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„Haus am See“Autofahrer erleben Park-Schock

Viel Kleingedrucktes: Blick auf das neue Schild der Parkraumbewirtschaftung vorm Haus am See an der Bachemer Landstraße in Lindenthal.

Viel Kleingedrucktes: Blick auf das neue Schild der Parkraumbewirtschaftung vorm Haus am See an der Bachemer Landstraße in Lindenthal.

Im Kölner Stadtwald steht jetzt vorm „Haus am See“ ein Schilderwald, der viele Kölner und Kölnerinnen ganz schön sauer macht.

„Das geht mir alles ziemlich auf den Sack!“ Ein gepflegter, gut gekleideter Rentner wollte mit seiner Frau am Decksteiner Weiher entspannt eine Runde spazieren gehen. Doch im Stadtwald steht jetzt vorm „Haus am See“ ein Schilderwald, der nicht nur ihn ganz schön sauer machte. Riesen-Zoff in Kölns schönster Idylle!

Anlass: Eine neue, hochtechnisierte Parkraumbewirtschaftung.

Generationen von Kölnern kennen den Zufahrtsweg und den Parkplatz vorm „Haus am See“ an der Bachemer Landstraße. Bei schönem Wetter stapelten sich hier fast die Autos von Gästen, Spaziergängern und Spaziergängerinnen, Familien, Joggern und Joggerinnen. Wer in dem Nobelrestaurant zum Essen oder zu Kaffee und Kuchen verabredet war, konnte erst mal lange auf Parkplatzsuche gehen. Doch damit ist jetzt Schluss. Und wie!

Denn nun reihen sich zwischen den uralten Bäumen Schilder über Schilder, darüber Kennzeichenscanner. „Kostenpflichtig“, steht dort auf dem ersten in großen Lettern. Darunter, dass Restaurantgäste kostenlos parken. Und in kleiner Schrift: „Parktarife: Mittwoch bis Sonntag (11-22 Uhr) je angefangene Stunde 5 Euro.“ Außerhalb je angefangene Stunde 1 Euro. Kostenpflichtige Parkzeiten: Montag bis Sonntag, 0 bis 24 Uhr. Und: „Nur Onlinezahlung möglich“, daneben ein QR-Code. 

Das Nobelrestaurant Haus am See am Decksteiner Weiher ist eins von Kölns schönsten Ausflugszielen.

Das Nobelrestaurant Haus am See am Decksteiner Weiher ist eins von Kölns schönsten Ausflugszielen.

Mehrere dieser Schilder plus Werbung für eine Park-App stehen dort nun an vielen Ecken und sorgen für Erstaunen. Noch mehr Stirnrunzeln verursachen aber die grellgelb eingerahmten Warnhinweise Richtung Ausfahrt. Unter dem dreieckigen, offiziellen Symbol für „Achtung Allgemeine Gefahrenstelle“ die Frage: „Parkgebühr bezahlt?“ Bei Verstoß 45 Euro – zuzüglich Parkgebühr. Plus Hinweis, dass man bis zu 24 Stunden nach dem Parken auf der Homepage „go.wemolo.de“ bezahlen könne. Alles verstanden?

Viele Senioren und Seniorinnen, die EXPRESS.de vor Ort traf, fühlten sich von der Flut an kleingedruckten Hinweisen und Anweisungen, diversen Preisen und Parkzeiten, QR-Codes und Webseiten schlichtweg überfordert.

„Das geht mir alles ziemlich auf den Sack“, sagte ein Rentner, der mit seiner Frau einfach nur spazieren gehen wollte. Jetzt aber hat er ein Problem: Er war mit dem Wagen an den Kameras vorbeigefahren, wollte dann aber angesichts der Kosten keine fünf Euro zahlen und fuhr wieder heraus, um sein Auto woanders zu parken. „Muss ich jetzt fünf Euro zahlen, weil die Kamera mein Kennzeichen aufgenommen hat? Plus 45 Euro Strafe, wenn wir einfach nach Hause fahren?“

Hightech in der Idylle: Kameras überwachen den Parkraum am Haus am See, die als Kennzeichenscanner Tag und Nacht im Einsatz sind.

Hightech in der Idylle: Kameras überwachen den Parkraum am Haus am See, die als Kennzeichenscanner Tag und Nacht im Einsatz sind.

Eine ältere Dame, die zu einem „schönen Rentnertreffen“ aus dem Umland angefahren kam, war ebenso empört: „Eine Unverschämtheit! Ich habe gar kein Handy und könnte mich da gar nicht einloggen. Wie soll man dann bezahlen?“


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Eine Frau mit Hund, die lange die neuen blauen Schilder studierte, kritisierte: „Kostenpflichtiges Parken ist also rund um die Uhr sieben Tage die Woche. Was ja schon ein Hammer ist. Dabei ist doch das „Haus am See“ Montag und Dienstag geschlossen. Da hätte man doch wenigstens mal die Parkgebühren erlassen können, oder?“ Fragen über Fragen.

Für Abhilfe soll da ein zweiseitiges, eng bedrucktes Schreiben im Restauranteingang helfen. „Um Ihnen ein noch angenehmes Restauranterlebnis zu bieten, haben wir das schranken- und ticketlose Parksystem der Firma Wemolo eingeführt“, heißt es da. Man wolle sicherstellen, „dass künftig mehr Parkplätze für unsere Restaurantgäste frei bleiben.“ Es gebe keine Videoüberwachung, sondern Kennzeichenscanner, die alles andere ausblenden. Wird die Parkgebühr bezahlt, werden die Bilder vernichtet. Gäste des Restaurants, die ihr Kennzeichen nennen (Hinweis auf dem Schild: „Kennzeichen merken“), werden vom Personal auf der Parkapp freigeschaltet. Ebenso wird es wohl bei Angestellten, Zulieferern, Handwerkern gemacht.

Auf schriftliche EXPRESS.de-Anfrage wollte sich die Geschäftsführung vom „Haus am See“ nicht zu der neuen Parkraumbewirtschaftung und den Fragen dazu äußern.

Dafür nahm ein Sprecher von „Wemolo“ Stellung: „Wir wissen: Menschen haben jahrzehntelang gelernt, dass eine Schranke bedeutet „hier kostet es etwas“ und keine Schranke bedeutet „hier ist es kostenlos“. Diese Gleichung stimmt heute nicht mehr. Private Parkflächen bleiben privat, auch ohne Schranke. Die Bewirtschaftung erfolgt digital – das ist moderner, flexibler, weniger störanfällig und umweltfreundlicher, weil keine Staus an Ausfahrten entstehen und Parkscheine überflüssig werden.“

Eine Radlerin studiert die Hinweisschilder der neuen Parkraumbewirtschaftung.

Wie kommt „Wemolo“ an die Adressen, um bei Nichtzahlen die Rechnung zuzustellen? „Die Halterabfrage erfolgt ausschließlich bei festgestellten Verstößen gegen die Parkordnung über eine gesetzlich vorgesehene Schnittstelle zum Kraftfahrt-Bundesamt. Dieses Verfahren ist datenschutzkonform nach DSGVO und wird nur dann angestoßen, wenn ein Fahrzeug die zulässige Parkzeit überschritten hat.“

Gilt jedes kurze Rein- und Rausfahren schon als Parkzeit? „Nein, eine kurze Durchfahrt oder das direkte Wiederausfahren wird nicht als Parkvorgang gewertet. Es gibt eine Kulanzzeit von 15 Minuten. Erst nach Überschreiten dieser Frist wird ein Parkvorgang registriert. Das System ist so kalibriert, dass es zwischen echtem Parken und bloßer Durchfahrt unterscheidet. Es unterscheidet präzise zwischen Gästen und Fremdparkern und sorgt so dafür, dass der Parkplatz seiner eigentlichen Bestimmung dient.“

Wer hinausfährt, wird an die 45 Euro Strafe zuzüglich Parkgebühren erinnert.

Der Sprecher betont, dass „nur 20 bis 25 Prozent“ vieler Gewerbeparkflächen entsprechend ausgelastet seien.

Die Firma bietet mit ihrem Kennzeichenscanner-System bereits an mehreren Supermarkt-Standorten in Köln außerhalb der Geschäftszeiten Parkraum für Anwohner und Berufspendler an. „Flexibel buchbar von der Stunde bis zum Monat, zu Tarifen zwischen 1,50 Euro pro Stunde und 40 bis 120 Euro monatlich“, heißt es.

Die Offensive soll in den nächsten Wochen noch verstärkt werden. „Was tagsüber Kunden vorbehalten ist, wird abends und nachts zur Entlastung der umliegenden Wohngebiete genutzt. In einer Stadt wie Köln, wo Parkraum nachweislich knapp ist, kann intelligentes Parkraummanagement so ein Gewinn für alle sein: Gewerbetreibende, Anwohner und die Stadt selbst.“