und ist da natürlich als SPD-Chef dann deutlich geschwächt“.

Dem konnte Linken-Politiker Gregor Gysi nur zustimmen. Er sagte: „Es war ein sehr schlechtes Wahlergebnis.“ Schadenfreude oder Mitleid empfinde Gysi jedoch nicht. Im Gegenteil - er forderte, dass die Partei wieder zur „alten SPD“ zurückkehren solle: „Im Vordergrund müssen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen.“

Linken-Politiker Gregor Gysi sprach sich bei „Markus Lanz“ gegen eine allgemeine Wehrpflicht aus. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Linken-Politiker Gregor Gysi sprach sich bei „Markus Lanz“ gegen eine allgemeine Wehrpflicht aus. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Andrea Römmele äußerte in dem Zusammenhang ihre Skepsis und merkte an: „Die SPD zurückzuführen zu den 35, 40 Prozent - ich glaube, das wird unter den Gegebenheiten, die wir heute haben, nicht mehr der Fall sein. Für keine der ehemaligen Volksparteien, auch für die Union nicht. Aber die Frage ist eben, ob man sie wieder stabilisieren kann und eben über die 20 Prozent bringt.“

Markus Lanz (links) diskutierte am Dienstagabend mit Ex-Vizekanzler Franz Müntefering (zweiter von links), Linken-Politiker Gregor Gysi (zweiter von rechts) und Politologin Andrea Römmele.  (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Markus Lanz (links) diskutierte am Dienstagabend mit Ex-Vizekanzler Franz Müntefering (zweiter von links), Linken-Politiker Gregor Gysi (zweiter von rechts) und Politologin Andrea Römmele. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Eine Steilvorlage für Markus Lanz, der über die Gründe für den Abstieg der SPD zu sinnieren versuchte. Ex-Vizekanzler Franz Müntefering gab prompt seinem ehemaligen Parteikollegen Oskar Lafontaine eine Mitschuld und sagte: „Lafontaine war bei uns. (...) Er wollte Kanzler werden. (...) Aber dann war er darüber sauer, dass er dann nur zweite Geige spielte und hat das Ding systematisch zerstört.“

Müntefering zog energisch weiter vom Leder und behauptete, Lafontaine habe mit seinem Vorgehen „systematisch die Regierungsfähigkeit der SPD zu Ende gebracht“.

Müntefering: „Freiheit muss jeden Tag neu erkämpft werden“

Nicht nur den Abstieg von Volksparteien wie der SPD thematisierte Markus Lanz am Dienstagabend. Er fragte seine Gäste auch: „Haben Sie Angst vor dem Krieg?“ Franz Müntefering reagierte nüchtern und gab zu, dass er definitiv „eine Sorge mit dem Blick nach vorne“ habe. „Freiheit muss jeden Tag neu erkämpft werden“, so der SPD-Politiker.

Politologin Andrea Römmele nickte und ergänzte, dass sich „die öffentliche Diskussion“ gerade wende, da plötzlich wieder über Wehrpflicht und Aufrüstung geredet werde.

Gregor Gysi zeigte sich in dem Zusammenhang nachdenklich und forderte ein gemeinsames Engagement der EU-Staaten, im Augenblick sei Europa „kein wirklicher Machtfaktor.“ Eine Aussage, der Franz Müntefering nur beipflichten konnte: „Europa ist in der Gefahr, selbst ein heißes Eisen zu werden und seine Souveränität und seine demokratische Stabilität zu riskieren.“

Trotz dieser Herausforderungen zeigte sich Gysi kritisch in Bezug auf eine allgemeine deutsche Wehrpflicht. Er sagte im Gespräch mit Lanz: „Im Augenblick, glaube ich, können wir die Bundeswehr verteidigungsfähig machen ohne Wehrpflicht. Aber wenn die Zeit käme, wo man sagt, es geht nicht mehr, dann würde ich es völlig anders regeln als früher.“ (tsch)