Revolution im Karneval?Colombinen-Chefin mit Zeitplan für erstes weibliches Dreigestirn in Köln

Ursula Brauckmann hält das Wappen der Colombinen in die Kamera.

Ursula Brauckmann, hier mit dem Wappen des Kölner Frauen-Karnevalsvereins Colombina Colonia, ist Präsidentin des Vereins.

Colombinen-Chefin Ursula Brauckmann im EXPRESS-Gespräch: Wird es schon bald ein rein weibliches Dreigestirn geben?

von Christof Ernst (che)

Köln. Sie wurden bestaunt, beäugt und belächelt: 1999 gründeten Annegret Cremer, Ursula Brauckmann und weitere Mitstreiterinnen die „Colombina Colonia“ – die erste und damals einzige rein weibliche Karnevalsgesellschaft. Die Colombinen hatten aus dem Stand Erfolg, weil sie offenbar einen Nerv der Zeit trafen. Seit 2012 ist Ursula Brauckmann, hauptberuflich Mitglied der Geschäftsführung im Bauunternehmen Brauckmann, die Präsidentin des Corps. Im Köln-Gespräch wagt sie eine kühne Karnevalsprognose.

Frau Brauckmann, möchten Sie lieber mit Uschi oder Ursula angesprochen werden? Ursula Brauckmann: Ist mir eigentlich egal, aber als ich so neun Jahre alt war, rief eine Freundin an und meinte zu meiner Mutter: „Ich möchte gerne die Uschi sprechen.“ Darauf sagte meine Mutter: „Hier gibt es keine Uschi, hier gibt es nur eine Ursula“ – und legte auf.

Spielte der Karneval in Ihrer Kindheit eine große Rolle? Aber ja, es gab auch hin und wieder ein Motto, nach dem sich die Familie verkleidet hatte. Einmal war es „Bonanza“. Meine drei Brüder gingen als Hoss, Little Joe und Adam. Papa war natürlich Ben Cartwright und Mama so eine feine Western-Lady. Ich wollte mich unbedingt als Funkemariechen verkleiden, war aber eigentlich damals zu groß und zu pummelig dafür. Habe ich aber trotzdem gemacht.

Alles zum Thema Jürgen Drews

1999 gehörten Sie zu den Mitbegründerinnen der „Colombinen“. War das ein Akt der Emanzipation? Ja, das kann man so sagen. Wir wollten nicht mehr länger nur schmückendes Beiwerk sein. Vor 20 Jahren war es noch schwer, als Frau allein auf eine Karnevalssitzung zu gehen. Das wollten wir ändern. Wir wollten uns aktiv im Karneval einbringen und so feiern, wie wir es wollten. Anfangs gab es durchaus hämische Reaktionen. Zum Beispiel: „Lass die mal die erste Vorstandssitzung machen, dann streiten die sich um die Nagellackfarbe.“ Aber der Erfolg gab uns recht. Als wir unser erstes Treffen in der Hofburg hatten, kamen so viele Frauen, dass ich ein Stopp-Schild aufgestellt habe. Bei 111 haben wir aufgehört. Aktuell stehen wir bei 481 Colombinen, plus Hospitierende.

Man spricht manchmal sehr uncharmant von „Stutenbissig-keit“, wenn mehrere Frauen zusammen sind. Nein, die gibt es bei uns definitiv nicht. Das liegt vielleicht auch daran, dass es bei uns im Verein keine Sternchen, Beförderungen oder sonstige Vergünstigungen gibt, die den Neid der angeblich Zukurzgekommenen befördern könnten. So etwas soll es in den anderen Gesellschaften ja durchaus geben.

Eine Besonderheit in jeder Session ist die „Colombinen-Nacht“. Was macht sie so ungewöhnlich? Zum einen machen wir keine Pause, zum anderen haben wir immer einen Stargast, der nicht aus dem Karneval kommt. Das waren mal „Boney M“, Marianne Rosenberg, Bernhard Brink, Guildo Horn oder Jürgen Drews. Aber der hat den Karneval ja gar nicht verstanden.

Ursula Brauckmann und Christof Ernst sitzen am Tisch und schauen in die Kamera.

Ursula Brauckmann beim Interview mit EXPRESS-Reporter Christof Ernst.

Wieso das? Er wollte einfach nicht von der Bühne runter, obwohl hinger der Britz die Paveier schon auf ihren Auftritt warteten. Aber Jürgen Drews hat eine Zugabe nach der anderen gegeben. Ich bin bald gestorben. Denn die nachfolgenden Künstler sind ja eng getaktet. Wenn die zu lange warten müssen, gehen die auch wieder. Was ja verständlich ist.

Und dann veranstaltet ausgerechnet ein Frauenverein eine Herrensitzung. Richtig. Dabei ist der Anblick von der Bühne in den Saal nahezu göttlich. Das sieht aus wie bei einer Kommunionsfeier, wenn die Herren da alle im dunklen Anzug und ordentlich mit Schlips auf den Stühlen sitzen. Herrlich! Einfach toll!

Die neue Session startet bald. Welche Regeln haben die Colombinen bei den Veranstaltungen? Ganz klar: 2G. Das wird sich auch in ganz Köln durchsetzen. Zu unseren Versammlungen außerhalb des Karnevals können die Frauen auch getestet kommen, solange es noch die kostenlosen Bürgertests gibt. Letztlich war von 150 Teilnehmerinnen nur eine nicht geimpft – tolle Quote!

Wann erleben wir in Köln das erste rein weibliche Dreigestirn? Das könnte innerhalb der nächsten fünf Jahre der Fall sein. FK-Präsident Christoph Kuckelkorn ist da offen. Er kann sich nur nicht vorstellen, dass die Jungfrau nicht vom Mann dargestellt wird. Wir Colombinen hatten 2015 das Karnevalsmotto „Mer stelle alles op der Kopp“ zum Anlass genommen und uns beim Festkomitee mit einem weiblichen Dreigestirn beworben, leider erfolglos.

Gibt es im Kölner Karneval genügend Frauen als Büttenrednerinnen, Sängerinnen oder Musikerinnen? Nein. Ich sage zu unserer Literatin immer: Bring Frauen auf die Bühne, wir sind schließlich ein Damenverein. Aber es gibt leider zu wenige.

Lassen wir mal den Karneval weg: Was bedeutet Köln darüber hinaus für Sie? Eine Herzensstadt, eine schöne, offene Stadt, dem Menschen zugewandt. In Köln sieht man über vieles hinweg – sogar über die viel zu vielen Ampeln. Und man muss als Autofahrer auf die Radfahrer achten, das ist wichtig. Ich sitze selbst oft auf dem Rad, aber dann halte ich mich auch an die Verkehrsregeln. Das macht leider nicht jeder Radfahrer in Köln. Ich habe mal an einem Tag auf der Strecke von Deutz zum Neumarkt drei Beinahe-Unfälle gesehen, die von Radfahrern verursacht wurden.

Was sagt eigentlich Frauenrechtlerin Alice Schwarzer zum Frauenverein Colombina Colonia? Die mag uns sehr. Auf der Prinzenproklamation vor zwei Jahren kam sie auf mich zu: „Wir sollten mal zusammen einen Kaffee trinken“. Tja und dann kam Corona, aber das holen wir noch nach. Mein Traum wäre, auf dem Bayenturm, in dem Frau Schwarzer mit „Emma“ residiert, einmal unsere Fahne zu hissen und ihn als Colombinen-Turm zu beerben.

Letzte Frage: Ihr Partner Günter Pütz, Präsident von Viktoria Köln, hat Ihnen zum Aufstieg des Clubs in die 3. Bundesliga die Ehe versprochen. Wird er das wahr machen, ehe Viktoria wieder absteigt? Wir haben noch keine Trauzeugen gefunden (sie lacht). Und außerdem: Die Viktoria steigt nicht ab.