Virologe stellt These aufSchaden durch Lockdown größer als durch Corona

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Virologe Alexander Kekulé 

Köln – Wie sieht nach dem „Corona-Lockdown“ die Rückkehr zur Normalität aus? Dass die Einschränkungen zur Eindämmung der Sars-CoV-2-Pandemie in vollem Umfang bestehen bleiben, gilt als unwahrscheinlich. Zu groß erscheint nicht nur der wirtschaftliche Schaden.

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Für den Epidemiologen Prof. Alexander Kekulé (61), bekannt aus „Kekulés Corona-Kompass“ (MDR), ist die Sache klar. „Wir können nicht auf einen Impfstoff warten und für weitere sechs bis zwölf Monate im Lockdown-Modus leben. Wenn wir das tun würden, würde unsere Gesellschaft und unsere Kultur zerstört“, sagte er im britischen „The Telegraph“.

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Der Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Virologie der Martin-Luther-Universität in Halle (Saale) hatte bereits am 22. Januar 2020 vor dem Coronavirus gewarnt und angeregt, Reisende an Flughäfen und Grenzen zu testen.

Gehört wurde er damals nicht. Weder vom Robert Koch-Institut (RKI), das bekanntlich am 6. März noch im Situationsberichts zum neuartigen Coronavirus schrieb, dass die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland „aktuell als mäßig eingeschätzt“ wird, noch von der Bundesregierung.

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„Hätten wir damals angefangen zu testen und die Infektionsketten zu verfolgen, dann hätten wir einen Lockdown vermeiden können“, sagt Kekulé. Der 61-Jährige nimmt oftmals eine Extremposition ein, was ihm auch schon reichlich Kritik der anderen bekannten Virologen Hendrik Streeck, Christian Drosten und Jonas Schmidt-Chanasit (welt.de: „Was der Kollege geäußert hat, halte ich zum Teil für gefährlich“) eingebracht hat.

Alexander Kekulé: Corona-Lockdown war richtig, aber...

Bei der Beurteilung des Lockdowns herrscht jedoch Einigkeit, auch bei Kekulé. „Das war die einzige Option, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und die Krankenhäuser davor zu schützen, mit der hohen Patientenzahl überfordert zu sein“, so Alexander Kekulé. Aber jetzt sei ein Umdenken gefordert: „Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der Lockdown mehr Schaden anrichtet als das Virus.“

Auch Armin Laschet wünscht schrittweise Rückkehr zur Normalität

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet kann diesem Hinweis durchaus folgen. Und zwar nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus. Am Ostersonntag erklärte er via Twitter: „Auch jetzt verursacht der Lockdown gesundheitliche Schäden durch verschobene Operationen und Reha-Maßnahmen, durch Depressionen, Einsamkeit, häusliche Gewalt und Kindeswohlgefährdung.“ Zuvor hatte Laschet in der Osteransprache bereits Lockerungen in Aussicht gestellt.

Spätestens am Mittwoch werde man die Vorschläge eines Expertenrates mit Bundeskanzlerin Angela Merkel diskutieren und dann gemeinsam abwägen, ob, ab wann und welche Lockerungen des Lockdowns es geben kann.

Alexander Kekulé schlägt einen Drei-Stufenplan vor.

  • Ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen, also diejenigen, die für das Coronavirus am anfälligsten sind, sollen weiter isoliert bleiben. Kekulé: „Wir müssen sie überzeugen, zu Hause zu bleiben. Aber wir müssen auch Wege finden, die Situation für sie erträglich zu gestalten, so dass z.B.. auch Einkäufe und soziales Leben möglich sind.“ Wenn diese vulnerable Gruppe das Haus verlässt, gilt Mundschutz- oder Maskenpflicht.
  • Auch für gewisse Berufsgruppen wie zum Beispiel Kassierer soll es eine Maskenpflicht geben. „Wir müssen uns alle daran gewöhnen, Gesichtsmasken zu tragen“, sagt Kekulé, der mit diesem Vorschlag bei weitem nicht der einzige ist. Die Maskenpflicht, sofern Masken denn in ausreichender Menge vorhanden sind, hat auch ein
  • Der 61-Jährige schlägt vor, dass zugelassen wird, dass sich junge Menschen (bewusst) mit Sars-CoV-2 infizieren, um schnellstmöglich immun zu werden. Bei den Altersgruppen <50 sind die Krankheitsverläufe in der Regel harmlos. Insofern – so der Epidemiologe – müssen nach dem Lockdown Schulen und Kindergärten zuerst geöffnet werden. Dänemark plant dies übrigens bereits nach Ostern.

Corona-Gefahr bei Jüngeren: „Müssen mit diesen Toten leben...“

Dem Einwand, dass auch Jüngere an den Folgen des Coronavirus sterben können, begegnet Kekulé sehr sachlich. Bei den wenigen die gestorben sind, habe das Immunsystem überreagiert und den eigenen Körper angegriffen, meint er: „Ich weiß, es klingt herzlos, aber mit diesen Toten müssen wir leben.“

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Die einzige Option sei, eine „Herdenimmunität“ zu erreichen. Kekulé: „Wir können nicht auf einen Impfstoff warten. Wir müssen einen Weg finden, mit dem Virus zu leben.“ (cb)