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Kölner Kult-Imbiss im VisierDrohungen und Hetze: Chef packt aus

Murat Demir ist Inhaber des Kebapland auf der Venloer Straße.

Murat Demir ist Inhaber des Kebapland auf der Venloer Straße.

Das Kebapland in Köln-Ehrenfeld ist Kult. Doch der Inhaber wird massiv von türkischen Rechtsextremen bedroht. Jetzt spricht er offen darüber.

Es ist ein Abend im Mai 2023, als vor dem Kölner Kult-Lokal „Kebapland“ die Hölle losbricht.

Hupende Autokorsos ziehen durch Ehrenfeld, feiern den Wahlsieg des türkischen Präsidenten Erdogan. Doch für Inhaber Murat Demir ist es der pure Horror.

„Die Erdogan-Fans fuhren an diesem Abend besonders langsam an unserem Laden vorbei, hupten und provozierten uns“, berichtet Demir dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Einige zeigten dabei den Wolfsgruß.“

Das ist das Erkennungszeichen türkischer Rechtsextremisten, der „Grauen Wölfe“. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Gäste seien beschimpft worden. „Bis 3 Uhr nachts ging das so.“

Kebapland stellte sich klar 2016 hinter Böhmermann

Das Kebapland auf der Venloer Straße ist längst Kult, nicht nur in Köln. Seine berühmten Fleischspieße vom Holzkohlegrill locken Massen an. Auch Satiriker Jan Böhmermann, dessen Studio um die Ecke ist, hat den Laden berühmt gemacht. Nach Böhmermanns umstrittenem „Schmähgedicht“ über Erdogan 2016 stellte sich das Kebapland klar hinter den Moderator. Ein Affront für viele Nationalisten.

Der Grund für den Hass: Murat Demir und viele seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind Kurden. In der Türkei arbeitete er als Anwalt, vertrat Regierungskritiker und Regierungskritikerinnen und musste deshalb vor rund 20 Jahren nach Deutschland fliehen.

„Ich stehe zu meiner politischen Haltung, sage offen, dass ich links bin, mich für Menschenrechte einsetze und gegen die Unterdrückung der Kurden in der Türkei“, sagt er. Für türkische Nationalisten ist er deshalb ein „Verräter“.

Die Provokationen in der Wahlnacht waren kein Einzelfall. Immer wieder kommt es nach Spielen der türkischen Nationalmannschaft zu ähnlichen Szenen.

„Man hat mir gesagt, man könnte da nichts machen“

Demir fühlt sich von der Polizei im Stich gelassen: „Ich habe auch mehrfach bei der Polizei angerufen. Die Ehrenfelder Wache ist ja auch direkt gegenüber von unserem Laden. Aber man hat mir gesagt, man könnte da nichts machen“.

Ein Polizeisprecher konnte den Vorfall auf Anfrage weder bestätigen noch dementieren. Jetzt soll die Staatsanwaltschaft prüfen, ob Ermittlungen aufgenommen werden.

Genau mit solchen Fällen beschäftigt sich seit Anfang des Jahres die neue „Fachstelle türkischer Rechtsextremismus“ in Köln. Leiterin Özge Erdogan warnt: „Gerade Vorfälle, bei denen Kritiker und Kritikerinnen der türkischen Regierung von Nationalisten und Rechtsextremen eingeschüchtert werden, häufen sich.“

Özge Erdogan ist Leiterin der Fachstelle Türkischer Rechtsextremismus

Özge Erdogan ist Leiterin der Fachstelle Türkischer Rechtsextremismus.

Seitdem die türkische Regierungspartei AKP mit der rechtsextremen MHP koaliert, sei die Nähe zwischen Erdogan-Anhängern und -Anhängerinnen und Rechtsextremen auch in Deutschland gewachsen. „Nicht jeder Erdogan-Unterstützer ist rechtsextrem“, stellt Expertin Erdogan klar, „aber ideologisch nähern sich die Lager immer häufiger an.“

Laut Verfassungsschutz gibt es in NRW rund 3700 Sympathisanten und Sympathisantinnen der rechtsextremen Ülkücü-Bewegung, bundesweit über 12.000. Köln gilt dabei als ein Zentrum.

„Unser Ziel ist, die Öffentlichkeit für die Gefahr des türkischen Rechtsextremismus zu sensibilisieren und Betroffene besser zu schützen“, so die Leiterin der Fachstelle. Lange sei das Problem unterschätzt worden.

Die Ideologie türkischer Rechtsextremisten hat erschreckende Parallelen zu der von deutschen Neonazis. „Natürlich unterscheiden sich die Milieus. Aber die Feindbilder und die Art, wie gegen sie Stimmung gemacht und gehetzt wird, ähneln sich stark“, erklärt Özge Erdogan. Im Fadenkreuz stehen in beiden Fällen Minderheiten wie Jüdinnen und Juden sowie queere Menschen.

Bei den türkischen Rechtsextremen kommen Kurden und Kurdinnen sowie Aleviten und Alevitinnen als besondere Hassobjekte hinzu.

Fans der türkischen Nationalmannschaft feiern auf den Ringen mit dem umstrittenen „Wolfsgruß“.

Nach dem EM-Sieg gegen Tschechien feierten Fans der türkischen Nationalmannschaft 2024 ihr Team auf den Ringen – auch mit dem umstrittenen „Wolfsgruß“ türkischer Rechtsextremisten.

Wie schnell die rechtsextremen Symbole in der breiten Masse ankommen, zeigte die EM 2024: Der türkische Nationalspieler Merih Demiral zeigte den „Wolfsgruß“ – ein Symbol, das danach auch auf den Kölner Straßen bei Feiern zu sehen war.

„Ich würde nicht sagen, dass alle, die den Wolfsgruß damals gezeigt haben, rechtsextrem sind“, sagt Erdogan. „Aber es ist ein rechtsextremes Symbol – vielen ist die Geschichte und die Bedeutung aber offenbar gar nicht bewusst. Deshalb ist Aufklärung so wichtig.“

„Es fehlt oft an klarer Haltung“

Und die Gefahr ist real. Es bleibt nicht bei Symbolen. „Die Spanne reicht über Beleidigungen über Attacken auf alevitischen oder kurdischen Einrichtungen oder Wohnhäuser bis hin zu tätlichen Angriffen“, warnt die Expertin. 

Özge Erdogan fordert von Politik und Behörden, das Thema endlich ernster zu nehmen. „Es fehlt oft an klarer Haltung, aus Angst, als rassistisch zu gelten. Dabei nutzen türkische Nationalisten diesen Vorwurf gezielt, um Kritik zu unterbinden. Obwohl sie selbst rassistisch gegen Minderheiten hetzen.“ Eine perfide Strategie, von der sich niemand einschüchtern lassen dürfe. (red)

Dieser Inhalt wurde mit Hilfe von KI erstellt.