Viele sehen nur ihre Uniform. Jetzt zeigt eine Ausstellung im Stadthaus Deutz die Menschen dahinter: Einsatzkräfte der Kölner Polizei, der Stadt, der Feuerwehr, des Rettungsdienstes.
Beleidigt und bedrohtGewalt gegen Kölner Einsatzkräfte: Warum man diese Fotos sehen sollte
Sie wollen helfen – und werden stattdessen beleidigt, bedroht, geschlagen: Kölner Einsatz- und Ordnungskräfte sind täglich verbalen und körperlichen Angriffen ausgesetzt.
Die Wanderausstellung „Der Mensch dahinter“, die ab Montag (12. Juni 2023) im Stadthaus Deutz läuft, porträtiert Kölnerinnen und Kölner in Uniform. „Diese Menschen setzen sich täglich für uns ein, dennoch sind sie es leider schon gewohnt, beleidigt zu werden“, erzählt Andrea Wommelsdorf, die die Idee für das Projekt hatte, gegenüber EXPRESS.de. Es gehe um Respekt und Toleranz. Dabei sei ihr besonders wichtig, dass das Thema präsent bleibt.
Kölner Polizistin: Beleidigungen gehören zum Standard
In der Deutzer Ausstellung kommen zwölf Kölner Einsatz- und Ordnungskräfte zu Wort, erzählen in Begleittexten unter anderem von heftigen Einsätzen und wie sie zu dem Job gekommen sind. EXPRESS.de stellt fünf von ihnen kurz vor.
„Auf den Jahnwiesen sind wir mit Flaschen und Bierkästen beworfen worden“, berichtet Polizeihauptkommissarin Beatrix Kurth von einem Einsatz nach der Bundesligapartie Köln gegen Schalke. Sie ist stellvertretende Gruppenleiterin bei der Hundertschaft der Bereitschaftspolizei und bundesweit im Einsatz – ob bei Fußballspielen oder dem G20-Gipfel in Hamburg. „Da gehören Beleidigungen zum Standard“, stellt sie nüchtern fest.
Bei einem Einsatz an Silvester sei ihr der Kragen geplatzt, als ein junger Mann ein Polizeifahrzeug nicht durchlassen wollte, weil er zuerst das Feuerwerk abbrennen wollte. Eine derartige Respektlosigkeit mache sie fassungslos und wütend, sagt sie. Es gebe aber auch viele schöne Erlebnisse, sagt Beatrix Kurth, die mit 14 ein Praktikum bei der Polizei machte: „Das war wirklich klasse!“
Motorrad-Cop aus Köln beobachtet zunehmende Respektlosigkeit
„Bulle verpiss dich, keiner vermisst dich“ – wenn Demonstrierende solche Sätze skandieren, kann Polizeihauptkommissar Dirk Rohde nur müde lächeln. Der Motorrad-Cop der Polizeiinspektion 1 (Innenstadt) wird viel auf Demos, aber auch beim Christopher Street Day (CSD) oder an Karneval eingesetzt.
„Ich beobachte auf der Straße eine zunehmende Respektlosigkeit allgemein und eben gerade gegen die Polizei“, berichtet Rohde, der bereits mehr als 40 Dienstjahre auf dem Buckel hat. Es werde gefährlicher für die Beamtinnen und Beamte. Bürgerinnen/Bürger würden filmen und auf YouTube veröffentlichen, sich mit Tätern/Täterinnen solidarisieren, ohne Kenntnisse vom Sachverhalt zu haben.
Nachdem Dirk Rohde selbst an Zungenkrebs erkrankte, setzt er sich jetzt neben seinem Job für andere Krebspatientinnen und -patienten ein, fährt in Krankenhäuser und zaubert für krebskranke Kinder.
Kölnerin arbeitete erst am Flughafen, jetzt ist sie Domschweizerin
Nicole Arnold-Reitgruber ist eine von insgesamt 30 Domschweizerinnen/Domschweizern. Zu ihren Aufgaben gehört es, für Ruhe und Ordnung zu sorgen und darauf zu achten, dass die Regeln im Gotteshaus eingehalten werden. Nicht alle Dom-Gäste sind einsichtig. „Die Aggression, die uns teilweise entgegenschlägt, erwartet keine Erklärung“, sagt sie. Leider werde die Missstimmung gegen die Kirche oft an ihnen, vorrangig an ihren männlichen Kollegen, ausgelassen. Da würden Beleidigungen auch schon mal unter die Gürtellinie gehen.
In einigen Fällen musste sogar die Polizei gerufen werden, wie, als ein Kollege von Nicole Arnold-Reitgruber von einem Besucher, der sich nicht an die Regeln halten wollte, einen Ellbogencheck verpasst bekam. „Es kommen so viele Menschen, die ‚lost‘ sind, da muss man immer mit Übergriffen rechnen“, sagt sie. Damit meint sie Menschen, die auf der Domplatte zu Hause sind. „Für diese haben wir stets ein offenes Ohr und ein tröstendes Wort.“
Die Vita der Domschweizerin ist abwechslungsreich. Sie studierte erst Sport und arbeitete 20 Jahre lang am Flughafen. „Die Aussicht, im Kölner Dom zu arbeiten, war mir eine Ehre und genau mein Ding“, sagt sie rückblickend.
Kölnerin vollstreckt Geldforderungen und erhielt schon Morddrohungen
Sie wurde schon als „dumme Schlampe“ beleidigt und erhielt am Telefon Morddrohungen: Lena Hoffmann, deren Name in der Ausstellung geändert wurde, arbeitet bei der Universalvollstreckung der Stadt Köln. Ihr Klientel: säumige Zahlerinnen und Zahler. Deren Anzahl sei steigend – und bunt gemischt, berichtet sie.
Von Menschen aus der Reichsbürgerszene bis hin zur alten Dame, die die Hundesteuer nicht aufbringen kann. „Da fängt man an, nachzudenken“, erklärt Lena Hoffmann, die als OP-Schwester arbeitete, bevor sie die Beamtenlaufbahn einschlug. Von einem Kunden, der Rundfunkbeiträge nicht gezahlt hatte, wurde sie durchs Treppenhaus geschubst.
Die Gefahr dieses Berufes habe sich am drastischsten im Dezember 2019 gezeigt, so sagt sie, als einer ihrer Kollegen bei einem Einsatz im Außendienst von einem Schuldner erstochen wurde. Lena Hoffmann: „Man wird vorsichtiger.“ Aber Angst habe sie nicht.
„Lob ist in solchen Berufen selten“, so Kölner Ordnungsamtsmitarbeiter
„Corona zeigte das hässliche Gesicht der Gesellschaft“, ist Michael Mader überzeugt. Der Mitarbeiter des Kölner Ordnungsamtes berichtet von Menschen, die ihn absichtlich ohne Maske angehustet und ihn als Faschisten beleidigt hätten.
Er wurde im Job auch schon angespuckt. „Lob ist in solchen Berufen selten“, sagt der zweifache Familienvater, der auf dem Land lebt und die halbe Stunde Autofahrt nach dem Dienst nutzt, um Dinge verarbeiten zu können. Mader: „Manche Erlebnisse wird man durch das Ausziehen der Uniform nicht los.“
Im Job hat er unter anderem regelmäßig Kontakt zu sozialen Randgruppen, wie Drogenabhängigen. „Es gibt Menschen“, erzählt Mader, „die sagen: Machen Sie die mal weg.“ Und dann gebe es die Fälle, dass alleinstehende Menschen wochenlang tot in ihrer Wohnung lägen, ohne, dass es jemandem auffalle. „Da zweifelt man oft am gesellschaftlichen Zusammenleben“, sagt er.
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Michael Mader ist seit fast zehn Jahren beim Ordnungsamt, war vorher als ausgebildeter Glaser in der Fenstermontage tätig – bis er seinen Transporter eines Tages im Halteverbot abstellte und so mit einer Mitarbeiterin der Verkehrsüberwachung ins Gespräch kam, die ihm einen möglichen Karriereschritt zur Stadt skizzierte.
Die Informationen zu den fünf Kölnerinnen beziehungsweise Kölnern stammen aus dem begleitenden Ausstellungskatalog. Die Ausstellung im Deutzer Stadthaus läuft vom 12. Juni bis zum 12. Juli.