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Freiheitsstrafe drohtHeftige Reaktionen auf Schwimmer-Entscheidung

Marius Kusch vor einem Rennen über 50 Meter.

Marius Kusch ist der erste deutsche Sportler, der den Enhanced Games zugesagt hat.

Marius Kusch hat als erster Deutscher seine Teilnahme an den umstrittenen „Dopingspielen“ Enhanced Games angekündigt. Der Schritt schlägt Wellen - und wirft Folgefragen auf.

Unverständnis, unüberschaubare gesundheitliche Risiken, womöglich ein strafrechtliches Nachspiel: Der Wechsel des früheren Schwimm-Europameisters Marius Kusch (32) zu den „Dopingspielen“ hat im deutschen Sport hohe Wellen geschlagen.

Die Entscheidung könnte für den 32-Jährigen, der bei den hochumstrittenen Enhanced Games im kommenden Jahr Weltrekorde und damit den Jackpot knacken will, erhebliche Folgen auf mehreren Ebenen haben.

„Der eine oder andere wird auf der Strecke bleiben“

So bestätige die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) am Donnerstag auf SID-Anfrage, derzeit zu prüfen, ob „ein Verstoß gegen das Anti-Doping-Gesetz vorliegt“. In diesem Fall droht Kusch eine Freiheitsstrafe.

Doch auch gesundheitliche Aspekte spielen eine Rolle bei der Bewertung seines Falls. „Mich würde interessieren, ob das noch eine Krankenkasse mitmacht“, sagte Mark Warnecke, Brust-Weltmeister von 2005 und Mediziner, im SID-Gespräch und fügte süffisant hinzu: „Vielen Dank für deine Prämie, die kannst du in deine Krankenkasse zahlen, sonst hast du keine mehr.“

Medizinisch sei das Konzept der Enhanced Games jedenfalls „maximal bedenklich“, erklärte der 55-Jährige und wagte eine drastische Prognose: „Auf Dauer wird der eine oder andere auf der Strecke bleiben, im wahrsten Sinne des Wortes.“

Denn einerseits locken die Macher der menschlichen Leistungsschau ohne Limit im Schwimmen, in der Leichtathletik und im Gewichtheben mit satten Prämien - wer etwa im Mai 2026 in Las Vegas mit welchen Mitteln auch immer als Sieger die Weltrekordmarke im 100-m-Sprint oder im Schwimmen über 50 m Freistil unterbietet, erhält je eine Million Dollar.

Auf der anderen Seite wäre nach Ansicht von Warnecke selbst dieser Betrag „keine Basis“ für ein gutes Leben angesichts der anzunehmenden Folgekosten - Kusch hatte seinen Schritt am Mittwoch explizit auch mit wirtschaftlichen Motiven begründet.

Der Familienvater Warnecke sorgt sich nun auch um die Rolle von Sportlern als Vorbildern. „Wenn das der Leistungssport werden sollte, dann ist das Thema für meine Kinder erledigt“, sagte er. In dieselbe Kerbe schlagen der Deutsche Schwimm-Verband (DOSB) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB).

„Für uns sind Fairness, Chancengleichheit und die klare Ablehnung jeglicher Form von Doping unverrückbare Grundwerte. Wer sich bewusst von diesen Werten abwendet, verabschiedet sich von unserem Schwimmsport“, erklärte der DSV-Vorstandsvorsitzende Jan Pommer.

Der DOSB teilte auf SID-Anfrage mit: „Jeder Mensch hat das Recht, frei über seinen Körper bestimmen zu können. Wer sich allerdings gesundheitsgefährdenden Projekten wie den Enhanced Games anschließt, nimmt wissentlich in Kauf, sich damit außerhalb der Gemeinschaft des Sports zu positionieren.“

Doch die Idee der Enhanced Games hat eben nicht nur in Deutschland Anhänger gefunden, erst in der vergangenen Woche schloss sich mit dem früheren 100-m-Weltmeister Fred Kerley ein Star der Leichtathletik-Szene der zugespitzten Idee an. Der US-Amerikaner ist derzeit wegen Dopingmeldeverstößen gesperrt und will nun die epochalen 9,58 Sekunden von Usain Bolt unterbieten.

Bereits unter der Weltrekordmarke über 50 m Freistil ist im vergangenen Mai der Grieche Kristian Gkolomeev geblieben, bei Filmaufnahmen für die Enhanced Games verbesserte der sichtlich aufgepumpte Europameister von 2024 dabei seine offizielle Bestzeit um neun Zehntel - dabei trug er allerdings auch einen Schwimmanzug, der nach aktuellen Regularien verboten ist.

Der DOSB stellt fest, die Enhanced Games seien „ein Sinnbild der Tendenz zu permanenter Grenzüberschreitung in unserer Gesellschaft“.

Die Geldgeber der Spiele ohne Grenzen, deren Kopf der australische Geschäftsmann Aron D'Souza ist, sind mindestens so berüchtigt wie berühmt. Dazu zählen der libertäre US-Unternehmer Peter Thiel, außerdem der Sohn des US-Präsidenten, Donald Trump Junior. Ein Teil des Geldes kommt zudem, wie so oft im heutigen Sport, aus Saudi-Arabien. Geld, das offenbar immer mehr Sportler verlockt. (sid)