Lässt Olympiasieger Pferde schlagen?Reiterliche Vereinigung prüft Vorwürfe, Beerbaum wehrt sich

Ludger Beerbaum springt mit seinem Pferd über ein Hindernis.

Der deutsche Springreiter Ludger Beerbaum am 21. November 2021 bei einem Wettkampf im tschechischen Prag.

Tierquälerei? Wie heimlich gefilmte Videoaufnahmen der Fernsehsendung „RTL Extra“ zeigen sollen, werden die Pferde auf dem Hof des Springreiters Ludger Beerbaum mit nicht erlaubten Maßnahmen diszipliniert.

von Julian Meiser (jm)

Schwere Vorwürfe gegen den erfolgreichen Springreiter Ludger Beerbaum (58) und dessen Team: Im Reittraining auf Beerbaums Hof sollen Pferde systematisch geschlagen worden sein, um bessere Leistungen zu erzielen. Dabei soll die Praktik des sogenannten „Barrens“ angewandt worden sein.

Der Verdacht gründet sich auf Videoaufnahmen von „RTL Extra“, die heimlich auf der Trainingsstätte in Riesenbeck (Westfalen) aufgenommen wurden. Etwa zwei Jahre lang filmten die Enthüllungsjournalisten das Treiben auf dem Hof. Auch Günther Wallraff (79) soll an der Recherche beteiligt gewesen sein.

„Der Beitrag von RTL extra ist in vielen Punkten nachweislich falsch, verleumderisch und ehrverletzend“, heißt es in einem von Beerbaum veröffentlichten Statement am Mittwochmittag (12. Januar 2022): „Natürlich werden wir juristische Schritte dagegen einleiten. Es ist nicht hinzunehmen, dass heimlich auf meinem privaten Grund und Boden gefilmt wurde.“

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Reitsport: Die verbotene Methode des Barrens

Die nun in der Sendung vom Dienstagabend (11. Januar 2022) veröffentlichten Aufnahmen zeigen laut RTL den vierfachen Olympia-Sieger Ludger Beerbaum, der auf einem Pferd über ein Hindernis springt. Ob der Reiter auf den Videobildern tatsächlich Ludger Beerbaum ist, lässt sich allerdings nicht mit letzter Sicherheit erkennen. Beim Sprung schlägt ein kniender Mitarbeiter dem Pferd mit einer Stange gegen die Vorderbeine. Schmerzhaft vor allem für das Röhrbein des Tieres.

Das Ziel dieser Methode: Das Pferd soll daraus lernen, die Beine beim Sprung noch höher zu heben. Das ist allerdings laut Statuten nicht erlaubt.

Die als Barren bezeichnete Herangehensweise zur Disziplinierung des Pferdes stellt einen eindeutigen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar und ist auch durch die Deutsche Reiterliche Vereinigung offiziell untersagt. Erlaubt ist hingegen das sogenannte „Touchieren“, eine abgeschwächte Form, bei der das Pferd lediglich durch einen leichten Kontakt einer Hindernisstange zu einem höheren Sprung animiert werden soll. Geschlagen wird das Pferd beim Touchieren also nicht.

Darauf beruft sich nun auch Beerbaum: Die im Beitrag gezeigten Szenen auf dem Reitplatz, so Beerbaum, „haben mit Barren nichts zu tun. Es handelt sich dabei um erlaubtes Touchieren, das von einem erfahrenen, routinierten Pferdefachmann durchgeführt wurde.“

Zuvor hatte auch der Weltverband reagiert: Die FEI in Person von Pressesprecherin Shannon Gibbons teilte am Mittwoch mit, das Wohlergehen des Pferdes sei immer entscheidend, „die FEI verurteilt alle Maßnahmen, die im Gegensatz dazu stehen“. Die in dem Beitrag gezeigten Methoden seien „absolut inakzeptabel und widersprechen allen FEI-Regularien“. Beerbaum sieht das anders.

Deutsche Reiterliche Vereinigung will Videomaterial auswerten

Der deutsche Verband will nun weitere Auswertungen vornehmen: „Bereits jetzt, unabhängig von dem gezeigten Beitrag, können wir klar sagen, dass der Gebrauch von Vierkantstangen sowie genopptem oder gestacheltem Stangenmaterial inakzeptabel ist und nicht im Einklang steht mit den Grundsätzen des fairen Pferdesports“, gab der Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), Soenke Lauterbach, in der Nacht auf Mittwoch (12. Januar) an.

Den Namen Beerbaum nannte die FN in ihrem Statement allerdings nicht. „Wie wir schon 2020 und 2021 gegenüber RTL zum Ausdruck gebracht, nehmen wir die Vorwürfe sehr ernst“, so Lauterbach: „Genau deshalb werden wir das am späten Dienstagabend ausgestrahlte Filmmaterial sorgfältig analysieren und anschließend entsprechende Schlüsse zum weiteren Vorgehen ziehen.“

Um eine seriöse Beurteilung des Sachverhaltes vornehmen zu können, bedürfe es allerdings des gesamten Video- und Beweismaterials: „Wir fordern RTL deshalb erneut auf, uns dieses vollständig zur Verfügung zu stellen“, sagte Lauterbach.

Ludger Beerbaums Doping-Skandal 2004

Beerbaum stand bereits im Rahmen eines Doping-Verdachts bei den Olympischen Spielen 2004 in der Kritik. Damals wurde die Substanz Betamethason, ein Cortison, im Blutkreislauf seines Pferdes Goldfever gefunden. Beerbaum verteidigte sich gegen die Vorwürfe und gab an, das Pferd zuvor mit einer betamethasonhaltigen Salbe behandelt zu haben, wobei die Salbe wohl auch ins Blut des Pferdes gelangt sein müsse. Der Internationale Sportsgerichthof disqualifizierte Beerbaum und Goldfever nachträglich und erkannte ihnen die bei den Spielen gewonnene Goldmedaille wieder ab.

Im Nachgang sagte Ludger Beerbaum im Jahr 2009 gegenüber der „FAZ“: „In der Vergangenheit hatte ich die Haltung: Erlaubt ist, was nicht gefunden wird.“

Bereits vor 32 Jahren gab es im Reitsport einen Barr-Skandal. Auf dem Hof des Springreiters Paul Schockemöhle (76) wurden im Jahr 1990 Pferde zur Leistungssteigerung mit Holzstangen geschlagen.

Zuletzt sorgte die Moderne Fünfkämpferin Annika Schleu (31) für Aufregung: Im Sommer 2021 maßregelte sie das bockige Pferd Saint Boy bei den Olympischen Spielen durch den wiederholten Einsatz von Gerte und Sporen. Zuvor hatte ihre Trainerin Kim Raisner (49) „Hau mal richtig drauf! Hau drauf!“ zugerufen.