Kurz nach einer lebensgefährlichen Attacke auf einen Zwölfjährigen in Berlin wurde in Remscheid (NRW) ein 13-Jähriger mit einem Messer schwer verletzt. Beide mutmaßliche Täter sind minderjährig. Welche Folgen hat das?
Brutale Fälle schockierenMesserstechereien unter Kindern – was passiert mit den Tätern?
Nimmt die Gewalt unter Kindern dramatisch zu? Aktuell schockieren zwei Fälle, in denen Schüler brutal aufeinander losgegangen sind und durch Messerstiche schwer verletzt wurden. Und es stellt sich die Frage: Welche Folgen hat das – für die strafunmündigen Kinder und für die Gesellschaft?
In Remscheid war ein elf Jahre alter Junge von einem 13-Jährigen bei einer Auseinandersetzung mit zwei Messerstichen ins Bein verletzt worden. In Berlin soll ebenfalls am Donnerstag (22. Mai 2025) ein 13-Jähriger einen Mitschüler mit einem Stich in den Oberkörper schwer verletzt haben. Mittlerweile wurde der mutmaßliche, junge Täter gefasst.
Nach Angriff an Schule: 13-Jähriger noch immer verschwunden
Bei der Attacke in Remscheid soll der Elfjährige zunächst mit einem unbeteiligten Begleiter vom Tatort in der Innenstadt von Remscheid geflohen sein, aber später bei der Fahndung angetroffen und der Kriminalpolizei übergeben worden sein.
Dagegen ist der 13-jährige Verdächtige nach dem Angriff auf ein Kind an einer Berliner Schule nach Polizeiangaben weiterhin verschwunden. Das Opfer wurde nach Angaben der Polizei in einem Krankenhaus operiert. Sein Zustand soll stabil sein. Eine Mordkommission übernahm die Ermittlungen.
In Deutschland gelten Kinder unter 14 Jahren als nicht strafmündig. Was passiert dann aber mit ihnen, wenn sie zum Beispiel auf andere Kinder einstechen?
Vor Gericht kommen werden die Jungen deshalb aber nicht - denn juristisch betrachtet sind sie noch Kinder. Strafrechtliche Konsequenzen wird ihr Verhalten also nicht haben. Was aber geschieht in solchen Fällen?
Ab wann können Kinder strafrechtlich belangt werden?
In Deutschland gelten Kinder unter 14 Jahren als nicht strafmündig. Es wird davon ausgegangen, dass sie die Folgen ihres Handelns noch nicht ausreichend überblicken. Deshalb werden Kinder selbst bei einem Tötungsdelikt nicht strafrechtlich verfolgt, sie können nicht vor Gericht gestellt und nicht verurteilt werden.
Heißt das, dass die Polizei gegen Kinder nicht ermittelt?
Nein. Zwar wird kein formelles Strafverfahren eingeleitet, die Polizei ermittelt jedoch in solchen Fällen ganz normal weiter. Das heißt, Zeugen werden wie sonst üblich befragt und Spuren gesichert, um zu klären, was genau passiert ist - und ob möglicherweise ältere, strafmündige Menschen an der Tat beteiligt waren. Dazu darf das Kind zur Dienststelle mitgenommen und befragt werden. Auch eine Durchsuchung ist möglich.
Am Ende der Ermittlungen steht allerdings nicht eine Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft dazu, ob beispielsweise Anklage bei Gericht erhoben wird. Das Verfahren wird eingestellt.
Dann gibt es keinerlei Konsequenzen?
Doch. Das zuständige Jugendamt wird in solchen Fällen einbezogen oder auch der sozial-psychiatrische Dienst. Die Polizei kann Empfehlungen aussprechen, welche Maßnahmen aus ihrer Sicht sinnvoll erscheinen. Über Konsequenzen muss dann aber das Jugendamt entscheiden. Bei Straftaten in der Schule ist auch die Schulverwaltung gefragt.
Welche Maßnahmen sind möglich?
Das hängt stark vom Einzelfall ab. Es geht dabei nicht um Strafe, sondern um Unterstützung. Vielleicht braucht das Kind eine psychiatrische Behandlung, unter Umständen auch in einer geschlossenen Einrichtung. Denkbar ist auch, dass die Eltern Hilfe bei der Erziehung bekommen. Das Kind kann auch eine Zeit lang in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie untergebracht werden. Für eine Trennung von den Eltern gegen deren Willen sind die rechtlichen Hürden jedoch recht hoch.
Kommt es häufig vor, dass Kinder zu Tätern werden?
Nach Zahlen aus Berlin steigt die Zahl von Kindern, die wegen Straftaten auffallen. Im Jahr 2023 wurden von der Polizei 5.200 Jungen und Mädchen als mutmaßliche Täter erfasst, wie aus einer Antwort des Senats auf eine AfD-Anfrage hervorgeht. Konkret waren es 3.550 Jungen und 1.650 Mädchen, die jünger als 14 Jahre alt waren.
Die höchsten Zahlen gab es bei den 12- und 13-Jährigen. Aber auch bei den Elfjährigen wurden rund 750 mutmaßliche Täter registriert, bei den Zehnjährigen waren es noch knapp 500. Meist ging es um Körperverletzungen, aber auch Raub, Messerangriffe und sexuelle Nötigung kamen vor.
Bundesweit für Entsetzen sorgte vor zwei Jahren der brutale Tod einer Zwölfjährigen in Freudenberg in Nordrhein-Westfalen, deren Leiche viele Messerstiche aufwies. Zwei Kinder, Mädchen im Alter von damals 12 und 13 Jahren, gestanden die Bluttat.
Wie halten es andere Länder mit der Strafmündigkeit?
Wie aus einer Aufstellung des wissenschaftlichen Diensts des Bundestags aus dem Jahr 2019 hervorgeht, beginnt in mehr als der Hälfte der EU-Staaten die Strafmündigkeit mit 14 oder 15 Jahren. In Portugal beginnt die Strafmündigkeit erst ab 16 Jahren. In Polen ist man ab 17 strafmündig, für ausgewählte Straftaten wie Mord oder Entführung können aber auch 15-Jährige bestraft werden.
In den Niederlanden liegt die Altersgrenze dagegen bei zwölf Jahren. In der Schweiz sind Kinder schon ab dem 10. Geburtstag strafmündig. In den USA ist die Regelung von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich.
Auch in Deutschland wird immer wieder über die Altersgrenze diskutiert. In der Regel geht es dabei um Forderungen, die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre abzusenken. (dpa)