Ein Mann, viele GesicherBenjamin Sadler: „Ich war so eine Art Luxusausländer!“

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Benjamin Sadler lebt heute in Berlin, dabei war die Stadt nicht unbedingt Liebe auf den ersten Blick für ihn. Heute mag er, dass die Stadt so chaotisch ist.

Berlin – Benjamin Sadler (48) – ein Mann, viele Gesichter, bei denen es oft schwerfällt, ihnen den Namen zuzuordnen. Mal Vollbart, mal glatt. Mal bitterböse, mal bieder – niemals langweilig.

Nach seinem Psycho-Mörder im Dresden-Tatort: „Das Nest“ im Frühjahr und dem nervenaufreibenden „Jenseits der Angst“, sehen wir ihn am 14. Oktober in „Ein verhängnisvoller Plan“ (ZDF). Dazu kann er sein 25-Jahre-Schauspiel-Jubiläum feiern. Viele Gründe für ein großes Interview.

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Benjamin Sadler und Reporter Horst Stellmacher.

Vor 25 Jahren begann Ihre Schauspielerkarriere in der Wörthersee-Serie „Drei zum Verlieben“. Wenn Sie zurückschauen: Haben Sie heute das erreicht, wovon Sie zu Beginn Ihrer Karriere geträumt haben? Benjamin Sadler: In dieser Zeit sind viele Dinge passiert, für die ich heute dankbar bin. Da ist vieles in Erfüllung gegangen. Aber es ist noch viel Luft nach oben, es gibt viele Dinge, die ich noch gern machen möchte. Das ist auch gut so: Wenn ich nicht mehr hungrig wäre, müsste ich es lassen.

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Wann war Ihnen klar, dass Sie Schauspieler werden wollen? Das kann ich gar nicht sagen. In der Schule habe ich immer schon Theater gespielt, mit Anfang 20 bekam ich die Chance, professionell zu spielen. Ich hatte großes Glück, dass es gleich funktioniert hat, und ich davon leben kann.

Was war entscheidend für Sie – Glück oder Talent? Es ist wie überall im Leben. Man braucht eine gewisse Begabung, die man umsetzen kann. Aber ohne Glück funktioniert nichts. Das vergessen wir leider oft. Schon, dass wir in der richtigen Zeit am richtigen Ort geboren wurden, ist Glück. Gute Arbeit und Ausdauer sind die Basis, aber das Glück ist doch eine wesentliche Zutat, um weiterzukommen.

Gab es eigentlich einen Plan B in Ihrem Leben? Ich hatte auch einen Studienplatz für Medizin. Und natürlich gibt es auch etliche andere Dinge, die mich auch interessieren. Zum Beispiel wird es für mich immer interessanter, Projekte mit zu entwickeln und neben dem Spielen auch produzentisch beteiligt zu sein.

Gibt es einen Film, auf den Sie besonders stolz sind? Natürlich bin ich sehr glücklich auf den Film „Contergan“…

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Auf seine Rolle im Zweiteiler „Contergan“ (2007) ist der Schauspieler bis heute besonders stolz.

…ein Zweiteiler des Kölner Produzenten Michael Souvignier, in dem Sie den Vater des contergangeschädigten Mädchens und Anwalt Paul Wegener spielen… Es ist eine ganz seltene Art von Film. Er ist sehr gut gelungen, und er hat – und das ist fast die Quadratur des Kreises – auch gesellschaftlich etwas bewegt. Das freut mich bis heute wahnsinnig. Weil ich den Machern sehr nahe bin, weil es ein langer Kampf war – das ist was Besonderes in meinem Leben. So etwas möchte ich gern wiederholen.

Sie haben in großen internationalen Produktionen mitgewirkt. Wie geht es da weiter? Ich habe gerade die internationale Serie „Shadowplay“ abgedreht, werde eine Netflix Produktion, die Phillip Koch entwickelt und geschrieben hat, drehen. „Tribes of Europe“ heißt das Projekt. Ich freue mich wieder auf eine neue, andere Welt.

Wir sehen Sie am 14. Oktober in „Ein verhängnisvoller Plan“. Warum sollen wir einschalten? Der Film ist zuallererst unterhaltsam und spannend. Und er erlaubt sich eine Hauptperson, die ambivalent handelt und so auch den menschlichen Makel deutlich zeigt. Es ist eine Geschichte, die keine Zeitverschwendung ist. Versprochen!

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Benjamin Sadler als Kommissar Jan Brenner im neuen ZDF-Film „Ein verhängnisvoller Plan“.

Sie wurden in Kanada geboren, sind viel unterwegs gewesen. Haben Sie noch kanadische Spuren in sich? Einige gibt es noch. Aber primär ist meine Familie aus England, das ist der größere Teil in mir. Ich glaube auch, dass wir alle auf verschiedenen Identitäten und Säulen stehen. Bei mir sind sie halt in mehreren Ländern und Kulturen verwurzelt. Dadurch empfinde ich mich noch mehr als Europäer, ich habe das Verbindende immer mehr gesehen als das Trennende.

Sie sind als Fremder nach Deutschland gekommen. Wie war es, hier Fuß zu fassen? Ich habe das Glück gehabt, dass ich schnell die richtigen Freunde fand. Das schützt einen. Dann ist das Ankommen sofort einfacher. Menschen machen einen Ort vertraut. Das ist das, was mich bindet und zugehörig fühlen lässt. Mehr als alles andere.

Sind Ihre Erfahrungen mit denen heutiger Flüchtlinge vergleichbar? Nein. Ich war ja kein Flüchtling. Ich sah auch nicht anders aus. Ich war eine Art Luxus-Ausländer. Viele Leute fanden mich interessant, sie konnten an mir ihr Englisch ausprobieren. Aber sich fremd zu fühlen kenne ich gut, deshalb ist es auch so wichtig, Menschen – vor allem, wenn sie aus Not ihr Zuhause verlassen mussten – menschlich in die Gesellschaft einzubinden. Heute mal wieder mehr als je zuvor.

Was brauchen Sie zum Runterkommen? Am besten meine Freunde und Familie. Mir ist Sport ganz wichtig, täglich eine Stunde Schwitzen ist ein Grundprogramm. Ich muss mich oft erst mal an mir selbst abarbeiten, um zur Ruhe zu kommen. 

Sie sind nach vielen Reisen in Berlin gelandet. Zufrieden? Es hätte schlimmer kommen können. Es war zuerst keine große Liebe zur Stadt – ich fand alles ziemlich hässlich. Ich war ja gekommen, weil es für meine damalige Freundin ein Ort war, der besser für sie passte. Mittlerweile mag ich Berlin gern – auch, weil es hier weiterhin unordentlich, in vielen Dingen chaotisch ist und sich alles verändert – und es wird auch wieder immer internationaler. Das entspricht ja auch meinem Zustand – ich bin beruflich auch gern auf der Suche und probiere aus. Stagnation ist das Ende.

Serien und große TV-Produktionen

Benjamin Sadler wurde am 12. Februar 1971 in Toronto, Kanada, geboren und kam 1976 nach Deutschland. Studiert hat er in London.

1994 spielte er mit bei „Drei zum Verlieben“ (elf Folgen). 1997 dann zu sehen in „girl friends“ (21 Folgen). Es folgten viele Rollen in Fernsehserien und Kinofilme, u.a. „Maria Magdalena“ (2001, als Johannes der Täufer).

Er ergatterte auch zahlreiche Hauptrollen in den TV-Filmen „Dresden“, „Untergang der Pamir“, „Das Wunder von Lengede“, „Contergan“, „Krupp – Eine deutsche Familie“ (2009, als Alfried Krupp von Bohlen und Hal-bach).

2011 war er in vier „Tatort“-Folgen der Mann, in den sich Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) verliebte. Er war bis 2008 mit der Schauspielerin Isabella Parkinson liiert, mit der er eine Tochter hat. Benjamin Sadler lebt in Berlin.