Klimagruppen kontra StaatGewalt als einzige Lösung? Kommt endlich zur Sache – Ein Kommentar

Polizisten und Demonstranten stehen sich bei der Demonstration von Klimaaktivisten am Rande des Braunkohletagebaus bei Lützerath gegenüber.

Am 14. Januar standen sich Klimaschützer und die Polizei in Lützerath gegenüber.

Das Ende von Lützerath wird auch ein Anfang sein. Doch der Anfang wovon? Vom ernsthaften Kampf für eine lebenswerte Erde oder vom Konflikt zwischen Staat und Protestbewegung? Unser Autor hat eine klare Forderung.

von Alexander Haubrichs (ach)

Jetzt sind also auch „Pinky & the Brain“ Geschichte. Die beiden Tunnelbesetzer gaben am Montag (16. Januar 2023) auf. Sie waren die letzten Aktivisten, die den Weiler Lützerath räumten, der nun in den kommenden Tagen von RWE dem Erdboden gleichgemacht wird.

Es wäre für alle Seiten die Gelegenheit, für einen Moment innezuhalten und sich selbst zu reflektieren. Die Aktivistinnen und Aktivisten etwa: War es klug, die Polizeikräfte mit Steinen und einigen wenigen Molotow-Cocktails zu empfangen, wenn doch ganz offensichtlich der friedliche Protest im Vordergrund stehen sollte?

Lützerath: Klimaaktivisten müssen ihre Aktionen hinterfragen

Mit den Bildern der brennenden Barrikaden lieferte man nur allzu leichtfertig interessierten Kreisen den optischen Hintergrund, um sie als „Klimaterroristen“ zu diffamieren. War es die richtige Strategie, während der Demo die Konfrontation zu suchen oder hätten Bilder von 35.000 friedlichen Protestierenden nicht mehr bewirkt?

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Die Politik aber könnte sich hinterfragen, ob es angesichts der kaum vierstelligen Zahl an Lützerath-Besetzerinnen und -Besetzern wirklich eines derart irrwitzigen Aufgebots an Beamtinnen und Beamten gebraucht hätte.

Wie es sein kann, dass in derartiger Vielzahl Videos von roher Gewalt von Einsatzkräften gegen Demonstrierende auftauchen? Oder ob es wirklich nötig ist, dass Bilder um die Welt gehen, wie die Klima-Ikone Greta Thunberg von deutschen Staatsdienern über einen Acker geschoben wird? Verglichen mit den Protestbewegungen der Anti-Atomkraft-Bewegung in den 80ern war das Vorgehen der Lützerath-Demonstrierenden jedenfalls vergleichsweise harmlos.

Bei „Anne Will“ kam am Sonntagabend (15. Januar 2023) das ganze Dilemma wieder zum Vorschein. Es wurde weitestgehend nur über Gewalt gesprochen. Luisa Neubauer kam kaum ein Wort der Kritik an den extremen Kräften in ihren Reihen über die Lippen.

NRW-Innenminister Herbert Reul lobte das Vorgehen seiner Beamtinnen und Beamten als „hochprofessionell“ – obwohl von mehreren Schwerverletzten die Rede ist. Der Minister behauptet, Steine und Molotowcocktails seien bei den Auseinandersetzungen geflogen, dabei gibt es dafür mit Ausnahme von Tag eins keinerlei Belege.

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Reul gestand ein, dass einige Videos „nicht so gut aussehen“, doch das reflexhafte Verteidigen der Polizeikräfte beim Minister kennt man bereits aus dem Vorfall mit dem niedergeschossenen jugendlichen Migranten aus Dortmund. Und die Aufarbeitung der Gewaltfälle wird durch die dank Reul aufgehobene Kennzeichnungspflicht der Beamtinnen und Beamten mehr als schwierig.

Sowohl er als auch Neubauer hantierten mit ihren jeweils eigenen Zahlen. Während der Minister stets aussprechen durfte, fuhr Anne Will der „Fridays for Future“-Anführerin allerdings ständig in die Parade.

Der Sache dient all das nicht mehr, die Situation ist verfahren, über den richtigen Weg wird kaum noch diskutiert. Viele Bürgerinnen und Bürger werden sich fragen: Reicht es nicht jetzt langsam mit der Protestiererei? Die Polizeikräfte solidarisieren sich untereinander. CDU und FDP fördern den Konflikt, und beschuldigen die „linksgrünen Parteien“, sich nicht genug von den „Radikalen“ zu distanzieren.

Lützerath: Klimaaktivisten werden weitermachen

Die Klimabewegung kann und wird nicht aufhören mit Aktionen, solange die Politik nicht ernsthafte Schritte hin zum Erreichen der Pariser Klimaziele unternimmt. Nicht nur in den Augen der Demonstrantinnen und Demonstranten hat der Staat am Niederrhein das Interesse eines Konzerns gegen die Interessen von Menschen durchgedrückt. Sie werden sich weiter wehren.

Deshalb könnte Lützerath nicht das Ende sein – sondern ein Anfang. Schließlich war es ein eindrucksvolles Zeichen, dass sich so viele Menschen an die hässliche Tagebau-Narbe von Garzweiler aufgemacht haben, um gegen RWE zu demonstrieren. Ob es der Anfang von einem Miteinander für eine lebenswerte Umwelt oder einen immer schärferen Konflikt zwischen Klimabewegung und Obrigkeit war, das wird erst die Zukunft zeigen. Zu wünschen wäre, dass alle endlich zur Sache kommen. Und die Sache ist die Rettung des Planeten!