Gerhard Schindler, Ex-Präsident des BND, und seine Tochter Rebecca pilgern acht Tage lang über 160 Kilometer. Dabei ist ein Buch über die neue Beziehung zwischen Vater und Tochter entstanden.
„In der Kindheit war er nie da“Pilger-Projekt sorgt für intensive Vater-Tochter-Momente

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Kurze Erfrischung bei der letzten Etappe. Gerhard Schindler, Ex-Präsident des Bundesnachrichtendiensts, und seine Tochter Rebecca haben nach ihrer Tour auf dem Mosel-Camino auch den Kölnpfad absolviert.
Das Geständnis kommt ihm direkt und ohne Beschönigung über die Lippen. „Ich habe mich nie um mein Kind gekümmert“, sagt Gerhard Schindler (72). „Ich kannte nur den Job, 16 Stunden am Tag, die ganze Woche lang. Wegen meiner Arbeit für den Staat habe ich die Kindheit meiner Tochter verpasst“.
Der Jurist und Beamte war nach vielen Jahren im Bundesinnenministerium viereinhalb Jahre lang Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Die NSA-Affäre rund um Whistleblower Edward Snowden (42) fiel in seine Amtszeit. „Es war die größte Krise für den BND seit Gründung 1956“.
Gerhard und Rebecca Schindler pilgern den Mosel-Camino
Auf der Strecke blieb die Familie. Tochter Rebecca, inzwischen 39 Jahre, musste viele Umzüge mitmachen, immer wieder neue Freunde suchen und diverse Jobs ausprobieren, ehe sie 2018 bei RTL in Köln landete.
„Mein Vater war in meiner Kindheit nicht für mich da“, sagt sie selbst.
Liedermacher Björn Heuser (43) wurde zu ihrem besten Freund. Sie fährt ihn zu den Auftritten, gemeinsam verbrachten sie vor allem während der Corona-Pandemie viel Zeit mit Spaziergängen. „Das Laufen hat uns verbunden. Wenn man so lange Zeit nebeneinander durch die Stadt geht, entwickeln sich viel tiefere Gespräche als beim Plausch in der Kneipe“, sagt der Musiker zu EXPRESS.de.
Das Buch „Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg“ von Hape Kerkeling hatte bei Vater und Tochter immer schon den Gedanken ausgelöst, sich gemeinsam zu Fuß auf einen Weg zu begeben. „Die Erkenntnis, sich nicht genügend um das eigene Kind gekümmert zu haben, war im Unterbewusstsein sicher ausschlaggebend dafür, mit Rebecca einfach loszumarschieren“.
Im Vorjahr begannen die Vorbereitungen. „Ich habe drei Monate lang trainiert, bin jeden zweiten Tag zehn Kilometer marschiert“, sagt der 72-Jährige. Im Juli 2024 verbrachten beide dann acht Tage zusammen, um 166,5 Kilometer auf dem sogenannten Mosel-Camino von Koblenz-Stolzenfels nach Trier zu gehen. Vorbei an Weinbergen, Burgen und Dörfern ging es auf Pilgertour.

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Gerhard Schindler wanderte mit seiner Tochter Rebecca den Kölnpfad. Auf der letzten Etappe von Zündorf nach Rodenkirchen wurden sie von Björn Heuser (r.) begleitet.
„Es war wie eine Droge. Jeder Tag hat gut geklappt. Wir hatten tolles Wetter, eine spannende Gegend und haben uns prächtig verstanden“, sagt der Vater zu EXPRESS.de. „Wir fühlen uns bis heute verbundener denn je“. Abends verfassten beide kurze Berichte der Etappen und stellten sie ins Netz. Die Reaktionen waren ausschließlich positiv.
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Die Erlebnisse sind nun im Buch „Geheimtipp Mosel“ erschienen. Der Reisebericht erzählt nicht nur viel über die schöne Kulturlandschaft der Mosel. Es ist auch ein tiefer Einblick in eine intensive Vater-Tochter-Zeit. „Wir haben uns nie gestritten. Der eine ging dem anderen nicht auf die Nerven. Wir waren einfach eine fantastische Einheit“, sagt die Redakteurin.

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Mit dem Rucksack durch die Weinberge. Rebecca und Gerhard Schindler bei ihrer Pilgertour an der Mosel vor der Ruine Metternich.
Bei einer Etappe kam auch Björn Heuser zu Besuch. „Ich fand es beeindruckend, wie sie das durchgezogen haben“, sagt er. „Wenn Rebecca etwas macht, dann zieht sie es durch“. Spazieren gehen liegt ihm auch im Blut. „Ich gehe jeden Freitag zu Fuß zu meinem Auftritt ins Gaffel am Dom. Von Bickendorf hin und zurück sind das auch zehn Kilometer. Ich liebe es einfach durch die Stadt zu gehen, über die ich so gerne singe“.
Nach dem Erfolg der Mosel-Tour hat das Pilger-Duo nun den Kölnpfad absolviert. An acht Tagen wurden die elf Etappen und insgesamt 169 Kilometer rund um die Domstadt abmarschiert. Beim Finale von Zündorf nach Rodenkirchen lief auch Heuser neun Kilometer mit.

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Gerhard Schindler und seine Tochter Rebecca wanderten jetzt auch zusammen durch Köln. Ihr Weg führte die beiden am Ende nach Rodenkirchen.
Der Kölner Eifelverein habe hervorragend bei der Vorbereitung geholfen, sagen die beiden. „Bei der Tour ist mir erst einmal bewusst geworden, wie grün Köln wirklich ist. Auch der Niehler Hafen hat mich beeindruckt“, sagt Rebecca. „Man erlebt die Stadt wirklich ganz anders, wenn man sie zu Fuß abläuft“, stimmt auch ihr Vater zu.

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Im Buch „Geheimtipp Mosel“ haben Vater und Tochter ihre Erlebnisse von der gemeinsamen Pilgertour aufgeschrieben.
Die Erlebnisse vom Kölnpfad möchte das Duo gerne erneut in einem Buch präsentieren. Und der nächste Plan steht auch schon. Im Frühjahr 2026 geht es auf den Eifel-Camino von Andernach-Namedy nach Trier.
Warum diese gemeinsamen Erlebnisse so viele Glücksgefühle auslösen, darüber können die Schindlers nur spekulieren. „Der Kölner singt ja gerne mit anderen. Ähnlich ist es vielleicht beim gemeinsamen Wandern. Das verbindet auch auf eine besondere Art und Weise. Wir haben jedenfalls erfahren dürfen, wie einfach es ist, Glück zu empfinden“, sagt der Ex-BND-Boss.