Knorrig, aber immer geradeaus: Bestsellerautor erklärt, wie das Sauerland (Merzland) tickt.
Dat is' Liebe, woll?!Bestsellerautor erklärt das Sauerland – und wo Kanzler Merz bar bezahlt

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Die Redensart „Die Kirche im Dorf lassen“ trifft auf Schmallenberg zu. Doch auch im katholisch geprägten Sauerland nehmen mittlerweile Kirchenaustritte zu.
„Mehr Sauerland wagen“, war der Wahlkampfslogan des jetzigen Bundeskanzlers Friedrich Merz (69). Aber was heißt das eigentlich? Wohl kaum ein Landstrich in Deutschland hat schon aufgrund seines Namens solch ein Imageproblem wie das Sauerland. Sauertöpfisch, stur? Von wegen! Bestsellerautor Peter Prange (69) „kommt von da wech“ und verrät im EXPRESS, was seine „Landsleute“ auszeichnet.
Peter Prange studierte einst an der Sorbonne, lebt mittlerweile in Tübingen, kommt aber regelmäßig zum Schützenfest nach Altena („der Willi reist sogar jedes Mal aus Australien an“). Der Autor und Philosoph weiß, wie er am liebsten sterben würde: „Beim Singen der Sauerland-Hymne als Schützenbruder auf der Bühne tot umfallen.“ Echt, klingt schon etwas spießig, oder?
Typisch Sauerland: Eine gewisse „Derbheit“
Prange nimmt seine Landsleute – und Friedrich Merz, mit dem er schon vor Jahren im Buch „Sauerlandität“ verewigt wurde, in Schutz: „Uns zeichnet schon eine gewisse Derbheit aus. Da haut man dem anderen zur Begrüßung auf die Schulter und sagt: ‚Ey, wie geht es dir, Blödmann?‘“. Lasse man das nächste Mal den Blödmann weg, sei der andere regelrecht beleidigt: „Bin ich dir nicht mal mehr einen Blödmann wert?“
Peter Prange hat dem Sauerländer unter anderem im verfilmten Bestseller „Unsere wunderbaren Jahre“ ein Denkmal gesetzt. „Der Sauerländer ist immer geradeaus und sagt, was er denkt. Und tut meistens auch das, was er sagt.“

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Links: Friedrich und Charlotte Merz beim Wahlkampf in Eslohe. Foto rechts: Peter Prange beim Schützenfest. Die Mütze ist vom Papa.
Nun ja, wenn er nicht wie Friedrich Merz aufgrund widriger Umstände schon vor Regierungsantritt ausgebremst wird. Und der Sauerländer hasst es, genau wie der Westfale, Schulden zu machen: „Friedrich Merz hat bei meinem Cousin Achim ein Fahrrad und einen Rasenmäher gekauft und immer bar bezahlt“, schmunzelt Prange und attestiert seinen Landsleuten vor allem einen „gesunden Menschenverstand. Wir sind handfest, nicht ideologisch verbrämt es sei denn, wir reden über Schalke.“
Denn im Sauerland wählt man vorzugsweise CDU und hält Borussia Dortmund die Treue bis zum Tod, sagt er. Trifft zumindest für Merz zu, aber ähnlich wie in der Politik ist das Völkchen da wohl doch gespalten. Laut Umfragen gibt es sehr wohl Schalke-Fans, auch einige versprengte Mönchengladbach- oder FC-Köln-Anhänger, woll! „Woll“ ist das Pendant zum schwäbischen „Gell“.
Und noch ein Bonmot: Unterhalten sich zwei Sauerländer: „Mistwetter!“ sagt der eine und bekommt garantiert zur Antwort: „Besser als gar kein Wetter.“ Ja, es stimme, im Sauerland scheint die Sonne weniger als in anderen Regionen – es „plästert“ mehr, weiß Prange: „Wir haben quasi den Regen erfunden.“ Was offensichtlich nicht unbedingt von Nachteil sein muss, denn zur Freude des Autors ergibt das einfach ein „geiles Brauwasser“, das Brauereien wie Veltins, Warsteiner und Krombacher („Ober, zack 'n Helles“) in bare Münze verwandeln.
Apropos florierende Unternehmen: Obwohl ein populärer Sauerland-Song der Band Zoff („Mein Herz schlägt für das Sauerland, vergrabt mein Herz im Lennesand, wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind“) die Sauerländer gerne als hinterwäldlerisches Völkchen beschreibt, sieht die Realität ganz anders aus. „Mehr Sauerland wagen“ heiße nämlich, das Tor zur Zukunft aufzustoßen, erklärt Prange, Sohn eines Bettenherstellers aus Altena. Da gibt es diverse Weltmarktführer im Maschinensektor und natürlich die „Dicken Sauerländer“-Bockwürstchen. „Hasse Schmacht, brauchse ne Wurst “ – seit 2022 auch in Bio. Der Sauerländer geht halt mit der Zeit!
Winnetou, Rodeln, Kuchen: Ausflugstipps für Ferien & freie Tage
- Ganz schön was los im Sauerland! „Apache“ Pierre Brice machte die Naturbühne in Elspe schon in den 70er Jahren berühmt. In diesem Jahr verkörpert Jean-Marc Birkholz den Winnetou. Die Karl-May-Festspiele starten wieder am 21. Juni, (elspe.de; Tickets ab 30,90 Euro für Erwachsene und 24,90 Euro für Kinder).
- Ganz frische News: Der Naturpark Sauerland Rothaargebirge soll nach Erweiterung der größte Naturpark in Deutschland werden. Er bietet schon jetzt rund 80 Exkursionen. Die einst freilaufende Wisent-Herde ist mittlerweile eingezäunt, auf der drei Kilometer langen Wanderung bei Bad Berleburg aber immer noch zu beobachten (wisent-wildnis.de; Eintritt 7,50 Euro).
- Sie gilt als die Königin unter den deutschen Tropfsteinhöhlen: die Attahöhle in Attendorn. Eine Führung durch diese unterirdische Wunderwelt dauert etwa 40 Minuten (atta-hoehle.de; Familienkarte 34,50 Euro).
- Im Winter gehen viele Rheinländer im Sauerland auf die Piste, jetzt lockt in Willingen die Sommerrodelbahn (sommerrodelbahn-willingen.de, ein Erwachsener plus Kind 5,40 Euro).
- Top-Kuchen, tolles Ambiente: Nach einer Besichtigung der geschichtsträchtigen Möhne-Staumauer einen Abstecher zum „Torhaus Möhnesee“ mit frisch renovierten Skulpturengarten einplanen (torhausmoehnesee.de).
- Übernachtung gewünscht? Die erste ständige Jugendherberge der Welt wurde 1914 auf Burg Altena eröffnet (Tel. 02352 23522) und ist auch heute top.
- Noch mehr Tipps? Sauerland-Tourismus stellt bis Ende Juni auf Social-Media-Kanälen unter dem Motto „Burgen, Schlösser, Klöster“ Geheimtipps und Ausflugsideen vor (sauerland.com).
Knorrig! Zwei typische Sauerländer
Zwei spitzenpolitische Sauerländer, die vor Merz für Furore sorgten: Heinrich Lübke (1894-1972), der zweite Bundespräsident, ging mit Lübke-Englisch („Equal goes it loos“) in die Annalen ein und Merz scheint ihm nacheifern zu wollen (zur Koalition: „It's my way or the highway“).
Franz Müntefering (85), Ex-SPD-Chef und Vizekanzler, war die Verkörperung des knorrigen Sauerländers. Unvergessenes Zitat: „Da reicht Volksschule Sauerland.“