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Interview

Früherer „Tatort“-Kommissar„Bei der ARD stand ich auf der schwarzen Liste“

Stefan Jürgens 2023

Stefan Jürgens macht mal wieder sein (neues) Ding. Von Krimis hat er erstmal genug, jetzt darf es auch mal Liebe und Humor sein. Und Musik und Bühne macht er auch wieder mehr. Das Foto zeigt ihn im Oktober 2023.

Schauspieler und Musiker Stefan Jürgen hat mit uns über seinen Abschied von „SOKO Wien“, die „Tatort“-Zeiten und seinen Ruhepol in einem umgebauten Kuhstall gesprochen.

von Horst Stellmacher (sm)

Seine Qualität ist es, im richtigen Augenblick (meist überraschend) Schluss zu machen. So beendete Stefan Jürgens (61) seine Karrieren am Schauspiel Köln, bei „RTL Samstag Nacht“, als „Tatort“-Kommissar und jetzt bei der „SOKO Wien“ – und betrat stets Neuland.

Das hat dem Westfalen aus Unna immer gutgetan. Auch jetzt überrascht er, spielt an zwei großen Häusern Theater, geht im Herbst auf Tournee und zeigte sich jüngst im ZDF-Anti-Krimi „Dein perfektes Jahr“. Warum er das alles so macht, verrät er dem EXPRESS.

Stefan Jürgens: Als Kommissar kennt er sich mit Mörderjagd aus

Eine leichte, lockere Geschichte ist „Dein perfektes Jahr“. Warum haben Sie bei diesem Film mitgemacht?

Alles zum Thema Tatort

Stefan Jürgens: Weil er so angenehm leicht und unangestrengt daherkommt. Mit zwei Menschen, von denen man zu Beginn kaum vermuten kann, dass die zusammenpassen. Und doch kommt es anders. Die Situationen, die dazu führen, sind fein, komisch und auch sehr emotional. Und ohne diesen schon sattsam bekannten, zwanghaften Zug zum Happy End. Ohne Weichspülprogramm. Wie im Leben eben.

Klingt vielversprechend …

Stefan Jürgens: Was besonders reizvoll für mich war: Es ist kein Krimi! Nachdem ich mich 16 Jahre lang im „Tatort“ und bei der „SOKO“ fast nur mit Mördern beschäftigt hatte, wollte ich endlich wieder emotionale oder komische Stoffe drehen. Hier spiele ich einen etwas kauzigen, wohlhabenden Verleger, der wirkt, als sei er kurz davor, in seiner festgelegten Welt vollends einzuschlafen. Ich dachte, das ist die beste Gelegenheit, beides zu verbinden – Emotion und Komik.

Waren die vielen Jahre TV-Verbrecherjagd wirklich so nervend?

Stefan Jürgens: Ich war an dem Punkt, dass es genug ist. Ich suche meine Lust mittlerweile in anderen Stoffen. Ich spiele wieder viel Theater, mache mehr Musik, suche mir Filme aus, die andere darstellerische Herausforderungen bieten. Ich bin jetzt 60 – ich muss nicht immer dasselbe tun.

Schränken Schnüffeln und Schießen die Schauspiel-Arbeit ein?

Stefan Jürgens: Wenn man 14 Jahre in einer Serie spielt, ist man schon deswegen eingeengt, weil man für andere Dinge kaum noch Zeit hat. Man ist für andere Rollen kaum noch buchbar. Als ich zu erkennen gab, dass ich aufhören wollte, habe ich fast nur absagen müssen, weil ich nur Kriminalkommissare auf den Tisch bekam.

Stefan Jürgens: Sein „Kentucky schreit ficken“ wurde Popkultur

Abschiednehmen ist Ihr Schicksal und meist wird über Ihren Abschied lange gesprochen. Wie zum Beispiel bei „RTL Samstag Nacht“ ...

Stefan Jürgens: Stimmt. Das war ähnlich wie jetzt bei der „SOKO“. Da bekam ich nach Bekanntgabe meines Ausstiegs zwei Jahre lang fast nur die gleichen Rollen angeboten – immer nur komische. Ich kenn’ das schon. Da muss man durch (lacht).

Lassen Sie uns auf Ihre Abschiede zu sprechen kommen. Es ging los in Köln, oder?

Stefan Jürgens: Ja. Ich war am Kölner Schauspiel engagiert, hatte aber keinen Spaß mehr, ärgerte mich über den Intendanten und seine Entourage, saß als frustrierter Schauspieler in der Kantine, moserte. Ich war 30. In einem kurzen Moment geistiger Klarheit und wilden Aufbegehrens habe ich mich vom Theater weggedreht, mein Engagement für die nächste Spielzeit gekündigt. Gleich danach war Familienplanung angesagt. Super Timing! Aber Gott sei Dank hab ich an meinem Entschluss zu gehen festgehalten.

Was hat Sie damals gerettet?

Stefan Jürgens: Erst mein erster Spielfilm Nordkurve, ein toller Fußballfilm von Adolf Winkelmann, dann mein erstes Fernsehspiel und dann natürlich der Anruf von Hugo Egon Balder: „Ich möchte Sie gern mal kennenlernen, Herr Jürgens.“

Daraus wurde dann „RTL Samstag Nacht“, und Ihr Satz „Kentucky schreit ficken!“ ist heute Pop-Kultur. Warum haben Sie nach vier Jahren das Handtuch geworfen?

Stefan Jürgens: In solchen Situationen ist die Gefahr groß, dass alles zur Routine wird, einem immer mehr Leute reinreden, die alles besser wissen. Mein Wunsch wurde größer, anderes zu spielen. Also bin ich weg, wofür mich alle für verrückt erklärten.

Stefan Jürgens 1995

Lustig bei „RTL Samstag Nacht“: Die Sprüche von Stefan Jürgens („Kentucky schreit ficken“, „Darf ich Sie mal an die Beke titten?“) sind Kult. Das Foto zeigt ihn 1995.

Aber Sie hatten weiter Glück?

Stefan Jürgens: Glück gehört in meinem Leben dazu. Ich habe jeden Grund, dankbar zu sein. Nach „Samstag Nacht“ kam das Angebot, den Berliner „Tatort“ zu übernehmen. Vom Comedystar in die Königsklasse der TV-Unterhaltung. Das war schon was!

Sie ermittelten als Kommissar Hellmann. Warum das schnelle Ende?

Stefan Jürgens: Rausgetragen wurde ich da nicht. Wir waren ja erfolgreich. Ich habe aber gemerkt, dass die Chemie innerhalb des Teams nicht stimmte. Deswegen habe ich nach sechs Folgen den Vertrag nicht verlängert.

Mit „Tatort“ freiwillig aufzuhören, war Majestätsbeleidigung …

Stefan Jürgens: Das ist mir von den Medien auch um die Ohren gehauen worden. Einige Journalisten haben geschrieben, ich hätte aus Geldgier so gehandelt. Natürlich Quatsch. Ich habe sehr gutes Geld verdient, hätte nie der Gage wegen aufgehört. Trotzdem stand ich danach bei der ARD eine längere Zeit auf der schwarzen Liste. Aber man muss machen, was man für richtig hält.

Da ist es ja schon ein Wunder, dass Sie 14 Jahre bei der „SOKO Wien“ waren. Was war da anders?

Stefan Jürgens: Es war auch für mich unerwartet. Ich hatte nur ein oder zwei Jahre geplant. Es war ein gutes Team, wir haben wunderbar zusammengearbeitet. Und auch die Lebensumstände haben das sehr vereinfacht. Es war sehr schön, in Wien zu leben. Ich habe die Zeit dort sehr genossen. Bis dann das Gefühl der Routine zu groß wurde.

Stefan Jürgens 2022 mit seiner Freundin Bo Rosenmüller in Berlin

Stefan Jürgens kommt im August 2022 mit seiner Freundin Bo Rosenmüller zur Verleihung des Ernst-Lubitsch-Preises in Berlin.

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Stefan Jürgens: „Habe nie vorgehabt, auch meine Gefühle mit Vernunft zu verwalten“

Ist der Drang, was Neues zu entdecken, beziehungsfördernd?

Stefan Jürgens: Wenn man sich dem Leben offen gegenüberstellt, entwickelt man sich selbst auch meist weiter – und das muss nicht immer mit der Entwicklung des Partners einhergehen, den man liebt. Ich kenne das aus meinem Leben.

Ihre erste Ehe ist getrennt worden.

Stefan Jürgens: Ja, man lebt viele Jahre miteinander in dieser geradezu zwanghaften Annahme, dass zwei Menschen, die in Liebe zusammenkommen, ewig zusammenbleiben müssen. Wunderbar, wenn es klappt. Aber wenn die Bereitschaft, alles miteinander zu teilen, sich relativiert, weil sich auch die beiden Menschen weiterentwickelt haben, dann ist es aus meiner Sicht fatal, an irgendetwas festzuhalten. Die Ratio ist im Leben oft ein guter Ratgeber. Aber ich habe nie vorgehabt, auch meine Gefühle mit Vernunft zu verwalten.

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Sie spielen jetzt in Berlin „Tartuffe“, in Wien „Warten auf Godot“, beides manchmal hintereinander. Wie kriegen Sie das terminlich hin?

Stefan Jürgens: Ich reise zwischen Wien und Berlin meist mit dem Zug hin und her. Und zwischendurch mache ich meine Konzerte. Es ist eine schöne Lebensphase, die sich gerade anbahnt.

Wo ist Ihr Ruhepol?

Stefan Jürgens: Ich habe einen alten Bauernhof in Brandenburg, der so einsam ist, dass ich manchmal tagelang keinen Menschen auf der Straße treffe. Sehr angenehm. Ich lebe in Brandenburg, in meiner Mietwohnung in Berlin, habe eine temporäre Theaterwohnung in Wien. So oft ich kann, verziehe ich mich auf meine Scholle auf dem Land. Da habe ich während der Corona-Zeit den Rinderstall zum Klang-Stall ausgebaut und Online-Konzerte gemacht. In diesem Sommer wird er wieder ein Ort der Musik und des Theaters.

Stefan Jürgens: Theater, Comedy, Krimi, Ernstes – ein Multitalent

Stefan Jürgens (geboren am 26. Februar 1963 in Unna) besuchte die Schauspielschule Bochum. Es folgten Engagements an vielen großen Theatern (u. a. Schauspiel Köln). 1991 dann sein erster Spielfilm „Nordkurve“. Von 1993 bis 1998 in „RTL Samstag Nacht“ lustig unterwegs. Von 1999 bis 2000 Berliner „Tatort“-Kommissar Robert Hellmann. 2007 bis 2022 dann in der „SOKO Wien“ (als Major Carl Ribarski).

Er steht jetzt in Wien („Warten auf Godot“, Theater in der Josefstadt) und Berlin („Tartuffe“, Renaissance Theater) auf der Bühne. Für seinen General Harras in Carl Zuckmayers Stück „Des Teufels General“ (Theaterfestspiele Reichenau) erhielt er den Nestroy-Preis. Stefan Jürgens macht seit seiner Jugend Musik. Erstes Album 2002: „Langstreckenlauf“, seitdem fünf weitere Alben. Er hat vier Kinder, darunter die Schauspielerin Melissa Anna Schmidt.