Alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Fahrrad geklaut. Viele Menschen, die in Großstädten leben, sind sogar schon mehrmals Opfer von Fahrraddieben geworden. Doch was passiert mit der Hehlerware? ZDF-Reporterin Megan hat eines der Räder bin nach Polen verfolgt.
Ich kann es echt kaum glauben“ ZDF-Reporterin verfolgt geklautes Fahrrad bis nach Polen

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In Polen trifft ZDF-Reporterin Megan auf den Verkäufer Adam - und auf Sebastians gestohlenes Fahrrad. (Bild: ZDF)
338 Millionen Euro Schaden durch Fahrraddiebstähle - das ist die erschütternde Bilanz für Deutschland im vergangenen Jahr. Obwohl die Anzahl der angezeigten Diebstähle zurückgeht, steigt die Schadenssumme weiter an. Negativer Spitzenreiter ist Bremen. Dort entstand 2024 ein Schaden von 1,4 Millionen Euro pro 100.000 Einwohner. Doch was kann man dagegen tun?
Damit beschäftigten sich die Reporterinnen Megan Ehrmann und Elena Münkerin in der ZDF-Reportage „Fahrrad geklaut: Undercover auf Hehler-Jagd“ (abrufbar in der ZDF-Mediathek). Dort treffen sie auf Jonathan, der erst kürzlich Opfer von Fahrraddieben wurde.
„Ich würde sagen, wir fahren da jetzt einfach mal hin“
Sein 2.000 Euro teures, neues Fahrrad wurde ihm während seiner Schicht an der Universitätsklinik Bonn entwendet. Jonathan ist sicher: „Das war definitiv irgendwann tagsüber, zwischen 8 und 18 Uhr“. Das ist gar nicht so ungewöhnlich. Denn auch tagsüber schlagen die Täter häufig zu.
„Wir haben Taten, wo tagsüber Sonntagmittags um eins eine Flex angesetzt wird. Die brauchen wirklich nur Sekunden“, erklärt eine Ermittlerin der Polizei Kiel. Bei ihrer Tat erwischt oder unterbrochen werden die Diebe oftmals nicht: „Teilweise stehen Unbeteiligte daneben und nichts passiert“, weiß die Polizistin zu berichten.
Jonathan will den Diebstahl nicht auf sich sitzen lassen. Er durchsucht mehrere Verkaufs-Plattformen im Internet und wird schließlich auf der polnischen Website „OLX“ fündig. Hier, so ist er sich sicher, wird sein geklautes Fahrrad in einer Anzeige zum Kauf angeboten. Laut Jonathan stimmen alle Details. Ob es sich letztlich tatsächlich um sein Rad handelt, lässt sich nur anhand der Rahmennummer feststellen.
Bei dem Verkäufer handelt es sich um einen Mann Namens Adam. Das Reporter-Team kontaktiert ihn - doch kurz darauf folgt die Ernüchterung. Adam erklärt, er habe das Fahrrad bereits weiterverkauft.
Wie sich herausstellt, war Jonathan nicht das einzige Opfer der Fahrrad-Diebe an seinem Arbeitsplatz. Zwei weiteren Mitarbeitern am Bonner Uniklinikum wurden ebenfalls die Räder geklaut. Und tatsächlich tauchen auch diese kurze Zeit später auf der polnischen Plattform in Adams Profil auf.
Reporterin Elena sucht nach dem Standort des Verkäufers und landet mithilfe der Fotos aus den Anzeigen und Google-Street-View tatsächlich einen Treffer: „Irgendwann konnte ich jedes Fotos aus den Anzeigen auf dem Gelände zuordnen“, berichtet sie. Es handelt sich um ein Gelände nahe der polnischen Stadt Łódź. Durch die Gewerbeanmeldung im polnischen Handelsregister stößt sie auf den dort vermerkten Familiennamen. Adams Familiennamen. Sie landet auf seinen Social-Media-Accounts und kann sich ein genaueres Bild von dem jungen Mann machen und staunt: „Ich kann es echt kaum glauben.“ Ihr Team beschließt: „Ich würde sagen, wir fahren da jetzt einfach mal hin.“
Reporterin Megan macht sich gemeinsam mit einem Übersetzer auf dem Weg nach Łódź, um Adam zu treffen. Sie gibt sich als Interessentin aus und filmt mit versteckter Kamera.
Verkäufer will von gestohlenen Fahrrädern nichts wissen
Zunächst präsentiert Adam ihnen ein anderes Rad. Auf die Nachfrage von Megan führt sie der junge Mann dann jedoch zu seinem Zuhause. Dort auf dem Parkplatz steht auf seinem Autodach das Fahrrad aus einer der Anzeigen. Megan ist sich sicher: Es handelt sich um das gestohlene Bike von Jonathans Kollege Sebastian.
Die Reporterin hakt bei dem jungen Polen nach: Wie kommt er an die vielen Fahrräder? Adam beteuert: „Ich habe einen Freund, der bringt mir die direkt aus Deutschland.“ Dieser Freund arbeite in Deutschland und würde die Räder regelmäßig auf Flohmärkten erwerben. Er betont ausdrücklich, dass es sich nicht um gestohlene Ware handelt. Die Journalistin bleibt skeptisch.
Adam lässt sie die Rahmennummer des Fahrrads scannen - Volltreffer. Es handelt sich tatsächlich um Sebastians Rad. „Ich hab gerade eine Testfahrt mit deinem Fahrrad gemacht“, berichtet Megan ihm im Anschluss am Telefon. Doch zurück bekommt Sebastian sein Fahrrad erst einmal nicht. Denn Hehlerware zu kaufen, wäre eine Straftat. Und das Rad einfach mitzunehmen, auch keine Option. Das Team wendet sich mit den gesammelten Beweisen sowohl an die polnische Polizei, als auch an die Polizei in Bonn.
Gemeinsam mit einer Streife der polnischen Polizei wollen sie Adam kurz darauf konfrontieren. Doch weder er noch sein Auto sind aufzufinden. Im Laufe der Recherschen des ZDF-Teams verkauft Adam online ganze zehn Fahrräder. Ob er wirklich nicht weiß, dass die Räder gestohlen sind, bleibt offen. Doch das Geschäft scheint sich zu lohnen: Allein der Verkausfwert der zehn Räder liegt bei etwa 12.000 Euro. (tsch)