„Es ist eine Tragödie“Rigoroses Verbot lässt Kölner Tätowierer total verzweifeln

Ein Mann wird im Tattoostudio der Firma Edding tätowiert.

Viele Tattoo-Studios bangen um ihre Existenz, da einige Farben seit dem 4. Januar 2022 verboten wurden. Das Symbolfoto wurde am 16. September 2020 in Hamburg aufgenommen.

Das Verbot für viele Farben lässt Tätowierer verzweifeln. Bei EXPRESS.de machen sie ihrem Ärger Luft. Auch Kriminalbiologe und Tattoo-Fan Dr. Mark Benecke hat eine klare Meinung zu der EU-Entscheidung.

von Niklas Brühl (nb)

Alles nur noch schwarz-weiß? Auf die Tattoo-Branche kommen nach den Einbußen in der Corona-Pandemie erneut unruhige Zeiten zu. Denn ab dem 4. Januar 2022 unterliegen viele Chemikalien in den Tattoo-Farben den Regeln der sogenannten „REACH-Verordnung“. Viele Substanzen in den Farben seien laut der Europäischen Union noch nicht ausreichend erforscht oder potenziell gefährlich – tausende Substanzen befinden sich auf der verbotenen Liste.

Die meisten bisher genutzten Tattoo-Farben sind demnach in der aktuellen Zusammensetzung verboten – vor allem die bunten. Auf dem deutschen Markt verfügbare Farben entsprechend der EU-Verordnung sind bislang nur Schwarz, Grau und Weiß. Für die gebeutelte Branche ein weiterer Nackenschlag. EXPRESS.de hat bei Tattoo-Studios in Köln nachgefragt, wie es nun weitergeht.

Kölner Tattoo-Studio-Betreiberin: „Entscheidung ist eine Tragödie“

Anke Klose ist Betreiberin des Chimichanga Tattoo-Studios in der Ehrenfelder Marienstraße. Sie macht ihrem Ärger über die Entscheidung im EXPRESS.de-Gespräch Luft: „Es ist wirklich eine Tragödie für die Tattoo-Branche. Wir haben uns nach dem ersten Lockdown alle voller Zuversicht mit neuer Farbe eingedeckt – diese können wir jetzt aber wieder vollständig wegkippen und entsorgen.“

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Die Tattoo-Studios seien sogar dazu angehalten, die Entsorgung öffentlich zu posten, um den Vorgang im Nachhinein beweisen zu können. Durch das Farb-Verbot rechnet Klose auch mit weiteren Einbußen – nach der ohnehin schon schweren Zeit während der Pandemie: „Wir müssen jetzt natürlich Kundinnen und Kunden wegschicken, die sich gerne farbige Tattoos stechen lassen wollen. Dabei sind die Anfragen momentan wegen der 2G-plus-Regelung sowieso schon zurückhaltend.“

Für das Hau-Ruck-Verbot habe sie einfach kein Verständnis. „Uns werden ja nicht einmal Ersatzprodukte angeboten. Das ist wie, wenn man Malern die weiße Wandfarbe wegnimmt und keine Alternative da wäre. Ich hoffe sehr, dass uns dabei jetzt schnellstmöglich weitergeholfen wird.“

Köln: Tattoo-Verbote führen zu Diskussionen mit Kunden 

Auch die Tätowiererin und Piercerin Madeleine vom Cologne City Tattoo-Studio auf der Schildergasse sieht die neuen Regularien kritisch: „Wir fragen uns auch, warum diese Entscheidung so getroffen wurde. Wenn Kundinnen und Kunden uns fragen, haben wir dafür auch keine Erklärung.“

Seit elf Jahren arbeite sie in dem Studio, so viele unzufriedene Kundinnen und Kunden in einem so kurzen Zeitraum habe sie noch nie erlebt: „Viele Personen müssen wir wieder wegschicken, weil wir sie aufgrund des Verbotes nicht mehr tätowieren dürfen. Das sorgt dann häufig für Diskussionen.“ Die Tattoo-Branche musste bereits während der gesamten Corona-Pandemie hohe Einbußen hinnehmen – wegen Lockdowns, verunsicherten Kunden und weiteren Maßnahmen. „Nun wird uns ein weiterer Stein in den Weg gelegt“, sagt die Tätowiererin aus Köln.

Tattoo-Verbote: Kriminalbiologe Mark Benecke befürchtet viele „Murkser“

Ähnlich sieht das auch Mark Benecke, Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe. Er sagt über sich selbst, dass er gar nicht mehr wisse, wie viele Tattoos er sich selbst habe stechen lassen. Zudem ist er Vorsitzender des Essener Vereins „Pro Tattoo“. Von dem Tattoo-Farb-Verbot hält er überhaupt nichts: „Auch Zucker oder Salz können giftig sein, wenn man zu viel davon zu sich nimmt. Im Gegensatz zu den verbotenen Tattoo-Farben gibt es dafür aber Belege.“

Mark Benecke verschränkt die Arme.

Kriminalbiologe und Tattoo-Fan Mark Benecke hat eine klare Meinung zur Entscheidung der EU, farbige Tattoos zu verbieten.

Er liegt den Verantwortlichen nahe, mit den Verboten dort anzufangen, wo Messungen vorliegen und nicht nur im Nebel zu stochern. Benecke selbst hat sich wenige Tage vor dem Verbot zusammen mit seiner Ehefrau Ines Fischer noch ein Krümelmonster stechen lassen – in Blau versteht sich.

Mark Benecke befürchtet, dass sich aufgrund des Verbots viele Menschen nun andere Wege suchen, sich farbige Tattoos stechen zu lassen: „Die Kundinnen und Kunden wandern vermutlich ab: in den Keller, ins Ausland oder irgendwohin, wo man eben alle Farben bekommen kann. Es trifft ausgerechnet die sauber arbeitenden Hersteller, die dann ihre Läden schließen müssen. Übrig bleiben Murkser und zwielichtige Labors in Kellern.“ Es rumort also in der Tattoo-Branche – und das ganz ohne Schwarz-Weiß-Malerei.