Handball-Star Julian Köster im Interview„Die WM in Köln war wirklich Gänsehaut pur“

Handball-Nationalspieler Julian Köster lacht.

Handball-Nationalspieler Julian Köster beim EXPRESS.de-Interview.

Julian Köster ist einer der deutschen Hoffnungsträger für die Handball-EM 2024 in Deutschland. Im Interview spricht er über das Turnier, seine Heimat und seine Vertragsverlängerung beim VfL Gummersbach. 

von Denis Canalp (can)

Julian Köster (23) ist einer der Stars der deutschen Handball-Nationalmannschaft, die bei der Europameister 2024 in Deutschland für ein neues Wintermärchen sorgen wollen.

Im Interview mit EXPRESS.de spricht der Kapitän des Bundesligisten VfL Gummersbach über das anstehende EM-Turnier, seine Vertragsverlängerung beim Traditionsklub, seine Heimat und die Stimmung in der Lanxess-Arena.

Köster schwärmt von Handball in der Lanxess-Arena

Nach der erfolgreichen EM 2022 mit Platz 7 folgte die noch erfolgreichere WM 2023 in Polen, bei der ihr Fünfter wurdet. Was ist das Ziel für die EM in Deutschland? Ist eine Medaille drin?

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Julian Köster: Wenn man über Medaillen spricht, muss man erstmal andere Teams nennen. Mit Dänemark, Frankreich, Schweden und Spanien gibt es da den üblichen Favoritenkreis. Trotzdem wollen wir eine gute und erfolgreiche Europameisterschaft spielen, gerade hier zu Hause. Wir haben eine starke Gruppe mit Frankreich als Favorit erwischt, aber an ihren schlechten Tagen sind auch die zu schlagen.

Was sind die Zutaten für ein gelungenes Wintermärchen?

Köster: Für uns wird es wichtig sein, dass wir eine gute und fitte Mannschaft zusammenstellen. Die Aufgabe des Bundestrainers ist es, uns in den letzten Vorbereitungslehrgängen im November und unmittelbar vor dem Turnier gut einzustellen. Im Turnier wird es dann sehr wichtig sein, dass wir gut ins Turnier starten.

DHB-Youngster im Porträt

Die Karriere von Julian Köster in Bildern

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Welche Rolle wird der EM-Standort Köln dabei für dich persönlich spielen? Das Turnier findet ja quasi vor deiner Haustür statt …

Köster: Ich war bei der Weltmeisterschaft 2019 bei zwei Hauptrundenspielen in der Kölner Lanxess-Arena. Da habe ich die Atmosphäre schon mal als Zuschauer erleben dürfen, das war schon wirklich Gänsehaut pur. Ich hoffe natürlich, dass diese Erfahrung noch krasser wird, wenn man dann unten auf dem Spielfeld steht.

Offensichtlich findet Spitzenhandball in der Domstadt Anklang, die beste Kölner Mannschaft (Longericher SC) spielt jedoch in der 3. Liga. Warum gibt es in Köln keinen Handball-Bundesligisten?

Köster: Mit der Halle hat Köln einen Ort, auf den man immer gerne zurückkommt, um wirklich große Spiele auszutragen. Trotzdem fehlt für so eine Millionenstadt ein großer Handballverein, der nächste ist dann der VfL Gummersbach. Das ist dann zwar ein kleines Stückchen weg, aber der Verein ist groß!

Beim VfL Gummersbach bist du mit nur 23 Jahren schon Kapitän. Bist du in der Kabine der Wortführer?

Köster:  Unser damaliger Kapitän Tim Schneider hatte den Verein 2022 verlassen, von daher war klar, dass das Kapitänsamt neu besetzt werden muss. Bei so einem Traditionsverein und bei den Vorgängern ist das wirklich eine Ehre für mich, dieses Amt bekleiden zu dürfen. Deswegen habe ich dem Trainer auch sofort zugesagt.

Hat Gummersbach für dich schon immer in deinem Handball-Leben begleitet?

Köster: Klar, der VfL war immer der Bundesligist hier in der Gegend, da war man natürlich immer mal wieder in der Halle, um Bundesliga-Spiele anzusehen. Ich war tatsächlich in der E-Jugend einmal Einlaufkind, als der VfL in der Lanxess-Arena gespielt hat. Aber in der Jugend habe ich für den TSV Bayer Dormagen gespielt, da war Gummersbach für uns eher der Erzrivale, das war immer das Mittelrhein-Derby in der Jugend.

Du hast deinen Vertrag beim VfL jetzt bis 2026 verlängert, welche Perspektiven hat man dir da aufgezeigt? Als junger Spieler hast du sicherlich das Ziel, auch international spielen zu können.

Köster: Zuerst einmal muss man zurückschauen und die Entwicklung betrachten. Mit dem Bundesliga-Abstieg 2019 hat es den Verein hart getroffen. Seitdem hat sich der Klub stetig und steil nach oben entwickelt. Sowohl im Verein als auch drumherum hat sich da viel getan. Ich bin überzeugt davon, dass sich diese positive Entwicklung in den kommenden Jahren fortsetzen wird, von daher habe ich meinen Vertrag gerne verlängert.

Wirst du 2026 mit Gummersbach gemeinsam gewachsen sein oder bis 2026 aus Gummersbach herausgewachsen sein und in die Champions League wechseln?

Köster: Das Ziel ist es, gemeinsam zu wachsen. Ob das passiert, müssen wir gucken, das ist der Blick in die Glaskugel, aber das ist jedenfalls das Ziel.

Sowohl beim VfL Gummersbach als auch in der Nationalmannschaft spielst du im Angriff und in der Abwehr eine zentrale Rolle. Was macht dir denn eigentlich mehr Spaß?

Köster: Beides gehört zum Handball dazu. Ich finde, man kann sich gar nicht auf eine Sache festlegen. Mir macht es Freude, einen Ball zu blocken oder einen Ball in der Abwehr zu erobern. Aber ich glaube auch, dass jeder lügt, der sagt, dass ihm Tore werfen keinen Spaß macht. Von daher ist es schon schön, dass man beides machen kann.

Julian Köster: „Es gibt kein 0:0 oder 1:1“

Du wirst von zwei Isländern trainiert. Wie unterscheiden sich dein Vereinstrainer Gudjon Valur Sigurdsson und Bundestrainer Alfred Gislason? Wie ist dein Draht zu beiden?

Köster: Ich habe zu beiden einen guten Draht. Es macht sehr viel Spaß, mit ihnen zu arbeiten. Gudjon und Alfred sind sehr unterschiedliche Trainer-Typen, auch mit zwei sehr unterschiedlichen Philosophien. Beide haben eine enorme Liebe zum Sport und diese Leidenschaft merkt man wirklich in jedem Training.

Alfred Gislason sieht man bei Länderspielen höchst emotional am Seitenrand, die Rede ist oft vom isländischen Vulkan. Gibt es in seiner Ansprache zu euch irgendwas Besonderes?

Köster: In Auszeiten spricht Alfred mehr mit uns Spielern als mein Vereinstrainer Sigurdsson. „Goggi“ (Gudjon Sigurdsson, Anm. d. Red.) zeichnet im Gegensatz viel mehr auf dem Taktik-Board auf. Da unterscheiden sich die beiden.

Was macht den Handballsport für dich eigentlich aus? Dass es so kracht? 

Köster: Handball ist nun mal ein Körperkontakt-Sport. Das Besondere am Sport sind für mich zum einen die ganzen Emotionen in einem Spiel. Wenn man vorm Fernseher sitzt und die Spiele guckt, geht so schnell hin und her. Das macht's einfach spannend. Es gibt kein 0:0 oder 1:1 und selbst ein Vier-Tore-Vorsprung drei Minuten vor Schluss heißt noch nichts, deswegen ist es fast immer spannend bis zum Ende.

Wie hast du die Handball-Weltmeisterschaft 2007 wahrgenommen?

Köster: Damals war ich ja noch jünger, trotzdem habe ich die Spiele verfolgt. Den Film „Projekt Gold“ über das die deutsche Mannschaft immer mal wieder angeguckt (lacht). Aber ich weiß noch, dass wir das Finale in der Handball-Halle angeguckt haben bei meinem damaligen Verein in Brauweiler.

In Brauweiler wuchs deutsche Sport-Prominenz auf

Und die Mutter von Fußball-Nationalspieler Florian Wirtz war deine erste Trainerin in Brauweiler?

Köster: Ja, bei den Minis. Mit Florian war ich auch auf der gleichen Schule, mein Bruder ist auch bis heute mit seiner Schwester befreundet.

Verfolgst du auch deswegen die Spiele von Bayer Leverkusen? Und bist du sogar Fan?

Köster: Ja, das auf jeden Fall, es ist ja immer cool, wenn es ein ehemaliger Klassenkamerad in die Bundesliga schafft. Aber ich bin Schalke-Fan. Bei ein bis zwei Spielen schaffe ich es auch ins Stadion. Mein Vater ist Schalke-Fan, das hat ziemlich schnell abgefärbt.

Große Triumphe und tiefe Enttäuschungen

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Der deutsche Fußball enttäuschte zuletzt bei allen großen Turnieren. Ist das für den Handball eine Chance, das große Publikum zu begeistern? Oder erhöht das für euch eher den Druck?

Köster: Also den Druck erhöht das für mich nicht. Ich bin ein großer Fan der Fußball-Nationalmannschaft und hoffe immer, dass die deutschen Teams auch gut abschneiden. Das frühe Turnier-Aus der Männer- und Frauen-Nationalmannschaften zuletzt habe ich sehr bedauert. Ich hoffe, dass wir es besser machen.

Playstation? Die Handballer spielen lieber Darts

Playstation-Zimmer oder Tischkicker, was darf bei euch auf einem Turnier auf keinen Fall fehlen?

Köster: Wir haben immer eine Dart-Scheibe dabei und dann werden paar Pfeile geschmissen. Im Winter ist auch immer noch die Darts-WM, da nehmen wir den Hype mit und spielen dann während der Lehrgänge oder des Turniers.

Was braucht eine Mannschaft denn während der gemeinsamen Zeit eines Turniers?

Köster: Ich persönlich brauche manchmal einfach meine Ruhe und spreche dann gerne mit meiner Familie und Freunden über alles Mögliche außer Handball. Danach schaue ich mir aber genauso gerne mit den anderen die Spiele der Konkurrenz im Aufenthaltsraum an.

Hast du ein Amt in der Mannschaft?

Köster: Nein, aber ich bin immer einer der jüngsten, wenn es also irgendwas zu tragen gibt, dann darf ich ran.

Habt ihr einen Kabinen-DJ?

Köster: Irgendjemand übernimmt das immer, ich weiß gar nicht, wer das zuletzt war. Timo Kastening und Simon Ernst sind da immer heiße Kandidaten für.

Das spaltet die Handball-Nationalspieler 

Und mit der Musikwahl sind dann alle einverstanden?

Köster: Die Musik spaltet die Mannschaft schon gelegentlich (lacht), aber die DJs haben da schon ein Händchen für.

Hast du noch eine Verbindung zu deinem Jugendklub TSV Bayer Dormagen?

Köster: Ja, auf alle Fälle. Ich habe einige Freunde aus der Zeit, die immer noch beim TSV spielen. Von daher gehe ich, wenn es zeitlich passt, auch immer gerne in die Halle nach Dormagen.

Du hast jetzt deinen Bachelor-Abschluss in BWL erreicht, wie anstrengend war die Doppelbelastung aus Sport und Studium?

Köster: Also in Regelstudienzeit habe ich es nicht geschafft (lacht), das war aber von vornherein klar. Deswegen bin ich sehr zufrieden, wie es jetzt geklappt hat.

Du bist im Rheinland aufgewachsen und somit sicherlich Karneval-sozialisiert. Feierst du Karneval?

Köster: Die Bundesliga nimmt da nicht so viel Rücksicht drauf, aber wenn der Spielplan es zulässt, feiere ich da sehr gerne mit. Wenn es klappt, ist der Zug in Brauweiler am Samstag immer ein Highlight.

Du hältst dein Privatleben weitgehend aus der Öffentlichkeit. Auch auf Instagram hältst du dich sehr zurück …

Köster: Ich bin niemand, der permanent sein Handy zückt und alles Mögliche fotografiert. Wenn ich mal ein schönes Foto von mir habe, lade ich das gerne hoch, aber das muss nicht allzu oft sein.

Hast du als Bundesliga-Spieler nicht die Möglichkeit, dich über dein Social-Media-Account zu vermarkten?

Köster: Als Handball-Profi hat man natürlich die Möglichkeit sich zu vermarkten, aber ich finde, da muss man einige Aspekte miteinander abwägen. Ich habe einen Schuh-Ausstatter, da stimmt die Zusammenarbeit sehr gut überein, mehr brauche ich vorerst auch nicht.