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Geheime ReiseVon der Leyen in der Hölle von Butscha – sie steht fassungslos vor einem Massengrab

Reisen in Kriegsgebiete kennt Ursula von der Leyen aus ihrer Zeit als Verteidigungsministerin. Aber was sie im Kyjiwer Vorort Butscha sieht, bringt auch sie an ihre Grenzen.

Als erste westliche Spitzenpolitikerin hat sich Ursula von der Leyen ein Bild vom Grauen in Butscha gemacht. Die EU-Kommissionspräsidentin reiste in einer mehr als zehnstündige Zugfahrt durchs Kriegsgebiet, um der Opfer zu gedenken. Und der Ukraine Solidarität zu demonstrieren.

Fassungslos steht sie am Freitagnachmittag, 8. April 2022, vor 20 Leichen, jede in einen schwarzen Plastiksack verpackt, nebeneinander aufgereiht auf dem schlammigen Untergrund. Die toten Körper von 20 Einwohnern Butschas waren bis vor wenigen Stunden oder Tagen in einem Massengrab verscharrt. Jetzt versuchen Ermittler aufzuklären, was in der zu trauriger Bekanntheit gelangten Kleinstadt passiert ist.

„Jetzt kann die ganze Welt das wahre Gesicht Russlands sehen“, sagt der uniformierte Mann, der von der Leyen über das Gelände führt. „Wir wussten jahrelang davon. Aber jetzt kann die ganze Welt bezeugen, was wir hier erleben mussten.“

Alles zum Thema Wolodymyr Selenskyj

Von der Leyen findet kaum Worte. Es werde die Wunden nicht heilen, sagt sie, aber: „Die ganze Welt trägt Trauer, nach allem, was hier passiert ist.“ In einer orthodoxen Kirche zündet sie zusammen mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und dem slowakischen Ministerpräsidenten Eduard Heger Kerzen für die Opfer an - mit versteinertem Gesicht steht sie da.

Butscha-Massaker: Von der Leyen erste westliche Spitzenpolitikerin vor Ort

Von der Leyen ist die erste westliche Spitzenpolitikerin, die Butscha nach dem Massaker besucht, das erst vor einer Woche bekannt geworden ist. Die Erwartungen sind entsprechend hoch in der Ukraine, die seit mehr als sechs Wochen in einem umfassenden Krieg mit Russland ist. Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Regierung dringen immer vehementer auf stärkere Unterstützung durch den Westen.

  • In eigener Sache: Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges sehen wir Tag für Tag furchtbares Leid. Diese Bilder lassen auch uns nicht unberührt. Als Nachrichtenredaktion bilden wir die Geschehnisse realistisch ab. Wir verzichten darauf, Fotos von Toten oder verletzten Menschen zu zeigen. Im Fall von Ursula von der Leyens Besuch an einem Massengrab in Butscha haben wir uns für eine Veröffentlichung entschieden, um Zeugnisse der Kriegsverbrechen zu dokumentieren.

Sollte es kein „wirklich schmerzhaftes Sanktionspaket“ und keine Lieferung der von Kyjiw geforderten Waffen geben, werde Russland dies als „Erlaubnis zum Vormarsch“ sehen, warnt Selenskyj vor der Ankunft von der Leyens. Und sein Außenminister Dmytro Kuleba sagte am Vortag als Gast beim Nato-Außenministertreffen: „Entweder Sie helfen uns jetzt, und ich spreche von Tagen, nicht von Wochen, oder Ihre Hilfe wird zu spät kommen.“ Dann würden viele Menschen sterben, viele Zivilisten ihre Häuser verlieren und viele weitere Städte und Dörfer zerstört.

Noch während von der Leyen auf dem Weg ist, wird ein Raketenangriff auf einen Bahnhof in der ukrainischen Stadt Kramatorsk bekannt. Nach offiziellen Angaben sterben 50 Menschen, unter ihnen 5 Kinder. Sie wollten in Züge einsteigen, um in sicherere Gebiete zu fahren.

Ukraine-Krieg: Von der Leyen demonstriert große Solidarität

Von der Leyen weiß all das. Und sie demonstriert große Solidarität mit der Ukraine. Der Besuch in Butscha solle ein „deutliches Zeichen“ an das tapfere ukrainische Volk sein, dass man an seiner Seite stehe und es wo immer möglich unterstütze. Die Ukrainer kämpften für die gemeinsamen Werte und dafür, dass die Demokratie über die Autokratie siegen werde. Mit Blick auf die Gräuel von Butscha spricht sie vom „grausamen Gesicht von Putins Armee“, von „Rücksichtslosigkeit“ und „Kaltherzigkeit“.

Natürlich zählt von der Leyen auch auf, was die EU bereits für die Ukraine tue: Waffen für die Armee; Sanktionen, die Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen sollen; Hilfe für die Millionen Binnenvertriebene und Flüchltinge.

Und dann ist das noch die große Frage nach dem EU-Beitritt der Ukraine. Der Krieg war nur wenige Tage alt, da hatte Selenskyj schon den Beitrittsantrag nach Brüssel geschickt. Von der Leyen will den Ukrainern Hoffnung machen - kann zugleich aber kaum konkrete Zusagen machen. Sie werde mit Regierungschef Denys Schmyhal und Präsident Selenskyj an dem Beitrittsprozess arbeiten, sagt sie. Und dass man alles tun werde, um die Ukraine dabei zu unterstützen, die notwendigen Schritte zu unternehmen. Entscheiden kann von der Leyen in der Sache ohnehin kaum etwas. Ihre Behörde prüft zwar gerade mit Hochdruck den Antrag der Ukraine. Entscheidungen liegen danach jedoch bei den 27 EU-Staaten - und müssen einstimmig getroffen werden.

Begonnen hat von der Leyens Reise in der Kleinstadt Przemysl, im Südosten Polens, nur 13 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Dort kommen immer noch jeden Tag Tausende Flüchtlinge aus der Ukraine an, zu Hochzeiten waren es auch mal mehr als 100 000. Von ihnen sieht von der Leyen dort nichts, sie wird direkt auf den Bahnsteig geleitet, auf dem ihr Sonderzug abfährt. Fünf Waggons, für die Kommissions-Delegation, den slowakischen Ministerpräsidenten Eduard Heger und einige EU-Parlamentarier.

Ukraine-Krieg: Geheime Reise im Sonderzug durchs Kriegsgebiet

Mitten in der Nacht geht es los. Die Fenster werden abgedunkelt, über die genaue Route wird geschwiegen. Überhaupt soll so viel wie nur möglich über diese Reise geheim gehalten werden – aus Sicherheitsgründen. Nach einer guten halben Stunde erreicht der Zug die Grenze zwischen Polen und der Ukraine, zwischen der EU und denen, die noch nicht dabei sein dürfen. Zwischen Frieden und Krieg. Die ukrainische Zöllnerin sagt nach der Passkontrolle „good luck“ - „viel Glück“. Dann geht es mehr als zehn Stunden durchs Kriegsgebiet, wo von der Leyen auch Präsident Selenskyj an einem geheimen Ort treffen wird.

Von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Borrell kommen nicht mit leeren Händen. Gerade erst hat die EU ein umfangreiches Paket mit neuen Sanktionen gegen Russland beschlossen. Erstmals wurde auch ein Energieembargo beschlossen. Mit einer Übergangszeit von vier Monaten soll keine russische Kohle mehr in die EU importiert werden.

Borrell zeigt sich zuversichtlich, dass die EU-Staaten seinem Vorschlag folgen, der Ukraine weitere 500 Millionen Euro zur Unterstützung der Streitkräfte zur Verfügung zu stellen, insgesamt wären es dann 1,5 Milliarden Euro. Und der slowakische Regierungschef Heger verkündet überraschend, dass sein Land der Ukraine sein S-300-Flugabwehrsystem schenken werde - ein System, das mit präziser Lenktechnik gegnerische Flugzeuge oder Raketen zerstört.

Für Borrell ist diese Reise, an der nur wenig gewöhnlich ist, auch ein Zeichen der Normalität. „Sie zeigt, dass dieses Land immer noch von den Ukrainern kontrolliert wird“, sagt der Spanier. Man könne nach Kyjiw reisen und dort gebe es eine Regierung, die in der Lage sei, Menschen von außerhalb zu empfangen. (dpa)