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Bewegende SätzeKölner Alt-OB Fritz Schramma am Grab seines Sohnes

Fritz Schramma am Grab seines Sohnes

Der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma steht am Grab seines Sohnes auf dem Westfriedhof.

Sechs kleine Buchstaben – mehr braucht es manchmal nicht, um die Tragik einer ganzen Geschichte zusammenzufassen. In diesem Fall bilden sie das lateinische Wort „mature“, was ins Deutsche übersetzt, „früh“ oder auch „zu früh“ bedeutet. In der Reihe „Kölner Geheimnisse“ führt uns Alt-OB Fritz Schramma auf den Kölner Westfriedhof.

Die Buchstaben wurden in den Sockel eines fast zwei Meter hohen Grabsteins auf dem eingraviert. Während die kleine Inschrift im Dickicht der Grabbepflanzung den meisten Betrachtern verborgen bleibt, dürfte sich so mancher Friedhofsbesucher jedoch schon Gedanken über die besondere Form dieses Grabsteins gemacht haben.

Es handelt sich um eine Skulptur, bestehend aus drei menschlichen Körpern, deren Köpfe und Arme angedeutet sind und aus deren Mitte eine vierte Person emporsteigt. „Das ist unser Junge, wie er uns aus den Händen gleitet“, sagt Fritz Schramma, der von 2000 bis 2009 das Amt des Kölner Oberbürgermeisters innehatte. Der Junge, der hier begraben liegt und der viel zu früh aus dem Leben geschieden ist, war sein Sohn, Stephan Schramma (1969-2001).

Viele Kölner können sich noch an den tragischen Tod des damals erst 31-Jährigen erinnern, der am 31. März 2001 an einer Ampel am Rudolfplatz von einem Auto angefahren und tödlich verletzt wurde. Der Fahrer hatte sich mit einem anderen Mann auf den Ringen ein illegales Autorennen geliefert. Stephan Schramma wurde ins Krankenhaus gebracht und notoperiert. Die Ärzte konnten ihn jedoch nicht retten. Diese traurige Szene zeigt der Grabstein: Stephan Schramma, der in einem Krankenhausbett liegt, um ihn herum seine Mutter, sein Vater und seine Schwester, die ihn gehen lassen müssen, auch wenn sie es nicht wollen.

Fritz Schramma wird diesen Moment niemals vergessen. Am 18. Juni, wenige Wochen nach dem Tod seines Sohnes, entwarf er die Skizze für die berührende Skulptur. An diesem Tag präsentierte sich die Malakademie Köln im Domforum. Der damalige Leiter und Gründer der Malakademie, Professor Jürgen Knabe, hatte Fritz Schramma, der im September des Vorjahres zum Kölner Oberbürgermeister gewählt worden war, schon mehrfach zu Veranstaltungen eingeladen. Dieses Mal sagte das Stadtoberhaupt zu.

Das Wort „mature“ auf dem Grabstein

Das Wort „mature“ ist in den Stein gemeißelt.

„Das Domforum war nicht weit von meinem Büro im Rathaus entfernt. Daher nutzte ich die Gelegenheit und schaute dort vorbei“, erzählt Fritz Schramma. Als ihn Jürgen Knabe fragte, ob er selbst etwas zeichnen wolle, stimmte er zu.

„Ich habe immer schon gerne gemalt“, sagt der ehemalige Oberbürgermeister. Wie er auf die Idee kam, in diesem Moment und an diesem öffentlichen Ort ausgerechnet die Szene aus dem Krankenhaus aufs Papier zu bringen, weiß Fritz Schramma heute nicht mehr. Es geschah einfach. „Ich erinnere mich noch, dass mir heiß wurde und mein Puls raste. Ich war sehr aufgewühlt und habe die Veranstaltung überstürzt verlassen“, entsinnt er sich.

Fritz Schramma im Kreis seiner Familie

Die Eltern Ulla und Fritz Schramma mit ihrem Sohn Stephan und ihrer Tochter Claudia

Zu Hause zeigte Fritz Schramma seiner Frau Ulla die Skizze und zusammen entschieden sie, dass so der Stein auf dem Grab ihres Sohnes aussehen solle. Die Umsetzung übernahm der Kölner Steinmetz Marco Kaiser. „Er hat zunächst eine kleine Gipsfigur angefertigt. Danach haben wir gemeinsam den Stein ausgesucht“, erzählt der Familienvater.

Schließlich hat der Steinmetz aus einem zwei Meter hohen, leicht grünlich gefärbten und marmorierten Diabasblock die Skulptur gehauen. Im Unterschied zur Skizze hat Marco Kaiser die Personen allerdings nicht liegend, sondern stehend dargestellt. Den Blick nach oben gerichtet, steigt der Verstorbene in den Himmel auf, auch wenn ihn seine Eltern und seine Schwester so gerne noch länger auf dieser Erde festgehalten hätten. Denn für sie kam sein Tod viel zu früh.

Cover Kölner Geheimnisse Band 2 von Ayhan Demirci und Maira Schröer

Cover Kölner Geheimnisse Band 2 von Ayhan Demirci und Maira Schröer

Diese Geschichte stammt aus dem neuen Köln-Buch „Kölner Geheimnisse Band 2/ 50 neue spannende Geschichten aus der Dom-Metropole“, das im Bast-Verlag erschienen ist (192 Seiten, 24 Euro). Sieben Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes sind es diesmal die Autoren Ayhan Demirci und Maira Schröer, die sich auf die Spuren Kölner Geschichte begeben haben und ausgehend von Objekten und Relikten in der Stadt von außergewöhnlichen Begebenheiten erzählen.