Streit eskaliertKölner Familie nach Zwangsräumung obdachlos – Anzeige gegen Stadt

Menschen stehen vor dem Kölner Rathaus um Harald Rau herum.

Sozialdezernent Harald Rau spricht am Dienstag (17. Janaur) mit der zwangsgeräumten Familie. Nun steht er im Fokus der Kritik.

Nach den Äußerungen der Stadt Köln über die zwangsgeräumte Familie Winands steht Sozialdezernent Harald Rau in der Kritik. 

von Adnan Akyüz (aa)

Der Fall um die Zwangsräumung von Familie Winands aus Köln schlägt hohe Wellen. Jacqueline Winands und ihre fünf Kinder warten immer noch auf ein Angebot mit einer geeigneten Wohnung durch die Stadt Köln. Doch die Hoffnungen der sechsköpfigen Familie wurden zunichtegemacht.

Jacqueline Winands fühlt sich zu Unrecht in ein schlechtes Licht gerückt. In sozialen Netzwerken verurteilen sie viele als schlechte Mutter, die nicht für ihre Kinder sorgen könne. Zudem hat eine Pressemitteilung der Stadt dazu geführt, dass Familie Winands eine ihr in Aussicht gestellte Wohnung jetzt doch nicht mehr bekommt.

Köln: Zwangsgeräumte Familie erhält Absage für angebotene Wohnung

Die Aachener Sieglungs- und Wohnungsgesellschaft, ein Unternehmen des Erzbistums Köln, hatte der Familie auf die Berichte von EXPRESS.de und anderen Medien hin eine Wohnung in Mülheim angeboten. Frau Winands war am Dienstag (17. Januar 2023) auch schon bei einer Besichtigung.

Alles zum Thema Polizei Köln

Kira Limbrock, Sprecherin der Wohnungsgesellschaft, erklärt die Entscheidung auf Anfrage von EXPRESS.de: „Wir haben angenommen, dass es zur Zwangsräumung wegen Mietschulden gekommen ist. Als wir von den Polizeieinsätzen erfahren haben, haben wir Abstand von dem Angebot genommen, um andere Mieterinnen und Mieter zu schützen.“

Nehmen Sie hier an unserer EXPRESS.de-Umfrage teil:

Darüber ärgert sich Jacqueline Winands sehr. „Die Stadt hat uns in den Dreck geschmissen, aus dem wir jetzt nicht mehr rauskommen. Wir stehen jetzt als die letzten Asis da, die ihre Miete nicht zahlten und auch noch Polizeieinsätze verursacht haben. Die Stadt hätte ruhig auch mal die Hintergründe der Polizeieinsätze mitteilen können“, sagt die aufgebrachte Kölnerin.

Ihren Angaben zufolge hätten Leute aus der Nachbarschaft, die sie nicht leiden könnten, die Polizei gerufen. Auch sie selbst hätte die Polizei mehrfach wegen Belästigungen durch dieselben Leute und ausländerfeindlichen Sprüchen gegen ihre jüngste Tochter, deren Vater aus der Türkei stamme, gerufen.

Warum es zu den Polizeieinsätzen gekommen ist, wusste die Aachener Sieglungs- und Wohnungsgesellschaft aber nicht, wie die Sprecherin auf EXPRESS.de-Nachfrage bestätigt.

Warum die Stadt die Polizeieinsätze öffentlich kommuniziert hat, erklärt eine Sprecherin so: „Die Stadt Köln wurde in den Verhandlungen um den Erhalt der Wohnung von dem Vermieter darüber informiert, dass er das Mietverhältnis nicht fortsetzen wolle. Er begründete dies u.a. mit mehreren Polizeieinsätzen.“ Die Polizei bestätigt auf Anfrage, dass es mehrere Polizeieinsätze bei der Familie gegeben hat.

Ein Interview mit Jacqueline Winands finden Sie im folgenden Video.

Der Verein „Sozialistische Selbsthilfe Mülheim“ (SSM), der die Familie unterstützend in diesem Fall begleitet, zeigte sich angesichts dieser Entwicklungen entsetzt. So äußerte sich Reentje Streuter von der SSM-Sozialberatung: „Wir finden es schockierend, dass die Stadt Köln die Familie Winands nun auch noch mit Dreck beschmeißt, anstatt sich – wie es eigentlich ihre Aufgabe wäre – schützend vor sie zu stellen. Sie sorgt mit ihrem Verhalten aktiv dafür, dass die Familie keine Chance auf dem Wohnungsmarkt hat und öffentlich diskreditiert wird.“

Streuter erklärt weiter, dass die Äußerungen der Stadt außerdem möglicherweise strafrechtlich relevant sein könnten. „Unseres Wissens waren Informationen über Polizeieinsätze bisher nicht bekannt, sodass der Verdacht der Verletzung von Privatgeheimnissen im Raum steht“, sagt er. 

Köln: Zwangsgeräumte Familie erstattet Anzeige gegen die Stadt

Jacqueline Winands habe sich daher entschlossen, über den Rechtsanwalt Dr. Heinrich Comes Anzeige gegen den oder die verantwortlichen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Stadt Köln zu erstatten. „Es liegt nun an der Staatsanwaltschaft Köln, zu prüfen, ob strafbares Verhalten vorliegt. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, halten wir einen Rücktritt des Sozialdezernenten Dr. Rau für mehr als geboten“, so Reentje Streuter.

Nun wartet die Familie immer noch darauf, dass die Stadt den Beschluss des Verwaltungsgerichts, ihnen eine „angemessene und menschenwürdige“ Wohnung anzubieten, umsetzt. Die Stadt prüft derzeit aber noch, ob gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt werden kann.

Laut Streuter prüfe man nun, die Vollstreckung des Beschlusses durch das Verwaltungsgericht zu beantragen. „In Frage kommt nach unserer Einschätzung die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes von bis zu 10.000 Euro“, erklärt er.

Die Wohnung in Mülheim ist für die Familie also vom Tisch. Jacqueline Winands ist auch von der Reaktion des Unternehmens enttäuscht. „Ich frage mich, warum mich niemand gefragt hat, was da passiert ist. Jetzt sieht es für mich nach einer PR-Aktion aus, da hat man seinen Namen gut platziert und nach zwei Tagen wieder die Rolle rückwärts gemacht. Wer wirklich helfen will, hätte aus meiner Sicht nicht so reagiert.“

Menschen stehen bei einer Demo vor dem Rathaus in Köln.

Für die zwangsgeräumte Familie wurde am Freitag (20. Januar) vor dem Historischen Rathaus in Köln eine Demo organisiert. 

Am Freitag (20. Januar) hat es am Historischen Rathaus eine Demo mit dem Motto „Sechs Köpfe brauchen ein Zuhause“ gegeben, zu der auch die Familie gekommen ist. Kalle Gerigk, einer der Unterstützer der Familie, sagt: „Nur um vom eigenen Versagen abzulenken, haut die Stadt Köln eine diffamierende Pressemitteilung raus, in der sie von Polizeieinsätzen und Schulden berichten, ohne näher darauf einzugehen. Damit ziehen sie die Familie noch mehr in den Dreck.”

Jacqueline Winands und ihre Kinder sind am Freitag auch raus aus dem Hotel, in dem sie untergekommen waren. „Wo wir heute Abend übernachten werden, wissen wir noch nicht“, sagte sie am Vormittag.